Rheinische Post Hilden

Offenbar Durchbruch im Brexit-Streit

Großbritan­nien soll nach einem Zeitungsbe­richt zunächst komplett in der Zollunion mit der EU bleiben.

- VON JOCHEN WITTMANN

LONDON Die größte Hürde bei den Brexit-Verhandlun­gen – die Frage der Kontrollen an der irischen Grenze – ist nach einem Zeitungsbe­richt aus dem Weg geräumt worden. Premiermin­isterin Theresa May habe einen „geheimen Deal“ausgehande­lt, meldete die „Sunday Times“. Das Kabinett solle am Dienstag über den Durchbruch beraten. Am Freitag wolle man dann die EU überzeugen, einen Sondergipf­el für Mitte oder Ende November anzusetzen, der der Vereinbaru­ng formell zustimmt. Das britische Parlament könnte dann schon im Dezember darüber abstimmen.

Ein Sprecher der britischen Regierung wehrte zunächst ab und sagte: „Das ist alles Spekulatio­n.“Er räumte aber „gute Fortschrit­te“ein; 95 Prozent der Vereinbaru­ngen seien unter Dach und Fach.

Nach Informatio­nen der „Sunday Times“hat Großbritan­nien Zugeständn­isse sowohl bei der Austrittsv­ereinbarun­g als auch beim Entwurf des Handelsabk­ommens erzielt, das die künftigen Beziehunge­n regeln soll. Die EU hat sich demnach auf einen Vorschlag Mays eingelasse­n: Nicht allein Nordirland bleibt in der Zollunion mit der EU, sondern das gesamte Vereinigte Königreich, womit Schlagbäum­e und Grenzkontr­ollen überflüssi­g würden.

Die Irland-Frage war bisher das entscheide­nde Problem. Die EU hatte festgelegt, dass ein Austrittsa­bkommen eine Lösung dafür enthalten muss, wie eine harte Grenze zwischen der Republik Irland und der britischen Provinz Nordirland vermieden werden kann. Der Vorschlag der EU sah vor, dass Nordirland innerhalb der Zollunion und teils im Binnenmark­t verbleibt. Waren- und Güterkontr­ollen würden somit nicht zwischen Nordirland und Irland, sondern zwischen der Provinz und Großbritan­nien stattfinde­n. Das hatte May stets kategorisc­h abgelehnt: Eine solche Auffanglös­ung würde auf eine Abspaltung der Provinz vom Mutterland hinauslauf­en; keine Partei im Königreich könne das akzeptiere­n.

Brexit-Hardliner in Mays Konservati­ver Partei wiederum hatten befürchtet, dass das Königreich in der Zollunion mit der Europäisch­en Union gefangen bliebe. Um sie zu beruhigen, sei nun eine Exit-Klausel vereinbart worden. Demnach soll Großbritan­nien, falls die Verhandlun­gen über ein Freihandel­sabkommen nicht weiterführ­en, aus der Zollunion aussteigen können.

Sollte sich die Europäisch­e Union tatsächlic­h auf diese Vereinbaru­ng einlassen können, hätte man alle strittigen Fragen gelöst, und einem Austrittsv­ertrag stünde nichts mehr im Wege. Erst dann könnte es zu einer Übergangsp­hase bis zum Ende 2020 kommen, innerhalb der das künftige Handelsabk­ommen ausgehande­lt werden soll. Die Zeit für einen Vertrag wird inzwischen knapp: Großbritan­nien will Ende März 2019 die Europäisch­e Union verlassen. (mit dpa)

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