Grüne schlagen Pestizid-Alarm
In einer Pilotstudie wurden bei jedem zweiten Teilnehmer aus NRW Pestizide im Körper nachgewiesen. Experten zweifeln an der Seriösität der Ergebnisse.
DÜSSELDORF Eine von den Grünen in Auftrag gegebene Analyse hat bei jedem zweiten Studienteilnehmer aus NRW Pestizide im Körper nachweisen können. Der grüne Europaabgbeordnete Sven Giegold fordert eine Kehrtwende in der Landwirtschaft, wo Pestizide als Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen: „Die Landesregierung ist dringend aufgefordert, eine andere Form der Landwirtschaft zu fördern. Vorrang vor den Interessen der Pestizid-Hersteller und der industriellen Landwirtschaft muss künftig die Gesundheit der Menschen haben.“Experten zweifeln an der Qualität der Grünen-Studie.
Durchgeführt hat sie das Straßburger Institut „Kudzu Science“. Die nachgewiesenen Pestizide stehen im Verdacht, das Hormonsystem zu schädigen und Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Schilddrüsen-Fehlfunktionen oder Unfruchtbarkeit zu begünstigen.
Erste Ergebnisse der europaweiten Studie, die auf einem neuartigen Haartest beruht, hatten die Grünen Anfang November veröffentlicht. Bei 148 Haarproben aus sechs europäischen Ländern, die auf 30 Pestizide untersucht worden waren, wurden bei 60 Prozent Spuren von mindestens einem Pestizid nachgewiesen. Nun liegen unserer Redaktion die regionalen Details für NRW vor: Hier war die Hälfte aller 25 Haar-Proben belastet. Die Teilnehmer wohnten sowohl städtisch als auch ländlich und stammten aus sämtlichen Altersgruppen.
NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) sagte zu der Studie: „Wir werden uns die wissenschaftlichen Kriterien und die Aussagekraft der Ergebnisse genau ansehen.“Pestizide würden aber nicht nur in der Landwirtschaft eingesetzt. So sind drei der vier in der Studie am häufigsten nachgewiesenen Stoffe in Deutschland gar nicht als Pflanzenschutzmittel zugelassen. Die anderen werden zum Teil als Holz- und Mottenschutzmittel eingesetzt. Auf die Frage, ob die Bürger sich beim Einkauf von Lebensmitteln Sorgen machen müssen, sagt die NRW-Umweltministerin: „Nein. Lebensmittel sind ausgezeichnet untersucht.“Bei Lebensmitteln betrage die Beanstandungsquote 0,1 Prozent.
Der Toxikologe Daniel Dietrich von der Universität Konstanz kritisiert die Grünen-Studie als „blanken Alarmismus“, schon weil die Daten nicht repräsentativ seien. Er verweist auf andere Untersuchungen, denen zufolge rund 98 Prozent der in Europa produzierten Lebensmittel die gesetzlichen Grenzwerte für Pestizidbelastung einhalten.
Dazu sagt Giegold: „Bisher wurde die langfristige Belastung von so vielen hormonverändernden Pestiziden und von einer so großen Menge von Menschen im europäischen Vergleich nicht durchgeführt.“Er spricht von einer „Pilotstudie“, die Anlass für eine Folgestudie auf breiterer Datenbasis sein müsse.