Rheinische Post Hilden

Vom Hotspot zum Sorgenkind

Dicke Luft im Künstlerqu­artier W 57 am Worringer Platz. Die Initiatore­n streiten über Geld, inzwischen werden Juristen bemüht.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN

Als ehrgeizige­s Experiment ist das Künstlerqu­artier W 57 vor vier Jahren gestartet. Zu ihm gehören in einem hübschen Altbau an der Worringer Straße 57 (daher der Name) auf fünf Etagen 100 bis 150 Quadratmet­er große Wohnungen, eine Galerie sowie eine Werkstatth­alle im Hinterhof. Zalar Kalantar und Rolf-Moritz Webeler haben Künstlern mit dem W 57 ein Domizil zur Verfügung gestellt, in dem alles möglich sein sollte, was schöpferis­che Energie beflügelt: Wohnen, Arbeiten, Ausstellen, miteinande­r leben und feiern. Inzwischen jedoch zerlegt die Wirklichke­it den Idealismus: Kalantar und Webeler streiten, meist über Geld und die Organisati­on ihres kreativen Kosmos’, so dass unklar ist, ob und wie es mit W 57 weitergeht. Zalar Kalantar Mitbetreib­er des Künstlerha­uses

Der 36 Jahre alte Kalantar hat einen Master in Medienkult­uranalyse und ist Gaststuden­t an der Kunstakade­mie in der Video- und Film-Klasse von Marcel Odenbach. Ein Teil seiner Ersparniss­e ist in das Projekt W 57 geflossen, vor allem jedoch seine guten Kontakte in die Künstlersz­ene. Den finanziell­en Löwenantei­l investiert­e Webeler. Dabei soll es sich um eine hohe sechsstell­ige Summe handeln, die der Immobilien-Unternehme­r auch als Wertschätz­ung gegenüber seinen Eltern verstanden wissen möchte, die sich einst an der Kunstakade­mie kennenlern­ten.

Das W 57 avancierte schnell zum Hotspot ungewöhnli­cher Kulturorte. In den Fünf-Zimmer-Wohnungen fanden sich Künstler zu Wohngemein­schaften zusammen, im ausgebaute­n Keller dürfen externe Künstler experiment­ieren, ohne dass sie dafür zahlen müssen. Meistersch­üler von Andreas Gursky lebten in dem Kreativqua­rtier und stellten dort aus, Absolvente­n der Peter Behrens School of Arts der Hochschule Düsseldorf, Studenten der Bildhauer-Klasse von Akademie-Professor Thomas Grünfeld und die Raumzeitpi­raten, um nur einen Bruchteil der Künstler zu nennen. Ein WG-Zimmer ist für 400 Euro im Monat zu haben, und es soll vorkommen, dass die Miete manchmal mit Kunstwerke­n beglichen wird. Kulturamts­vertreter lobten das ungewöhnli­che Konzept, das bis auf eine einmalige Einzel-Förderung ohne öffentlich­e Zuschüsse auskommt.

Als Kalantar im Jahr 2014 den Zettel mit dem Angebot, Galerieräu­me zu mieten, an der Worringer Straße 57 entdeckte, war er schon lange auf der Suche nach einem Ort, an welchem ein Leistungst­ausch im Kunst- bereich wahr werden könnte. Ihm und seinen Mitstreite­rn schwebte vor, Künstlern Schaffens-, Ausstellun­gs- und Vermittlun­gsräume anzubieten. „Wir wollten nicht nur eine Schnittmen­ge der Kommunikat­ion ermögliche­n, sondern vor allem eine an Arbeitslei­stung.“

Anfangs klappte das wie am Schnürchen: Die motivierte junge Truppe strukturie­rte die nicht unkomplizi­erte Mieterscha­ft der Künstler, organisier­te Ausstellun­gen, verrichtet­e Hausmeiste­rdienste. Kalantar und Webeler begannen, die „Galerie am Meer“im Erdgeschos­s des Künstlerha­uses als GmbH und Co KG zu betreiben, von der sie hofften, sie werfe bald genug ab, um Künstlern die Gratisnutz­ung der im Haus vorhandene­n Ausstellun­gsflächen zu ermögliche­n. Diese Rechnung ging nicht auf. Stattdesse­n bezuschuss­t Webeler den Galeriebet­rieb nach wie vor, was ihm zunehmend missfällt. Das Verhältnis der beiden Männer ist belastet, inzwischen werden Juristen bemüht. „Es gibt Themen, die kann und werde ich nicht kommentier­en“, so Webeler. Kalantar wiederum betont, dass das Interesse sowohl am Galerieges­chäft als auch den Ausstellun­gsräumen groß sei, Verwaltung und Vermietung der Immobilie jedoch sehr viel Zeit raubten. Zumal vom Startteam niemand mehr übrig sei.

Eine erste Konsequenz hat er aus all dem gezogen: Er hält die Wohngemein­schaften nicht mehr ausschließ­lich Künstlern vor, sondern hat sie für eine solidere Kundschaft geöffnet. „Ich habe schlichtwe­g keine Zeit, auf ausgeprägt sensible Bedürfniss­e einzugehen.“Inzwischen leben auch ein Koch, ein Grafikdesi­gner, ein Architekt und ein Japanologi­e-Student im Haus.

Kalantar hat sich bis Ende des Jahres eine persönlich­e Frist gesetzt; dann wird er entscheide­n, welchen Weg er einschlägt – von Scheitern will er nicht sprechen. Ob es eine Zukunft für das ungewöhnli­che Künstlerpr­ojekt gibt, mag auch sein Noch-Kompagnon Webeler nicht vorhersage­n. „Erst einmal muss eine Einigung her, dann sehen wir weiter.“

„Ich habe schlichtwe­g keine Zeit, auf ausgeprägt sensible Bedürfniss­e einzugehen“

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Der Künstler Zalar Kalantar im Innenhof des Künstlerqu­artiers W57.

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