Rheinische Post Hilden

40 Jahre „Café Müller“

Mit einer Schau im ehemaligen Wuppertale­r Schauspiel­haus erinnert die Pina Bausch Foundation an ein legendäres Stück Tanztheate­r. 2019 ist der zehnte Todestag der Choreograf­in.

- VON MARION MEYER

WUPPERTAL Schmales Gesicht, die Haare zum Zopf gebunden, nur in einem dünnen Nachthemdc­hen bekleidet, die Arme suchend nach vorne gestreckt, die Augen geschlosse­n: So steht sie da, eingefrore­n in dem Moment. „Café Müller“war eines der wenigen Stücken, in denen Pina Bausch selbst tanzte. Schon deshalb nimmt es eine Sonderstel­lung im Werk der Choreograf­in ein. In diesem Jahr wird das Stück 40

Viele der analogen Fotografie­n haben auch in 40 Jahren nicht an Kraft verloren

Jahre alt. In Kombinatio­n mit Strawinsky­s „Frühlingso­pfer“gehört es zu den meist gespielten Abenden des Tanztheate­rs Wuppertal Pina Bausch und ist weltweit zu einer Art Markenzeic­hen der Compagnie geworden.

Passend zur aktuellen Aufführung­sserie der beiden Stücke im Wuppertale­r Opernhaus (bis 11. November) zeigt die Pina Bausch Foundation im Foyer des eigentlich geschlosse­nen Schauspiel­hauses eine Ausstellun­g mit rund 100 Fotos, meist in Schwarz-Weiß, und drei Videos zu dem melancholi­schen Stück „Café Müller“. Damit läutet das Archiv, das sich seit neun Jahren, seit dem Tod der großen Choreograf­in, um deren Nachlass kümmert, seine Öffnung ein. Die soll im kommenden Jahr zum Jubiläum weitergefü­hrt werden.

Das Schauspiel­haus ist dabei ein besonderer Ort: Hier soll, falls Stadt, Land und Bund sich über die Kosten einig werden, ein Pina-Bausch-Zentrum entstehen. Die kulturpoli­tischen Sprecher der Bundestags­fraktionen sind schon zur Ausstellun­g nach Wuppertal gekommen, um sich vor Ort einen Überblick über das stark sanierungs­bedürftige Schauspiel­haus zu machen.

„Café Müller“war zu seiner Entstehung 1978 der Titel eines vierteilig­en Abends, zu dem neben dem bis heute aufgeführt­en Werk auch Stücke von Gerhard Bohner, Gigi-Gheorghe Caciuléanu und Hans Pop gehörten. Dies blieb das erste und einzige Mal, dass Pina Bausch andere Choreograf­en einlud, in Wuppertal zu arbeiten. Geblieben ist nur Bauschs Version, die seit 1982 meist in Kombinatio­n mit „Frühlingso­pfer“und häufig mit Live-Musik, wie nun im Opernhaus mit dem Sinfonieor­chester Wuppertal, gezeigt wird.

Vier Personen in einem Café, eine Frau mit Perücke, Dunkelheit, ein Mantel: Das waren die Vorgaben an alle Choreograf­en des Ursprungs-Abends. Ausschnitt­e aus den damaligen Stücken sind in der Ausstellun­g als Video zu sehen, genau wie Szenen mit Seltenheit­swert: Pina Bausch mit Rolf Borzik in „Café Müller“. Ihr Lebenspart­ner und Bühnenbild­ner starb bereits 1980.

Ismael Dia, der das Fotoarchiv der Pina Bausch Foundation leitet, hat die Fotos aus 1600 zu „Café Müller“herausgesu­cht und thematisch gruppiert. Es gibt Aufnahmen, bei denen die Bewegung mehr im Vordergrun­d steht, dann wieder die Besetzunge­n (in 40 Jahren haben rund vier Tänzer die Rollen gespielt). Dazu wenige intime Momente der Zweisamkei­t, etwa wenn Dominique Mercy der Frau mit der Perücke ganz nah ist. Entfremdun­g und Einsamkeit sind Themen, die zur Musik von Henry Purcell ihre Wirkung entfalten. Dazu passen die Fotos: Jean-Laurent Sasportes steht allein im Halbdunkel der Seitenbühn­e und wartet auf seinen Auftritt. Pina Bausch als somnabule Grenzgänge­rin, gefangen in einer Drehtür, deren kühles Metall im Scheinwerf­erlicht glitzert.

Viele der analogen Fotos haben nicht an Kraft verloren, im Gegenteil. Wenn Pina Bausch, aufgenomme­n aus der Froschpers­pektive, inmitten der Stühle ganz klein und verloren aussieht, die Arme weit ausgestrec­kt, dann berührt diese Szene genauso wie vor 40 Jahren.

Ausstellun­g im Schauspiel­haus Wuppertal: bis 11. November (di-fr 17-20 Uhr, sa+so 15-20 Uhr)

Aufführung­en „Café Müller“und „Das Frühlingso­pfer“im Opernhaus Wuppertal: 6., 8., 10 + 11. November. Restkarten unter: www.kulturkart­e-wuppertal.de

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FOTO: DPA Die Choreograf­in Pina Bausch 2003 bei der Generalpro­be zur Aufführung „Café Müller“in der Bochumer Jahrhunder­thalle. 2009 ist sie gestorben.

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