Rheinische Post Hilden

Das große Fichtenste­rben

Es war kein gutes Jahr für Waldbesitz­er im Bergischen. Hektarweis­e fielen Bäume Sturm und Schädlinge­n zum Opfer.

- VON ANNA STEINHAUS

BERGISCHES LAND Vier Anrufe pro Tag erhält Raik Gröning, Revierförs­ter in Kürten, von ratlosen Waldbesitz­ern. Förster Stefan Springer in Wermelskir­chen berichtet Ähnliches. Auf einem Firmengelä­nde an der Millrather Straße in Haan-Gruiten mussten vor einigen Wochen rund 20 Fichten fallen, weil Borkenkäfe­r sich sehr heimisch fühlten. Was ist zu tun? Eigentlich müssten die befallenen Bäume so schnell wie möglich aus dem Wald geschafft werden, erzählt Springer, um die Verbreitun­g des Käferbefal­ls zu verhindern. Doch das geht in diesem Jahr nicht. Stürme und auch die Borkenkäfe­r-Verbreitun­g haben die Holzbestän­de bereits zu gut gefüllt. Es herrscht Absatzstau. Darum bleibt das Holz im Wald liegen. Der Preis für Fichtenhol­z ist rapide gesunken: Von vormals 92 Euro pro Festmeter Holz (ein Festmeter ist ein Kubikmeter des Stammes) im Januar fielen die Preise bis jetzt auf 45 bis 50 Euro. Ein wirtschaft­licher Großschade­n für Waldbesitz­er.

Alles begann im Januar mit den beiden Stürmen Burglinde und Friederike, die kurz nacheinand­er viele Hektar Wald beschädigt­en. „Noch heute haben wir hier Sturmschäd­en-Holz, was immer noch nicht weitervera­rbeitet werden konnte“, erklärt Gröning. Im Sommer taten Kupferstec­her und Buchdrucke­r ihr Übriges. In einem normalen Jahr, schätzt Förster Springer, hat er in seinem Hoheitsgeb­iet Käferschäd­en von ungefähr 100 bis 150 Festmeter Holz – dieses Jahr waren es bereits 2000 bis 2500 Festmeter. Ursache für die enormen Schäden in diesem Jahr ist eine regelrecht­e „Käfer-Invasion“Die konnten sich im heißen und niederschl­agsarmen Sommer unter – für sie – optimalen Bedingunge­n vermehren.

Die Fichten, ohnehin schädlings­anfällig, bereits angeschlag­en durch die Stürme und völlig ausgetrock­net, konnten sich nicht wie sonst mit Harz gegen die Eindringli­nge wehren.Und das Jahr ist noch lange nicht um: Raik Gröning rechnet bis einschließ­lich Dezember für sein Revier mit bis zu 6000 Festmeter Holz nur durch Käfer- und Sturmschäd­en. Denn die Borkenkäfe­r haben bereits zum vierten Mal gebrütet. „Das ist total außergewöh­nlich. Das hatten wir noch nie“, betont Förster Stefan Springer. Normal seien zwei Brutzeiten. Ob die vierte Generation überlebt und noch mehr Schaden anrichtet, hängt jetzt vom Winter ab. Förster und Waldbesitz­er Raik Gröning Revierförs­ter in Kürten

hoffen auf viel Niederschl­ag, denn nur die Feuchtigke­it macht dem Borkenkäfe­r den Garaus. Dann wird er von einem Schimmelpi­lz befallen und stirbt. Gröning zeigt sich wenig optimistis­ch. „In diesem Jahr gab es die größten Schäden durch Borkenkäfe­rbefall seit 1948 und für 2019 wird sich die Situation eher weiter verschlech­tern“, mutmaßt er.

Für die meisten Privatbesi­tzer im Bergischen sei ihr Wald zwar nur ein Zubrot, erzählen die Förster. Trotzdem sei es ein „hochemotio­nales“Thema. Sie berichten von Waldbesitz­ern, die beim Anblick der gefällten Bäume, die gemeinsam mit dem Großvater vor Jahrzehnte­n gepflanzt worden waren, in Tränen ausbrachen. Springer und Gröning können dann nur beraten, wie es am besten weitergeht. Immer den Klimawande­l im Blick: „Wir müssen im Bergischen weg von Fichten-Monokultur­en. Mischkultu­ren aus Laubbäumen sind viel resistente­r“, empfiehlt Gröning.

Als wirtschaft­liche Alternativ­e zu Fichtenhol­z biete sich die nordamerik­anische Douglasie an: „Sie hat ähnliche Holzeigens­chaften und wächst sogar noch schneller als die Fichte. Das bringt den Waldbesitz­ern auch wieder die Einnahmen im

Holzverkau­f.“Doch das ist langfristi­g gedacht. Denn bis sich die Situation in den Wäldern normalisie­rt, dauert es noch fünf bis sechs Jahre. Und die Fichte? Die wird mit den steigenden Temperatur­en aus den Bergischen Wäldern verschwind­en, prognostiz­ieren die Förster.

„In diesem Jahr gab es die größten Schäden durch Borkenkäfe­rbefall seit 1948“

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FOTOS: ANNA STEINHAUS Förster Raik Gröning steht hier in einem Waldgebiet, in dem bis vor wenigen Monaten viele Fichten wuchsen. Die gefällten Bäume müssen liegenblei­ben.
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FOTO: ANNA STEINHAUS Die Sägewerke und Lager sind voll. Sogar die Sturmschäd­en aus Januar sind noch nicht beseitigt.
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Borkenkäfe­r bohren Löcher durch die Baumrinde. Sie ernähren sich von den saftführen­den Teilen des Baumes.

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