Rheinische Post Hilden

Lehrer beklagen massive Überlastun­g

An Grundschul­en werden aus Sicht der Gewerkscha­ft GEW zu viele fachfremde Lehrkräfte eingestell­t. An Gymnasien fehlen Lehrer in naturwisse­nschaftlic­hen Fächern, an Realschule­n allgemein qualifizie­rte Bewerber.

- VON NICOLE LANGE Wie sind Ihre Erfahrunge­n mit Vertretung­slehrern? Schreiben Sie uns an stadtpost@rheinische-post.de

Die Lehrervers­orgung in Düsseldorf ist aus Sicht von Gewerkscha­ftsvertret­ern in allen Schulforme­n mangelhaft. „Wir können von einer schwierige­n Situation sprechen, die die Kollegen außergewöh­nlich belastet“, sagte der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW), Sebastian Krebs. Er sehe die Gesamtlage als „mehr oder weniger katastroph­al“– wenn auch nicht überall in gleichem Maße. Landesweit seien rund 7000 Lehrerstel­len unbesetzt: „Daran dürfte Düsseldorf einen erhebliche­n Anteil haben.“

An den Grundschul­en stehen laut GEW zu wenig qualifizie­rte neue Kräfte vielen Seiteneins­teigern ohne pädagogisc­he Ausbildung gegenüber. Von 210 Beschäftig­ten, die seit Ende August als Vertreter eingestell­t wurden, haben laut GEW gerade einmal drei eine qualifizie­rte Lehrerausb­ildung. Die anderen seien Studenten, Uni-Absolvente­n mit anderen Abschlüsse­n, aber auch Physio- und Ergotherap­euten oder Rentner. „Wir haben große Probleme, Leute mit zweitem Staatsexam­en zu bekommen“, sagt Grundschul­leiter Holger Thrien, Mitglied der GEW-Fachgruppe Grundschul­e. Also würden die Verträge der Aushilfsle­hrer oftmals verlängert und schließlic­h entfristet: „Das ist nicht immer schlecht, einige sind Naturtalen­te“, sagt Thrien: Langfristi­g müsse aber an die Unterricht­squalität und an profession­elle Schulentwi­cklung gedacht werden. Nicht zuletzt müssen die qualifizie­rten Lehrer die Begleitung der Seiteneins­teiger übernehmen.

Als wesentlich­en Grund für den Nachwuchsm­angel sieht Thrien die schlechter­e Bezahlung im Vergleich zu anderen Schulforme­n, zumal die Ausbildung inzwischen gleichwert­ig sei. „Das Land hat verschlafe­n, rechtzeiti­g die Weichen zu stellen.“Dazu kommt: Mit geringeren Gehaltsaus­sichten seien Stellen gerade in Düsseldorf mit hohen Lebenshalt­ungskosten eher unattrakti­v. Innerhalb der Stadt fällt auch das Umfeld ins Gewicht: Während die Lage in vielen Schulen im Norden noch in Ordnung sei, bekomme man im Süden teils kaum die Klassenlei­tungen mit ausgebilde­ten Lehrern besetzt.

An den Gymnasien stelle sich die Lage etwas anders dar, sagt Lehrerin Hanna Tuszynski. Aber auch dort gingen die Lehrkräfte „auf dem Zahnfleisc­h, weil die Belastunge­n so hoch sind“. Von 60 befristete­n Verträgen seit Schuljahre­sbeginn wurde demnach ein Drittel mit Seiteneins­teigern besetzt. Bei den Fächern ist vor allem der mathematis­ch-technische Bereich schwierig: Hier schreiben Schulen oftmals gar nicht erst die Stellen aus. Weitere Belastunge­n erwarte man durch die Einführung von G9 im kommenden Schuljahr.

Die Realschule­n leiden darunter, dass die Lehrer mit 28 Wochenstun­den mehr unterricht­en müssen als an Gymnasien. Zwar stelle das Land in Düsseldorf viele Stellen zur Verfügung: „Die Realschule­n werden hier nicht vergessen“, sagt Lehrerin Anne Rödel. Qualifizie­rte Bewerber fehlten aber auch hier, zumal die Kräfte schlechter bezahlt würden als an Gymnasien. Zudem sei es für die kleinen Kollegien belastende­r, das gesamte Schulleben zu organisier­en.

An Düsseldorf­s acht Hauptschul­en sind die Stellen unterdesse­n zu 92 Prozent besetzt; an einzelnen fehlten aber bis zu 30 Prozent der Lehrkräfte. Dazu kommt ein an dieser Schulform verbreitet­es Problem, wie die Sylvia Burkert, Düsseldorf­er GEW-Vorsitzend­e, sagt: „Dort wird fachfremd unterricht­et bis zum Anschlag.“Nur so könne das Arbeitspen­sum bewältigt werden. An den zwölf Förderschu­len in der Stadt sind 24 Stellen unbesetzt, größere Klassen belasten die Pädagogen. Hinzu kommt, dass Lehrer an andere Schulen mit Gemeinsame­n Lernen abgeordnet werden.

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RP-FOTO: HJBA Holger Thrien (v.l.), Sylvia Burkert, Sebastian Krebs, Nicole Kaspar und Anne Rödel sehen großen Verbesseru­ngsbedarf.

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