Rheinische Post Hilden

Es müllert wieder

Lisa Müller, die Ehefrau von Thomas Müller, sorgt mit einem Beitrag bei Instagram für zusätzlich­e Aufregung bei Bayern München. Nach dem 1:1 gegen Freiburg erinnert der Meister an frühere FC-Hollywood-Zeiten.

- VON GIANNI COSTA

MÜNCHEN Lisa Müller ist eine ambitionie­rte Dressurrei­terin. An ihrem sportliche­m Werdegang lässt sich auch eine breite Öffentlich­keit teilhaben. Bei ihrem Instagram-Account hat sie mehr als 139.000 Abonnenten. Und die erfahren allerlei von der 28 Jährigen. In bislang 162 Beiträgen zeigt sie, wie sie hier ein Turnier gewonnen hat, dort mit einer Katze schmust, und ein paar Klicks weiter ist sie „super glücklich, dass sie die Schlüssel für einen Geländewag­en überreicht bekommt. Auf keinem einzigen Bild ist ihr Ehemann Thomas Müller zu sehen. Am vergangene­n Samstag hat sie eine Ausnahme gemacht und in einer sogenannte­n Instagram-Story

„Sie liebt mich halt. Was soll ich da machen?“

Thomas Müller über die Aktion seiner Frau

eine deutliche Botschaft gesendet. In einem Video hatte sie von hinten ihren Mann gefilmt, der bei den Kovac-Brüdern Niko und Robert stand und sich auf seine Einwechslu­ng im Spiel des FC Bayern München gegen den SC Freiburg vorbereite­t hat. Sie schrieb dazu: „Mehr als 70 Min bis der Mal nen Geistesbli­tz hat.“Ein Kommentar, den sie nur wenige Minuten später schon wieder gelöscht hat. Geblieben sind das 1:1 und die Erkenntnis, dass beim deutschen Rekordmeis­ter so langsam alle Masken fallen.

Natürlich hat da eine Ehefrau vor allem emotional reagiert. Natürlich steht sie auf der Seite ihres Mannes, der sportlich nicht gerade die einfachste Zeit durchmacht. Müller ist beim FC Bayern und auch bei der Nationalma­nnschaft alles andere als unumstritt­en. Und dennoch steht Thomas Müller für die Seele des Vereins. Ein Bayer durch und durch. Deshalb ist es natürlich ein bemerkensw­erter Akt, wenn nun Lisa Müller etwas aus ihrem Seelenlebe­n preisgibt, Gedanken, die normalerwe­ise so nicht an die Öffentlich­keit gelangen. Es verdeutlic­ht die tiefe Zerrissenh­eit bei den Münchnern. In der Tabelle hinter Borussia Dortmund. Vier Punkte. Für das Selbstvers­tändnis der Bayern gleicht das einer Demütigung erster Klasse. Doch es liegt mehr im Argen als Ergebnisse.

Mit Niko Kovac sollte vieles besser werden. Uli Hoeneß als mächtiger Strippenzi­eher hatte wieder einen menschelnd­en FC Bayern versproche­n, nach diversen Experiment­en in der Vergangenh­eit, die allesamt daneben gegangen waren. Schließlic­h musste Jupp Heynckes aushelfen. Es war ein Glücksfall für den Verein, es verdeutlic­hte aber auch, wie sehr man mit Einschätzu­ngen daneben gelegen hat. Kovac, mit reichlich Bayern-Gen ausgestatt­et, sollte nun Zuversicht ausstrahle­n. Doch schon nach dem zehnten Spieltag gibt es Bedenken, wie er es in diesem Zustand bis in die Winterpaus­e schaffen soll. Diesmal könnte Arsene Wenger (zuletzt Arsenal London) einspringe­n, sollten die Bayern-Bosse die Geduld verlieren.

Es gibt vieles, was dafür spricht. Und Lisa Müller hat es mit ihrem Post schonungsl­os aufgedeckt. Den Bayern fehlt die Zuversicht in ihren Trainer. Das Vertrauen. Vor allem die Loyalität, mit ihm auch durch schlechte Zeiten zu gehen. Kovac reagierte, später in der Pressekonf­erenz darauf angesproch­en, gleichgült­ig auf den Kommentar: „Thomas hat das ja nicht geschriebe­n“, erinnerte er. Und auch der Spieler selbst bezog Stellung: „Ich habe es nach dem Spiel mitbekomme­n. Es war sicher aus der Emotion heraus. Ich finde es im Nachhinein nicht so super“, sagte Müller und lieferte umgehend die Erklärung: „Sie liebt mich halt. Was soll ich da machen?“

Am Tag danach sind alle Beteiligte­n eifrig darum bemüht, Schadensbe­grenzung zu betreiben. Der FC Bayern fühlte sich gar auf seiner Internetse­ite dazu bemüßigt, eine Erklärung zum Vorfall abzuliefer­n. Frau Müller sei noch in der Allianz Arena auf Kovac zugegangen und habe sich für ihre Aktion entschuldi­gt. Kovac habe die Entschuldi­gung angenommen. Menschlich von allen Beteiligte­n natürlich noble Gesten, sich einander nicht zu verschließ­en. Gleichwohl kann auch das nicht kitten, was da gerade auseinande­rreißt. Karl-Heinz Rummenigge und Hoeneß verließen beinahe fluchtarti­g ihre Logenplätz­e. Ein paar Minuten später tauchten die beiden Bosse von Bayern München im Kabinengan­g auf – mit versteiner­ter Miene. Einlassung­en zum Auftritt gegen den SC Freiburg verkniffen sie sich. Tatsächlic­h muss Rummenigge und Hoeneß beim Anblick der Mannschaft zunehmend angst und bange werden.

Die, die redeten beim FC Bayern, klangen wie Spieler eines Abstiegska­ndidaten, denen außer Durchhalte­parolen nicht mehr viel einfällt. „Es hilft nichts“, sagte Thomas Müller, „wenn wir jetzt auseinande­rfallen. Wir müssen Flagge zeigen und uns zusammenre­ißen.“Eine Woche vor dem Spitzenspi­el bei Borussia Dortmund wissen die Münchner offensicht­lich nicht mehr weiter: Die Selbstzwei­fel nehmen zu. „Das tiefe Selbstvert­rauen, das fehlt uns im Moment“, bekannte Müller.

Eventuelle Gedanken an eine europäisch­e Super League sollten sich erst einmal erledigt haben – der FC Bayern verbreitet in seiner derzeitige­n Verfassung nicht mal bei den vermeintli­ch Kleinen der Bundesliga Angst und Schrecken. „Unser Spiel ist gerade nicht super“, sagte Müller. Tatsächlic­h ist es völlig einfallslo­s im Spielaufba­u, es gibt keinen Masterplan – das Gefüge ist zudem erschrecke­nd instabil. „Wir haben Sequenzen, wo wir es richtig gut machen. Die Frage ist, warum machen wir es dann nicht weiter so“, ergänzte Torwart Manuel Neuer.

Selbst Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic konnte und wollte die offensicht­lichen Defizite nicht kleinreden. „Träge ausgesehen“habe das, was die Bayern angeboten hätten, „die Spritzigke­it, die Freude fehlt irgendwie“, zugleich beschleich­e alle stets das „Gefühl, wenn der Gegner in unsere Hälfte kommt, dann ist das gefährlich“. Häufig trifft der Gegner auch, zu beobachten beim Tor von Lucas Höler (89.) keine zehn Minuten nach der Führung der Münchner durch Serge Gnabry (80.).

Tatsache ist: Kovac kann derzeit keine Lösungen anbieten für die vielen Probleme, die den FC Bayern quälen. Vor allem: Im Gegensatz etwa zum SC Freiburg haben die Bayern derzeit keine Mannschaft. Und als Salihamidz­ic gefragt wurde, ob der Trainer denn auch bei einer Niederlage beim jetzt vier Punkte vor den Münchnern liegenden BVB noch zu halten sei, platzte ihm fast der Kragen: „Fragen Sie bitte nicht so blödsinnig­e Fragen“, sagte der Sportdirek­tor – und stürmte wutentbran­nt aus dem Kabinengan­g.

(mit Material SID)

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Lisa Müller, Frau von Thomas Müller, postete bei Instagram dieses Foto und den Text über die Eintwechsl­ung ihres Mannes und gegen Trainer Niko Kovac. Foto: Screenshot/Instagram

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