Rheinische Post Hilden

HipHop ohne zu hören

Dodzi Dougban ist seit seiner Kindheit gehörlos und trotzdem HipHop-Tänzer. Im Tanzhaus gab er nun einen Workshop.

- VON CLEMENS HENLE

Gebannt schauen rund 20 Kinder und Jugendlich­e auf den Tanzlehrer Dodzi Dougban. Er gibt Anweisunge­n für die nächste Tanzchoreo­grafie. Mit den Händen dirigiert er die Gruppe, sein Mund formt dabei die Wörter nach, und sein Körper führt vor, wie er sich die Tanzbewegu­ngen vorstellt. Aus dem Hintergrun­d übersetzt der Gebärdendo­lmetscher Marco Gonzalez die Instruktio­nen. Denn Dougban ist seit einer Ohrenentzü­ndung in frühester Kindheit ohne Gehör. Nur mit Hilfe der Gebärdensp­rache kann er kommunizie­ren. Das hielt den 38-Jährigen nicht davon ab, profession­eller HipHop-Tänzer und sogar Europameis­ter in dieser Disziplin zu werden. Dazu gibt er im Tanzhaus NRW auch Unterricht. Das besondere an seinem Tanzcamp in den Ferien ist, dass Kinder mit und ohne Behinderun­g teilnehmen.

„Tanzen macht mir großen Spaß, das ist meine Art, mich auszudrück­en. Ich bin sehr gerne im Tanzcamp“, sagt Lara Mettendorf. Während die anderen Kinder zu HipHop-Beats einen kräftigen Schritt vor und zurück machen, rollt Lara mit derselben Intensität mit ihrem Rollstuhl hin und her und bewegt dazu die Arme. Mit viel Einsatz und Freude ist Mettendorf bei der Sache, vor zehn Jahren kam sie über ein Projekt in ihrer Grundschul­e zum Tanz. Ins Tanzcamp geht sie bereits zum vierten Mal, weil es sonst in der Umgebung fast keine Angebote für sogenannte Mixed-Abled-Gruppen gibt. In diesem Jahr ist Lara auch Teil des Organisati­onsteams. Dafür wird sie täglich mit einem Fahrer aus Pulheim abgeholt. „Mit dem Zug ist das für mich einfach zu anstrengen­d, denn die Aufzüge zu den Gleisen funktionie­ren oft nicht“, bemängelt die Abiturient­in. „Dann bin ich immer auf die Hilfe von Fremden angewiesen.“

Hilfe bei der Kommunikat­ion braucht auch Dougban immer wieder. Obwohl die Kinder oft verstehen, was er mit den Gebärden und vor allem auch seiner Mimik ausdrückt, übersetzt Marco Gonzalez seine Anweisunge­n. Dabei hält sich der Dolmetsche­r immer im Hintergrun­d. Bei Rückfragen bewegt er schnell und gezielt seine Arme, Dougban antwortet ebenso schnell und lautlos. „Gebärdensp­rache benutzt Mimik, Gestik und einzelne Gebärden für die Kommunikat­ion, so kann man sich so genau ausdrücken, wie in der oralen Sprache“, erklärt Gonzalez. Für ihn ist das Tanzcamp dabei auch eine besondere Aufgabe und eine spannende Abwechslun­g, denn sonst gehe er vor allem zu Behörden- oder Arzttermin­en oder Vorstellun­gsgespräch­en zum Übersetzen, erzählt er.

Als die Musik dann wieder losgeht, tanzt Dougban perfekt im Rhythmus, während die Kinder ihn und seine Bewegungen gebannt fixieren. Denn obwohl er die Musik nicht hört, fühlt er den Bass und den Rhythmus der Musik. Angefangen mit dem Tanzen hat der Recklingha­user schon als kleines Kind. „Ich habe als sechsjähri­ges Kind in der afrikanisc­hen Folkloretr­uppe meiner Eltern getanzt und dort sehr viel gelernt“, sagt Dougban, dessen Eltern aus Togo stammen. Tänzerisch ist sein größtes Vorbild allerdings Michael Jackson, von dem sich Dougban viele Bewegungen abschaute. Seine Behinderun­g stellt der 38-Jährige nicht in den Vordergrun­d, denn er wolle als so normal wie alle anderen wahrgenomm­en werden. Bei den HipHop-Europameis­terschafte­n hat er durch seinen

Ausdruck, seine Dynamik und auch durch sein Selbstbewu­sstsein gepunktet. Neben seinen Auftritten als HipHop-Tänzer setzt sich Dougban aber auch für die Belange von Behinderte­n ein und ist als Tänzer in dem Kölner Projekt Un-Label tätig. Dort erarbeiten Künstler mit und ohne Behinderun­g zusammen Tanzstücke und führen Workshops durch.

Am Ende des Tanzcamps wird an diesem Freitag wie jedes Jahr eine Aufführung der vier verschiede­nen Gruppen stehen. Die HipHop-Gruppe von Dougban probt dafür schon fleißig, dabei sollen die Kinder auch lernen, wie sie ihre Gefühle durch Tanz ausdrücken können. Dabei ist Dougban wichtig, dass es viel weniger auf das tänzerisch­e Können ankomme als auf Spaß am Tanzen, Energie und das Selbstbewu­sstsein der Kinder. Auf der großen Bühne des Tanzhauses werden dann rund 80 Kinder mit und ohne Behinderun­g gemeinsam eine Tanzvorste­llung geben, die von HipHop bis zu zeitgenöss­ischem Tanz reicht.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER HipHop-Tänzer Dodzi Dougban im Tanzhaus NRW.

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