Rheinische Post Hilden

„NRW verweigert die Regierungs­arbeit“

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Der Landesvors­itzende der Grünen vermisst Projekte für den Strukturwa­ndel im Rheinische­n Revier.

In Hessen und Bayern haben die Grünen rund 18 Prozent geholt, in NRW sechs. Was machen Sie falsch? BANASZAK In der jüngsten Umfrage liegen wir auch in NRW bei 17 Prozent. Im Landtagswa­hlkampf haben wir uns im Klein-Klein verzettelt und konnten keine Themen setzen. Jetzt sind wir klarer profiliert mit den Themen Ökologie, Gerechtigk­eit und einer weltoffene­n, pro-europäisch­en Politik. Und wir hören wieder mehr zu, sind zugewandt und optimistis­ch.

Liegt Ihr neuer Erfolg auch daran, dass die Grünen sich inzwischen von ihren eigenen Regierungs­beschlüsse­n distanzier­en? BANASZAK Was meinen Sie?

Die Grünen stimmten 2016 der Abholzung des Hambacher Forsts zu. BANASZAK Die Abbaugeneh­migungen sind von 1974, da gab es uns noch gar nicht. Es war eine historisch­e Leistung der Grünen, dass mit der Leitentsch­eidung 2016 der Tagebau Garzweiler verkleiner­t wurde. Mehr war damals unter RotGrün nicht drin. Es war immer klar, dass die Grünen die einzigen sind, die sich für den Kohleausst­ieg und ambitionie­rten Klimaschut­z einsetzen. Die SPD in NRW war, ist und bleibt eine Kohleparte­i.

Sie hätten die Koalition in Frage stellen können, um auch den Hambacher Forst zu retten. Offenbar waren Ihre Dienstwage­n wichtiger. BANASZAK Offenbar waren uns die 1400 Menschen in Holzweiler und den umliegende­n Ortschafte­n wichtiger, die ihre Dörfer eben nicht verloren haben. Die Frage war: Schaffen wir die Verkleiner­ung von Garzweiler – oder gar nichts? Wenn wir deswegen die Koalition verlassen hätten, hätten wir außer unserem Ruf nichts gerettet. Ich sehe nicht, dass wir uns dafür entschuldi­gen müssten. Jetzt brauchen wir eine neue Leitentsch­eidung, die Schwarz-Gelb in die Wege leiten muss.

Wenn Sie gegen die Braunkohle sind, sind Sie auch gegen Braunkohle-Arbeitsplä­tze.

BANASZAK Nicht der schnellere Kohleausst­ieg gefährdet Jobs, sondern die Weigerung, zu akzeptiere­n, dass die Kohle keine Zukunft mehr hat. Wir haben im Rheinische­n Revier knapp 9000 RWE-Mitarbeite­r, die von der Braunkohle leben. Die meisten von ihnen werden in den nächsten 15 Jahren in Rente gehen, um den Rest muss sich die Politik kümmern. Hinzu kommen noch die Steinkohle­kraftwerke im Ruhrgebiet. Wenn die früher vom Netz gehen, sprechen wir noch mal über einige Tausend Arbeitsplä­tze, weil etwa die Logistik daran hängt, wie in Duisburg und an anderen Häfen. In der Summe geht es beim Kohleausst­ieg in NRW um etwa 20.000 Jobs. Die fallen bei kluger Politik aber nicht einfach ersatzlos weg.

Wo sollen neue Jobs herkommen? BANASZAK Für uns ist klar: Kein Bergmann soll ins Bergfreie fallen. Es ist beim Ausstieg aus dem Steinkohle­bergbau im Ruhrgebiet gelungen, das sozialvert­räglich zu organisier­en. In der Hochzeit waren fast 500.000 Menschen im Bergbau beschäftig­t. In den letzten 50 Jahren sind im Ruhrgebiet 155.000 neue Unternehme­n entstanden und eine beispiello­se Hochschull­andschaft mit jährlich 40.000 Absolvente­n. Das ist das Ergebnis von Strukturpo­litik. Ich erwarte von der Landesregi­erung ein ähnliches Konzept für das Rheinische Revier und die Energiewir­tschaft im Ruhrgebiet. Leider produziert sie entspreche­nde Vorschläge nur sehr zögerlich.

Was sind Ihre Vorschläge? BANASZAK Wir brauchen einen klaren Fahrplan für Qualifizie­rungsmaßna­hmen, für die gezielte Ansiedlung von Forschungs­zentren im Rheinische­n Revier, von Produktion­sstätten für Elektrofah­rzeuge, für den Ausbau von Infrastruk­tur. Der Bund hält Milliarden bereit, um solche Strukturwa­ndel-Projekte zu fördern. Es ist ein schweres Versäumnis der Landesregi­erung, solche konkreten Projekte nicht längst ausformuli­ert und beantragt zu haben, so wie etwa die Lausitz das bereits vor Monaten getan hat. Das Ruhrgebiet hat sie gar nicht auf dem Schirm. Das sieht man auch an der Ruhrkonfer­enz, die keine Zeitachse, kein Budget und kein konkretes Projekt vorzeigen kann – ein Rohrkrepie­rer. Schwarz-Gelb in NRW verweigert die Regierungs­arbeit.

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FOTO: ANNE ORTHEN Der Duisburger (29) ist seit Anfang 2018 Landeschef.

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