Berater des Vertrauens hat Zukunft
Der digitale Wandel betrifft auch die Sanierer und Berater. Sie müssen sich darauf einstellen – doch manche Werte bleiben erhalten. So werden Mandanten auch künftig auf persönlichen Kontakt bestehen. Darüber sind sich die Experten einig.
Wandel und Disruption betreffen nicht nur die Unternehmenswelt allgemein, sondern auch die Insolvenzverwalter und Sanierer selbst. So genannte LegalTechs halten Einzug in die Branche, bieten automatisierte Dienstleistungen an, die über reine Belegverarbeitung oder Verwaltungshilfe weit hinausgehen. „Übernehmen oder ersetzen sie ganze Beratungsfunktionen?“, fragt der Digitalexperte Christopher Peterka beim RP-Wirtschaftsforum „Sanierung und Beratung“.
Jedenfalls komme dem Berater eine neue Aufgabe zu: „Er wird nicht mehr nur Trusted Advisor sein, also der Berater des Vertrauens, sondern der Augmentierte Experte, der die Wahrnehmung der Welt erweitert“, wie Peterka es formuliert. Durch Künstliche Intelligenz gesteuerte Instrumente werden diese Erweiterung ermöglichen.
„Eine Datenauswertung mit Unterstützung von LegalTechs hilft, neue Erkenntnisse zu erhalten“, bestätigt Corinne Rennert-Bergenthal (ADKL). Schließlich sind jetzt Verarbeitungen von Datenbeständen und Verknüpfungen möglich, die früher einfach technisch nicht zur Verfügung standen.
Als Beispiel nennt Dr. Marco Wilhelm (Mayer Brown) die Analyse von Mietverträgen oder Due Diligence-Prüfungen bei Unternehmenskäufen. Als Problem sieht Wilhelm indes, dass die eigenen Daten einer Kanzlei oder Beratungsfirma zur Entwicklung einer eigenen selbstlernenden Software nicht reichen. „Hier sind Kooperationen nötig, und wir müssen den Markt beobachten.“Man brauche Datenbank- und Softwarespezialisten. Eine Kanzlei allein könne das nicht vorhalten, „man kann nicht alles insourcen.“
Dr. Andreas Töller von der Sozietät Rotthege Wassermann greift ebenfalls das Beispiel Due Diligence auf. Hier seien die Mandanten nicht mehr bereit, viel dafür zu bezahlen. „Wir schauen uns daher die Angebote an. Für die Branche wird an einer Automatisierung kein Weg vorbeiführen.“
Einen „Paradigmenwechsel für unsere Branche“sieht auch Michael Hermanns (Buth & Hermanns). Die großen Beratungsunternehmen lassen Daten bereits in Indien auswerten, zum Beispiel bei der Auswertung von Rechnungen oder Bestätigungen zum Jahresende. „Wir geben solche Aufgaben an spezialisierte Dienstleister“, sagt Hermanns.
Neue Instrumente der Digitalisierung müsse man behutsam einführen, damit die Mitarbeiter mitgehen, wirft Dr. Dirk Andres (AndresPartner) ein. Allerdings müssten Kanzleien möglichst viele Arbeiten standardisieren, weil neue, gute Mitarbeiter schwer zu finden seien. Eine Antwort auf diese Sorgen der Mitarbeiter und der Kanzleien seien neue Arbeitsmodelle wie zum Beispiel Homeoffice. „Das erwarten Mitarbeiter heute.“
Die Veränderungen in der Branche gehen aber noch viel tiefer, sie beeinflussen die Geschäftsmodelle der Sanierer selbst. „Das Standardgeschäft der Insolvenzverwalter hat sich geändert, heute stehen wir oft den Wirtschaftsprüfern näher“, bringt Dr. Paul Fink (FRH) die Sache auf den Punkt. Und die Kanzleipartner müssten als Unternehmenslenker „auch über Disruption nachdenken“. Je digitaler das Standardgeschäft laufe, desto mehr Freiraum entstehe, um über andere Geschäftsmodelle nachzudenken. Dr. Wolf von der Fecht (von der Fecht LLP) kann dies nur bestätigen: „Ohne betriebswirtschaftliche Kompetenz und ohne ‚digital natives‘ als Mitarbeiter können wir nicht überleben.“Im Einzelfall müssten Kanzleien und Beratungsunternehmen überlegen, welcher Weg der sinnvollste ist: Kooperationen, Zukäufe von Unternehmen oder es selbst zu machen.
Die Kanzleien müssten ihre strategische Ausrichtung in den Fokus nehmen, rät Michael Hermanns den Insolvenzverwaltern. So sollten sie sich auf einen künftig wieder höheren Restrukturierungsbedarf vorbereiten: „Wenn die Insolvenzzahlen wieder steigen, dann ist Ihre Kernkompetenz gefragt.“
Dr. Marc d’Avoine (ATN) warnt ebenfalls davor, sich zu weit vom Kern der Insolvenzverwaltung zu entfernen: „Unser Basisgeschäft läuft immer noch ertragreich.
Ich warne auch davor, auf jedes neue Pferd aufzusteigen.“Bei allen Diskussionen um Wandel und Disruption sei auch klar: „Viele Dinge werden sich nicht durchsetzen.“Und den Trusted Advisor, den persönlichen Berater des Vertrauens, werde es auch künftig geben.
„Eine Datenauswertung mit Unterstützung von LegalTechs hilft, neue Erkenntnisse zu erhalten“
„Wenn die Insolvenzzahlen wieder steigen, dann ist Ihre Kernkompetenz gefragt“