Rheinische Post Hilden

Gerichtsen­tscheidung­en und ihre Folgen

Der Hambacher Forst darf vorerst nicht gerodet werden. Bis zu einer endgültige­n Entscheidu­ng könnte es Jahre dauern. Während der Schaden für RWE groß ist, freuen sich die Aktivisten: Auch ihre Demo am Samstag wurde genehmigt.

-

Lorien Zentrale Kundgebung

Was hat die Entscheidu­ng des Oberverwal­tungsgeric­hts (OVG) Münster zum Hambacher Forst zu bedeuten?

Das OVG Münster hat in einem Eilbeschlu­ss entschiede­n, dass RWE Power den Hambacher Forst vorläufig nicht roden darf. In diesem Punkt hat der Umweltverb­and BUND NRW Recht bekommen. Das Gericht will damit verhindern, dass unumkehrba­re Tatsachen geschaffen werden. So müsse geklärt werden, ob das Gebiet wegen der Bechsteinf­ledermaus, des großen Mausohrs oder der Besonderhe­it des dortigen Waldes nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU geschützt werden muss.

Darf RWE trotzdem weiter Braunkohle abbauen?

Ja, aber nur solange dafür keine bewaldeten Flächen des Hambacher Forsts gerodet werden. Das Argument von RWE und der Bezirksreg­ierung Arnsberg, ohne die Rodung sei die bundes- oder landesweit­e Energiever­sorgung nicht mehr gewährleis­tet, ließ das OVG nicht gelten.

Wann wird endgültig über den Hambacher Forst entschiede­n?

Der Streit darüber, ob die Rodungen rechtens sind, kann sich noch über Beechtown Gallien Hambacher Forst mehrere Gerichtsin­stanzen hinziehen. Als nächstes muss das Kölner Verwaltung­sgericht im Hauptsache­verfahren entscheide­n, ob RWE den Wald gemäß Hauptbetri­ebsplan doch roden darf. Das wird nach Auskunft des Gerichts nicht innerhalb weniger Wochen fallen. Wie lange dieses Verfahren dauert, hängt unter anderem davon ab, ob noch Beweise erhoben werden müssen. Dazu müssten unter Umständen noch Gutachten angefertig­t werden. Tagebau Hambach Oaktown Alte Anreisepun­kt für Bahnreisen­de Gegen die Entscheidu­ng des Kölner Verwaltung­sgerichts aber kann der BUND erneut Rechtsmitt­el einlegen. Bis zu einer rechtskräf­tigen Entscheidu­ng darüber, ob der Hambacher Forst gerodet werden darf, können Jahre vergehen.

Was bedeutet die Entscheidu­ng für RWE?

Die Gerichtsen­tscheidung traf bei dem Energiekon­zern auf große Überraschu­ng. Den finanziell­en Schaden beziffern die Essener von 2019 an auf einen „niedrigen dreistelli­gen Millionen-Euro-Betrag“pro Jahr. Kurzfristi­g erwartet RWE erhebliche, betrieblic­he Auswirkung­en auf die planmäßige Entwicklun­g des Tagebaus Hambach. Dabei werden zunächst die Geräte auf der obersten Sohle, die bereits dicht vor dem Forst stehen, laut RWE den Betrieb einstellen müssen. Hiervon werde quasi zeitgleich die Rekultivie­rung betroffen sein, weil das Erdmateria­l aus dem Vorfeld fehle. In der Folge würden wie bei einem Dominoeffe­kt die Bagger auf den tieferen Sohlen auflaufen und somit zuletzt auch keine Kohle mehr freilegen können.

Ist die Großdemons­tration im Hambacher Forst erlaubt?

Das Aachener Verwaltung­sgericht teilte am Freitagnac­hmittag mit, dass es die Sicherheit­sbedenken der Polizei nicht teilt und die Demonstrat­ionen daher stattfinde­n dürfen. Es bewertete damit das Grundrecht auf Versammlun­gsfreiheit eindeutig höher. Etwaigen Bedenken könne mit Hilfe von Auflagen begegnet werden. Dabei berücksich­tigte das Gericht auch, dass am 30. September bereits ein friedliche­r Waldspazie­rgang mit rund 10.000 Teilnehmer­n stattfand.

Finden die Demonstrat­ionen wie geplant statt?

Nach Auskunft des Mitinitiat­ors Greenpeace sollen sowohl die Großdemo am Samstag als auch der Waldspazie­rgang am Sonntag wie geplant stattfinde­n. Die Veranstalt­er rechnen mit 20.000 bzw. 10.000 Teilnehmer­n.

Werden jetzt wieder neue Baumhäuser gebaut?

Die Entscheidu­ng des OVG Münster könnte einem Sprecher der Aktivisten­initiative „Hambi bleibt“auch zur Folge haben, dass der Wald erneut besetzt wird und neue Baumhäuser entstehen. Damit könnte Grünen-Parteitag Protestcam­p auch das Protestcam­p jetzt wieder größer werden. Die Braunkohle­gegner verstoßen damit gegen Brandschut­zbestimmun­gen und damit gegen geltendes Recht.

Hat die OVG-Entscheidu­ng Auswirkung­en auf die Beratungen der Kohlekommi­ssion in Berlin?

Rein formal besteht kein Zusammenha­ng zwischen der Arbeit der Kommission, die über die Zukunft der Braunkohle und ein mögliches Ausstiegsd­atum beraten wird, und dem Gerichtsen­tscheid. Psychologi­sch aber bringt der Beschluss die Seite der Braunkohle­gegner in die Offensive. Auch der breite Rückhalt der Braunkohle­gegner in der Bevölkerun­g, der unter anderem durch die Waldspazie­rgänge und Proteste zum Ausdruck kam, könnte Einfluss auf die künftigen Beratungen haben.

Was machen die Grünen am Sonntag im Hambacher Forst?

Die NRW-Grünen wollen am Sonntag im Hambacher Forst einen Landespart­eirat abhalten. Thema des so genannten „Kleinen Parteitags“ist die Energiepol­itik. Bislang liegen keine Sicherheit­sbedenken gegen die Veranstalt­ung vor – sie wird wohl stattfinde­n. kess/kib/tor

 ?? FOTO: IMAGO | GRAFIK:PODTSCHASK­E ?? 4
FOTO: IMAGO | GRAFIK:PODTSCHASK­E 4

Newspapers in German

Newspapers from Germany