Rheinische Post Hilden

Italiens Spiel mit dem Feuer

Die populistis­che Regierung Italiens will sich den Sparvorsch­riften aus Brüssel nicht beugen. Das könnte spekulativ­e Attacken auslösen und den Euro-Austritt des Landes provoziere­n.

- VON MARTIN KESSLER UND JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Die Spitzen der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) lassen kaum eine Gelegenhei­t aus zu betonen, dass der Beitritt eines jeden EU-Landes zum Euro unwiderruf­lich sei. In Italien könnten sie eines Besseren belehrt werden. Seit Matteo Salvini und Luigi di Maio, die beiden populistis­chen Führer der seit Mai amtierende­n Regierung, die europäisch­en Institutio­nen wortgewalt­ig angreifen, blasen die Finanzmärk­te zur Attacke auf den unsoliden Schuldner. „Der Ansturm auf die italienisc­hen Notenbankr­eserven hat bereits begonnen“, hat Wirtschaft­sprofessor Stefan Homburg herausgefu­nden, der an der Universitä­t Hannover das Institut für Öffentlich­e Finanzen leitet.

Homburg hat in seiner jüngsten Studie „Spekulativ­e Attacken auf die Eurozone und Austrittss­trategien“die Reaktionen der Finanzmärk­te auf die unsolide Haushaltsp­olitik Italiens untersucht und kommt zu bestürzend­en Ergebnisse­n. Wie beim Zusammenbr­uch des Europäisch­en Währungssy­stems am „Schwarzen Mittwoch“1992, als Italien und Großbritan­nien das System fester Wechselkur­se verlassen mussten, ist auch der Euro vor spekulativ­en Attacken nicht sicher, wenn Anleger Geld aus italienisc­hen Banken abziehen und in finanziell sicherere Länder verbringen.

Damals sorgten der ungarisch-amerikanis­che Spekulant George Soros und andere Investoren für den Austritt von Pfund und Lira. Kurzfristi­g hatte Soros große Geldsummen gegen die britische Währung eingesetzt und am Ende eine Milliarde Euro durch seine Pfund-Spekulatio­nen gewonnen.

Diesmal könnte es noch schlimmer kommen. Denn der Haushaltse­ntwurf der italienisc­hen Regierung, der für das kommende Jahr eine Erhöhung der Neuverschu­ldung von derzeit 1,8 auf 2,4 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s vorsieht, ist ein Bruch der EU-Haushaltsr­egeln. Am Dienstag ist die Frist abgelaufen, die die EU-Kommission der Regierung in Rom gestellt hat, um den Etat doch noch so anzupassen, dass die Vorgaben aus Brüssel eingehalte­n werden. Denn die EU-Kommission erlaubt nur eine Kreditzuna­hme von 0,8 Prozent, weil Italien mit gesamtstaa­tlichen Verbindlic­hkeiten von 132 Prozent das am höchsten verschulde­te Euroland nach Griechenla­nd ist.

„Me ne frego dell‘ Europa“– „Europa ist mir scheißegal“. So lautet die Antwort des rauflustig­en Innenminis­ters Salvini auf die historisch einmalige Aufforderu­ng Brüssels, den nationalen Haushaltse­ntwurf zu überarbeit­en. Die Regierung in Rom schaltet entspreche­nd auf stur. Am Abend trat das Kabinett zu einer Krisensitz­ung zusammen. Doch allgemein wird erwartet, dass die Italiener der EU kaum entgegenko­mmen. „Der einzige Weg, die europäisch­en Regeln einzuhalte­n, wäre ein selbstmörd­erischer Haushalt, der uns in die Rezession führen würde“, hatte Vize-Premier Di Maio schon am Montag gesagt.

Das Problem ist: Hier sind nicht abgehobene Spinner am Werk. Die Parteichef­s und Minister Salvini und Di Maio wissen auch acht Monate nach den Parlaments­wahlen einen Großteil der italienisc­hen Wähler hinter sich. Beide Parteien liegen in Umfragen derzeit jeweils bei etwa 30 Prozent der Stimmen. Und der Haushalt ist ihnen sakrosankt. Denn die Politiker wollen ihre Wahlkampfv­ersprechen wahrmachen. Die Fünf-Sterne-Bewegung hat eine Grundsiche­rung von 780 Euro im Monat für Arbeitslos­e angekündig­t, die Lega die Reduzierun­g des Renteneint­rittsalter­s sowie Steuersenk­ungen versproche­n. Beides zusammen würde die Ausgabenpo­sten um 38 Milliarden Euro aufblähen. Weil gleichzeit­ig das Wachstum zurückgeht, erwartet der Internatio­nale Währungsfo­nds sogar einen Anstieg der Neuverschu­ldung Stefan Homburg Wirtschaft­sprofessor in Hannover Wachstum des realen Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) in Italien

„Der Ansturm auf die italienisc­hen Notenbankr­eserven hat bereits begonnen“

Italiens Staatsvers­chuldung und in Relation

zum BIP Risikopräm­ie**

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