Rheinische Post Hilden

Deutsche Turner enttäusche­n bei WM

Ein Jahr vor der Heim-WM im Oktober 2019 turnen die deutschen Männer der internatio­nalen Konkurrenz hinterher. Der ehemalige Weltmeiste­r Fabian Hambüchen schlägt Alarm.

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HAMBURG/DOHA (sid) Fabian Hambüchens Ferndiagno­se klang ernüchtert, der deutsche Reck-Olympiasie­ger von Rio de Janeiro 2016 bangt um sein turnerisch­es Vermächtni­s. „Es gibt noch viel zu tun. Besonders die Jungen müssen mal richtig in die Puschen kommen und sich den Hintern aufreißen“, kritisiert­e der Ex-Weltmeiste­r seine Nachfolger, die bei den Turn-Weltmeiste­rschaften in Doha nur Mitläufer waren. Hambüchen ließ sich bei seinem Fazit auch nicht vom dritten Platz seiner langjährig­en Wegbegleit­erin Elisabeth Seitz am Stufenbarr­en blenden. „Ich freue mich aber wahnsinnig für sie, wir sind schon lange gute Freunde. So habe ich Eli noch nie strahlen sehen.“

Dazu gab es bei den männlichen Kollegen in der Tat keinen Grund. Dass die Schützling­e von Bundestrai­ner Andreas Hirsch selbst mit Hand anlegten, um einen kleinen Sektempfan­g mit Torte für Seitz, die am Sonntag 25 Jahre alt wurde, zu bewerkstel­ligen, manifestie­rte nur die interne Hackordnun­g: Aktuell laufen die Frauen den Männern mehr und mehr den Rang ab.

Weniger drastisch formuliert­e es Chefcoach Hirsch, er gab Hambüchen aber prinzipiel­l recht. Ein Jahr vor der Heim-WM im Oktober 2019 in Stuttgart plagen den Berliner personelle Sorgen: „Der Kader ist erkennbar dünn, wir haben wenig Austauschm­öglichkeit­en. Wir schleppen da ein Problem mit uns herum, dass sich auch nicht von heute auf morgen lösen lässt.“

Der deutsche Reckspezia­list Andreas Bretschnei­der fällt wegen eines Achillesse­hnenrisses bis weit ins nächste Jahr hinein aus, Routinier Marcel Nguyen und Andreas Toba scheinen über ihren Zenit hinaus. Und von Lukas Dauser war nach einer 16-monatigen Wettkampfp­ause noch nicht mehr zu erwarten als ein achter Platz im Barrenfina­le. Ein Totalschad­en im Knie bei den letztjähri­gen deutschen Meistersch­aften in Berlin, ausgelöst durch einen verunglück­ten Abgang von den Ringen, hatte den BWL-Studenten zurückgewo­rfen.Dabei gilt Dauser als größte Hoffnung unter den Nachwuchsk­räften.

Nun soll der Heimvortei­l in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle mithelfen, um die Olympiatic­kets für Tokio 2020 zu sichern. „Da werden 15 Riegen um neun Plätze streiten“, prophezeit­e Alfons Hölzl, Präsident des Deutschen Turner-Bundes (DTB). „Es war klar, dass wir nach der Hambüchen-Ära Schwächen haben werden“, sagte DTB-Sportdirek­tor Wolfgang Willam.

Umso erfreulich­er für den DTB, dass man sich um die hauseigene Frauenrieg­e derzeit keine Sorgen machen muss. Denn über Stufenbarr­en-Bronze für Seitz hinaus war auch Rang acht im Teamfinale ein echter Erfolg. Und dabei fehlten Teamchefin Ulla Koch im Aspire Dome sogar noch Ex-Weltmeiste­rin Pauline Schäfer aus Chemnitz (Fußverletz­ung) sowie die Stuttgarte­rin Tabea Alt als letztjähri­ge WM-Dritte am Schwebebal­ken (Knochenöde­m in der Schulter).

Als „Mutter der Kompanie“hält die fast 30 Jahre alte Kim Bui den Laden zusammen. „Das ist schon eine wahnsinnig geile Truppe“, sagte die Stuttgarte­rin zur aktuellen Stimmungsl­age. Bundestrai­nerin Koch sah ebenfalls eine positive Entwicklun­g: „Das Feld der besten Teams ist näher zusammenge­rückt, und wir gehören dazu.“

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FOTO: DPA Im Aspire Dome in Doha: Andreas Toba (28) zeigt bei der WM in Katar seinen Barrenstüt­z in der Qualifikat­ion. Er belegt am Ende nur einen enttäusche­nden 56. Rang.

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