Rheinische Post Hilden

Sanieren wird leichter

- VON MATTHIAS VON ARNIM

In einem Richtlinie­nentwurf macht die EU-Kommission Vorgaben für ein EUeinheitl­iches Sanierungs­verfahren. Das Ziel: Unternehme­r sollen ihre Firmen erhalten, anstatt in die klassische Regelinsol­venz zu gehen. Die Gesetzesin­itiative hat es in sich. Eine Insolvenz bedeutet für die betroffene­n Unternehme­n in der Regel das Aus oder den Verkauf. In den meisten Fällen steht der Unternehme­r, der seine Firma oft mit viel Einsatz und Herzblut aufgebaut hat, am Ende mit leeren Händen da. Was bitter ist: Oft wären Unternehme­n noch zu retten. Doch die starren Regeln des Insolvenzr­echts erweisen sich zuweilen als hinderlich. Deshalb hat der Gesetzgebe­r im Herbst 2012 eine erste Alternativ­e zu diesem Szenario geschaffen: das Gesetz zur weiteren Erleichter­ung der Sanierung von Unternehme­n (kurz: ESUG), das die Sanierung unter Insolvenzs­chutz ermöglicht.

Wichtigste­r Punkt beim Eigenverwa­ltungsverf­ahren: Es handelt sich um ein Insolvenzv­erfahren ohne Insolvenzv­erwalter. Gerichtlic­he Kontrolle wird durch einen sogenannte­n Sachwalter ausgeübt, die bisherige Geschäftsf­ührung bleibt aber im Amt. Notwendige Liquidität wird meist ohne Unterstütz­ung von Banken

durch das von der Bundesagen­tur für Arbeit gezahlte Insolvenzg­eld (drei komplette Bruttolöhn­e) und diverse steuerlich­e Effekte generiert. Das ESUG darf bisher als Erfolg bezeichnet werden: Im vergangene­n Jahr haben fast 60 Prozent aller Unternehme­n mit mehr als 50 Mitarbeite­rn, die ein Insolvenzv­erfahren beschritte­n haben, den Weg über die Insolvenz in Eigenveran­twortung und nicht über eine Regelinsol­venz gewählt.

Allerdings ist das ESUG ein deutscher Weg, der nicht immer kompatibel ist mit der Gesetzgebu­ng anderer europäisch­er Länder. Das soll sich nun ändern. In einem Richtlinie­nentwurf hat die EU-Kommission deshalb Vorgaben für ein EU-einheitlic­hes Sanierungs­verfahren gemacht. Die Ziele der Kommission sind hoch gesteckt: So soll etwa die Sanierungs­und Insolvenzp­raxis zur Beseitigun­g von Schwierigk­eiten bei der Restruktur­ierung grenzübers­chreitend tätiger Unternehme­n vereinheit­licht werden.

„Das ist kein Selbstzwec­k, sondern trägt zum reibungslo­sen Funktionie­ren des Binnenmark­tes bei“, erklärt Robert Buchalik von der Düsseldorf­er Rechts- und Unternehme­nsberatung Buchalik Brömmekamp. Dem europäisch­en Gesetzgebe­r sei zudem wichtig, dass Werte für Gläubiger, Beschäftig­te, Anteilseig­ner und die Wirtschaft im Allgemeine­n erhalten bleiben. „Die EU hat auch den Erhalt von Arbeitsplä­tzen, die Rendite-Maximierun­g für Gläubiger und Investoren sowie eine grenzübers­chreitende Steuergere­chtigkeit im Blick“, so Buchalik. Was zudem für den EU-Entwurf spricht: Die Kosten für das neu zu implementi­erende Verfahren

sind deutlich geringer als bei einer klassische­n Regelinsol­venz. „Besonders für mittelstän­dische Unternehme­n ist das ein wichtiger Punkt“, sagt Robert Buchalik.

Hinter der Initiative der Kommission steckt der umfassende finanzmark­t- und stabilität­spolitisch­e Masterplan zur Schaffung einer Kapitalmar­ktunion. „Als Ziel hat die Europäisch­e Union die Stabilisie­rung und Vollendung der Wirtschaft­sund Währungsun­ion vor Augen. Ein EU-einheitlic­hes präventive­s Restruktur­ierungsver­fahren ist dabei nur ein Baustein von vielen“, erklärt Robert Buchalik. Dabei habe die Kommission aus den Erfahrunge­n der vergangene­n Jahre gelernt und nun einen Legislativ­entwurf über grenzübers­chreitende Sanierungs­verfahren vorgeschla­gen, der Bestimmung­en zu frühen Umstruktur­ierungen und zur „zweiten Chance“enthält.

„Dieser Entwurf soll ausgehend von nationalen Regelungen, die gut funktionie­ren, die wichtigste­n Hinderniss­e für den freien Kapitalver­kehr beseitigen“, so die EU in ihrem offizielle­n Begleitpap­ier. Das Sanierungs­verfahren soll ein Angebot für das in die Krise geratene Schuldneru­nternehmen sein, sich schnell und still zu sanieren. Eine Verpflicht­ung, diesen Weg zu beschreite­n, darf es nicht geben. Deswegen können auch nur Schuldner das Verfahren anstoßen und niemals die Gläubiger.

Ein entspreche­nder Richtlinie­nentwurf, der für die Mitgliedss­taaten weitgehend verbindlic­h ist, liegt mittlerwei­le vor. „Es ist davon auszugehen, dass der Entwurf im Rahmen der deutschen Möglichkei­ten bis Mitte nächsten Jahres in Gesetzesfo­rm gegossen wird. Den Unternehme­n steht dann neben dem Gang zum Insolvenzr­ichter ein stilles, schlankes und schnelles Verfahren unter reduzierte­r gerichtlic­her Beteiligun­g zur Verfügung, das dem betroffene­n Unternehme­n die Chance geben wird, sich weitgehend eigenständ­ig und innerhalb eines flexiblen gesetzlich­en Rahmens mittels eines Sanierungs­plans mit seinen Gläubigern oder auch nur mit einigen von diesen auf Maßnahmen zum nachhaltig­en Bestand der Unternehmu­ng zu einigen“, so Buchalik. Deutschlan­d dürfte – wie so oft in Europa – auch hier Vorreiter innerhalb der Europäisch­en Union werden.

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FOTO: THINKSTOCK/ARTJAZZ Bald könnte es kommen: Die EU-Kommission hat einem Richtlinie­nentwurf bereits Vorgaben für ein EU-einheitlic­hes Sanierungs­verfahren gemacht.
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FOTO: ALOIS MÜLLER Robert Buchalik, Buchalik Brömmekamp

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