Sanieren wird leichter
In einem Richtlinienentwurf macht die EU-Kommission Vorgaben für ein EUeinheitliches Sanierungsverfahren. Das Ziel: Unternehmer sollen ihre Firmen erhalten, anstatt in die klassische Regelinsolvenz zu gehen. Die Gesetzesinitiative hat es in sich. Eine Insolvenz bedeutet für die betroffenen Unternehmen in der Regel das Aus oder den Verkauf. In den meisten Fällen steht der Unternehmer, der seine Firma oft mit viel Einsatz und Herzblut aufgebaut hat, am Ende mit leeren Händen da. Was bitter ist: Oft wären Unternehmen noch zu retten. Doch die starren Regeln des Insolvenzrechts erweisen sich zuweilen als hinderlich. Deshalb hat der Gesetzgeber im Herbst 2012 eine erste Alternative zu diesem Szenario geschaffen: das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (kurz: ESUG), das die Sanierung unter Insolvenzschutz ermöglicht.
Wichtigster Punkt beim Eigenverwaltungsverfahren: Es handelt sich um ein Insolvenzverfahren ohne Insolvenzverwalter. Gerichtliche Kontrolle wird durch einen sogenannten Sachwalter ausgeübt, die bisherige Geschäftsführung bleibt aber im Amt. Notwendige Liquidität wird meist ohne Unterstützung von Banken
durch das von der Bundesagentur für Arbeit gezahlte Insolvenzgeld (drei komplette Bruttolöhne) und diverse steuerliche Effekte generiert. Das ESUG darf bisher als Erfolg bezeichnet werden: Im vergangenen Jahr haben fast 60 Prozent aller Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern, die ein Insolvenzverfahren beschritten haben, den Weg über die Insolvenz in Eigenverantwortung und nicht über eine Regelinsolvenz gewählt.
Allerdings ist das ESUG ein deutscher Weg, der nicht immer kompatibel ist mit der Gesetzgebung anderer europäischer Länder. Das soll sich nun ändern. In einem Richtlinienentwurf hat die EU-Kommission deshalb Vorgaben für ein EU-einheitliches Sanierungsverfahren gemacht. Die Ziele der Kommission sind hoch gesteckt: So soll etwa die Sanierungsund Insolvenzpraxis zur Beseitigung von Schwierigkeiten bei der Restrukturierung grenzüberschreitend tätiger Unternehmen vereinheitlicht werden.
„Das ist kein Selbstzweck, sondern trägt zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes bei“, erklärt Robert Buchalik von der Düsseldorfer Rechts- und Unternehmensberatung Buchalik Brömmekamp. Dem europäischen Gesetzgeber sei zudem wichtig, dass Werte für Gläubiger, Beschäftigte, Anteilseigner und die Wirtschaft im Allgemeinen erhalten bleiben. „Die EU hat auch den Erhalt von Arbeitsplätzen, die Rendite-Maximierung für Gläubiger und Investoren sowie eine grenzüberschreitende Steuergerechtigkeit im Blick“, so Buchalik. Was zudem für den EU-Entwurf spricht: Die Kosten für das neu zu implementierende Verfahren
sind deutlich geringer als bei einer klassischen Regelinsolvenz. „Besonders für mittelständische Unternehmen ist das ein wichtiger Punkt“, sagt Robert Buchalik.
Hinter der Initiative der Kommission steckt der umfassende finanzmarkt- und stabilitätspolitische Masterplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion. „Als Ziel hat die Europäische Union die Stabilisierung und Vollendung der Wirtschaftsund Währungsunion vor Augen. Ein EU-einheitliches präventives Restrukturierungsverfahren ist dabei nur ein Baustein von vielen“, erklärt Robert Buchalik. Dabei habe die Kommission aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre gelernt und nun einen Legislativentwurf über grenzüberschreitende Sanierungsverfahren vorgeschlagen, der Bestimmungen zu frühen Umstrukturierungen und zur „zweiten Chance“enthält.
„Dieser Entwurf soll ausgehend von nationalen Regelungen, die gut funktionieren, die wichtigsten Hindernisse für den freien Kapitalverkehr beseitigen“, so die EU in ihrem offiziellen Begleitpapier. Das Sanierungsverfahren soll ein Angebot für das in die Krise geratene Schuldnerunternehmen sein, sich schnell und still zu sanieren. Eine Verpflichtung, diesen Weg zu beschreiten, darf es nicht geben. Deswegen können auch nur Schuldner das Verfahren anstoßen und niemals die Gläubiger.
Ein entsprechender Richtlinienentwurf, der für die Mitgliedsstaaten weitgehend verbindlich ist, liegt mittlerweile vor. „Es ist davon auszugehen, dass der Entwurf im Rahmen der deutschen Möglichkeiten bis Mitte nächsten Jahres in Gesetzesform gegossen wird. Den Unternehmen steht dann neben dem Gang zum Insolvenzrichter ein stilles, schlankes und schnelles Verfahren unter reduzierter gerichtlicher Beteiligung zur Verfügung, das dem betroffenen Unternehmen die Chance geben wird, sich weitgehend eigenständig und innerhalb eines flexiblen gesetzlichen Rahmens mittels eines Sanierungsplans mit seinen Gläubigern oder auch nur mit einigen von diesen auf Maßnahmen zum nachhaltigen Bestand der Unternehmung zu einigen“, so Buchalik. Deutschland dürfte – wie so oft in Europa – auch hier Vorreiter innerhalb der Europäischen Union werden.