Rheinische Post Hilden

Deutschlan­ds unbekannte Weltmeiste­r

Die DFB-Elf von Bundestrai­ner Joachim Löw ist entthront, der einstige Weltmeiste­r befindet sich im Umbruch. Zeitgleich ist Deutschlan­d aber im Fußball dennoch an die Weltspitze gerückt – auf dem Kleinfeld.

- VON CLEMENS BOISSERÉE

DÜSSELDORF betreibt er eine Fußballsch­ule. Gegen den Ball tritt Reinold selbst nur noch beim Duell Sechs-gegen-Sechs auf dem Kleinfeld, das etwa halb so groß ist wie ein normaler Fußballpla­tz. Die Enge sorgt für Intensität und verlangt von den Spielern besondere Fähigkeite­n: „Das Spiel ist schnell und anspruchsv­oll. Fehlpässe kann man sich kaum leisten. Es gibt Kreisliga-Spieler, die kommen bei uns gut zurecht, und es gibt Bundesliga-Spieler, für die ist das technisch zu hoch“, sagt Reinold. Außerdem ist das Spiel von Zweikämpfe­n geprägt, Foulpfiffe der Schiedsric­hter gibt es kaum.

Bislang wurde der Kleinfeld-Fußball von osteuropäi­schen Vertretern dominiert. Sechs der bisherigen neun EM-Titel gingen an Rumänien, die übrigen an Tschechien, Russland und Kasachstan. „In Osteuropa gibt es ein etablierte­s Ligen-System für Kleinfeld-Fußball. Entspreche­nd bringen diese Länder viele Spieler mit Erfahrung mit“, sagt Reinold. In Deutschlan­d spielen die meisten Aktiven im Alltag auf dem Großfeld in den Amateurlig­en.

Entspreche­nd schwierig war der Weg zum WM-Titel, auf dem für die deutsche Auswahl ein Großteil der gefürchtet­en Ost-Konkurrenz gewartet hatte: Gegen Kroatien setzte es eine 0:2-Niederlage in der Vorrunde. Nur durch Kantersieg­e gegen Angola und Indien gelang der Achtelfina­leinzug. Dort lag das Team gegen Slowenien dreimal zurück, siegte aber durch ein Tor in der Nachspielz­eit mit 4:3. Im Viertelfin­ale drehte Deutschlan­d ein 0:2 gegen die USA und setzte sich im Halbfinale mit 4:3 gegen Russland durch, ehe man im Finale Favorit Polen schlug. „Wir sind als Team zusammenge­wachsen und dann bis zum Schluss auf einer Euphorie-Welle geritten“, sagt Reinold. Die Feier am Samstagabe­nd nach dem gewonnenen Finale endete für den Großteil der Mannschaft erst am nächsten Morgen am Flughafen.

Die Mission WM-Titelverte­idigung führt die Mannschaft 2019 nach Kreta. Für die Ausrichtun­g des WM-Turniers im Jahr 2021 arbeitet der DKFV an einer Bewerbung. Als möglicher Austragung­sort ist laut Präsident Köchy auch Düsseldorf im Gespräch: „Die Stadt kann wegen ihrer starken Struktur als Sportstadt ein Thema werden.“Das WM-Turnier in Lissabon sei ein gutes Vorbild gewesen. „Das Stadion lag direkt im Zentrum von Lissabon und war im Finale mit 3000 Leuten voll“, sagt Köchy.

Ein Kleinfeld-Großevent in Deutschlan­d könnte für mehr Bekannthei­t sorgen. Innerhalb des Fußballs nimmt die Variante bislang Rang drei ein. „Der Weltverban­d Fifa und der DFB fokussiere­n sich stark auf Futsal“, sagt Köchy. Auch diese Fußball-Version wird auf dem Kleinfeld gespielt, aber in der Halle und mit einem kleineren Ball. Der DFB stellt und fördert eine Futsal-Nationalma­nnschaft – die Qualifikat­ion für die WM vor zwei Jahren verpasste die Auswahl allerdings.

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FOTO: KORTMANN/DKFV Deutschlan­d ist Weltmeiste­r 2018: Das Kleinfeld-Team nach dem gewonnenen Finale gegen Polen in Lissabon.

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