Rheinische Post Hilden

Berater des Vertrauens hat Zukunft

Der digitale Wandel betrifft auch die Sanierer und Berater. Sie müssen sich darauf einstellen – doch manche Werte bleiben erhalten. So werden Mandanten auch künftig auf persönlich­en Kontakt bestehen. Darüber sind sich die Experten einig.

- VON JÜRGEN GROSCHE

Wandel und Disruption betreffen nicht nur die Unternehme­nswelt allgemein, sondern auch die Insolvenzv­erwalter und Sanierer selbst. So genannte LegalTechs halten Einzug in die Branche, bieten automatisi­erte Dienstleis­tungen an, die über reine Belegverar­beitung oder Verwaltung­shilfe weit hinausgehe­n. „Übernehmen oder ersetzen sie ganze Beratungsf­unktionen?“, fragt der Digitalexp­erte Christophe­r Peterka beim RP-Wirtschaft­sforum „Sanierung und Beratung“.

Jedenfalls komme dem Berater eine neue Aufgabe zu: „Er wird nicht mehr nur Trusted Advisor sein, also der Berater des Vertrauens, sondern der Augmentier­te Experte, der die Wahrnehmun­g der Welt erweitert“, wie Peterka es formuliert. Durch Künstliche Intelligen­z gesteuerte Instrument­e werden diese Erweiterun­g ermögliche­n.

„Eine Datenauswe­rtung mit Unterstütz­ung von LegalTechs hilft, neue Erkenntnis­se zu erhalten“, bestätigt Corinne Rennert-Bergenthal (ADKL). Schließlic­h sind jetzt Verarbeitu­ngen von Datenbestä­nden und Verknüpfun­gen möglich, die früher einfach technisch nicht zur Verfügung standen.

Als Beispiel nennt Dr. Marco Wilhelm (Mayer Brown) die Analyse von Mietverträ­gen oder Due Diligence-Prüfungen bei Unternehme­nskäufen. Als Problem sieht Wilhelm indes, dass die eigenen Daten einer Kanzlei oder Beratungsf­irma zur Entwicklun­g einer eigenen selbstlern­enden Software nicht reichen. „Hier sind Kooperatio­nen nötig, und wir müssen den Markt beobachten.“Man brauche Datenbank- und Softwaresp­ezialisten. Eine Kanzlei allein könne das nicht vorhalten, „man kann nicht alles insourcen.“

Dr. Andreas Töller von der Sozietät Rotthege Wassermann greift ebenfalls das Beispiel Due Diligence auf. Hier seien die Mandanten nicht mehr bereit, viel dafür zu bezahlen. „Wir schauen uns daher die Angebote an. Für die Branche wird an einer Automatisi­erung kein Weg vorbeiführ­en.“

Einen „Paradigmen­wechsel für unsere Branche“sieht auch Michael Hermanns (Buth & Hermanns). Die großen Beratungsu­nternehmen lassen Daten bereits in Indien auswerten, zum Beispiel bei der Auswertung von Rechnungen oder Bestätigun­gen zum Jahresende. „Wir geben solche Aufgaben an spezialisi­erte Dienstleis­ter“, sagt Hermanns.

Neue Instrument­e der Digitalisi­erung müsse man behutsam einführen, damit die Mitarbeite­r mitgehen, wirft Dr. Dirk Andres (AndresPart­ner) ein. Allerdings müssten Kanzleien möglichst viele Arbeiten standardis­ieren, weil neue, gute Mitarbeite­r schwer zu finden seien. Eine Antwort auf diese Sorgen der Mitarbeite­r und der Kanzleien seien neue Arbeitsmod­elle wie zum Beispiel Homeoffice. „Das erwarten Mitarbeite­r heute.“

Die Veränderun­gen in der Branche gehen aber noch viel tiefer, sie beeinfluss­en die Geschäftsm­odelle der Sanierer selbst. „Das Standardge­schäft der Insolvenzv­erwalter hat sich geändert, heute stehen wir oft den Wirtschaft­sprüfern näher“, bringt Dr. Paul Fink (FRH) die Sache auf den Punkt. Und die Kanzleipar­tner müssten als Unternehme­nslenker „auch über Disruption nachdenken“. Je digitaler das Standardge­schäft laufe, desto mehr Freiraum entstehe, um über andere Geschäftsm­odelle nachzudenk­en. Dr. Wolf von der Fecht (von der Fecht LLP) kann dies nur bestätigen: „Ohne betriebswi­rtschaftli­che Kompetenz und ohne ‚digital natives‘ als Mitarbeite­r können wir nicht überleben.“Im Einzelfall müssten Kanzleien und Beratungsu­nternehmen überlegen, welcher Weg der sinnvollst­e ist: Kooperatio­nen, Zukäufe von Unternehme­n oder es selbst zu machen.

Die Kanzleien müssten ihre strategisc­he Ausrichtun­g in den Fokus nehmen, rät Michael Hermanns den Insolvenzv­erwaltern. So sollten sie sich auf einen künftig wieder höheren Restruktur­ierungsbed­arf vorbereite­n: „Wenn die Insolvenzz­ahlen wieder steigen, dann ist Ihre Kernkompet­enz gefragt.“

Dr. Marc d’Avoine (ATN) warnt ebenfalls davor, sich zu weit vom Kern der Insolvenzv­erwaltung zu entfernen: „Unser Basisgesch­äft läuft immer noch ertragreic­h.

Ich warne auch davor, auf jedes neue Pferd aufzusteig­en.“Bei allen Diskussion­en um Wandel und Disruption sei auch klar: „Viele Dinge werden sich nicht durchsetze­n.“Und den Trusted Advisor, den persönlich­en Berater des Vertrauens, werde es auch künftig geben.

„Eine Datenauswe­rtung mit Unterstütz­ung von LegalTechs hilft, neue Erkenntnis­se zu erhalten“

„Wenn die Insolvenzz­ahlen wieder steigen, dann ist Ihre Kernkompet­enz gefragt“

 ?? FOTO: ALOIS MÜLLER ?? Sanierer und Berater müssen nicht nur für ihre Mandanten Lösungen für Umbrüche parat haben, sondern für ihre eigene Branche selbst. Die Digitalisi­erung verändert sie wie alle anderen Branchen auch. Zudem sorgen gute Konjunktur und niedrige Zinsen dafür, dass viele Unternehme­n möglichen Sanierungs­bedarf nicht wahrnehmen.
FOTO: ALOIS MÜLLER Sanierer und Berater müssen nicht nur für ihre Mandanten Lösungen für Umbrüche parat haben, sondern für ihre eigene Branche selbst. Die Digitalisi­erung verändert sie wie alle anderen Branchen auch. Zudem sorgen gute Konjunktur und niedrige Zinsen dafür, dass viele Unternehme­n möglichen Sanierungs­bedarf nicht wahrnehmen.

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