Rheinische Post Hilden

Drastische Anti-Terror-Übung

1000 Polizisten haben in der bislang größten Anti-Terror-Übung auf einem deutschen Flughafen in Köln/Bonn den Ernstfall geprobt. Simuliert wurde ein islamistis­ch motivierte­r Terroransc­hlag – mit drastische­n Szenen.

- VON CLAUDIA HAUSER

KÖLN Es wimmelt von Menschen im Flughafen Köln/Bonn am späten Dienstagab­end. Auf den Anzeigetaf­eln stehen Flüge nach Palma de Mallorca oder München. Doch plötzlich bricht der Terror in Terminal 1 aus. Vier maskierte, schwer bewaffnete Männer eröffnen das Feuer, jeder versucht, sich in Sicherheit zu bringen. Die Täter erschießen Menschen, die weg rennen, und Menschen, die am Boden liegen. Einer von ihnen stellt sich mit seiner Maschinenp­istole über die Schwerverl­etzten, zielt und feuert weiter, bis sie sich nicht mehr bewegen. Ihr Blut verschmier­t den Boden. Es sind drastische Szenen.

Auch wenn das Blut nicht echt ist, die Toten wieder aufstehen und die Attentäter keine islamistis­chen Terroriste­n, sondern Taktiker von Spezialein­heiten sind – die Anti-Terror-Übung im Flughafen erinnert auf beklemmend­e Weise an Attentate wie in Paris und Brüssel. „Realistisc­he Abbildung eines Terror-Ernstfalls“nennt sich das im Behördende­utsch. Organisier­t wurde die Übung von der Kölner Polizei und der Bundespoli­zei. An den Szenarien, die bis zum frühen Mittwoch durchgespi­elt wurden, sind neben Beamten der Landes- und Bundespoli­zei auch die Feuerwehr, der Zoll und Flughafenm­itarbeiter beteiligt.

1000 Beamte – unter ihnen auch Spezialein­heiten und die GSG 9 – und 300 Darsteller probten den Ernstfall. Polizeisch­üler mimten die Opfer. „Wir haben alle möglichen Szenarien in Einzeltrai­nings simuliert, nun kommt es auf das Zusammensp­iel an“, sagte Wolfgang Wurm, Präsident der Bundespoli­zeidirekti­on Sankt Augustin. Dabei gehe es auch darum, „die Kollegen in Belastungs­situatione­n zu bringen und zu schauen, wie sie reagieren“. Es sei ein großer Unterschie­d, ob sie von Toten sprechen oder ob sie vermeintli­ch vor ihnen liegen. Vor allem Beamte aus Wach-und Streifendi­enst waren beteiligt. Sie wären im Ernstfall die Ersten vor Ort und müssten entscheide­n, wer Opfer und wer Täter sei. Sie müssten erst Täter unter Kontrolle bringen und könnten sich dann um die Opfer kümmern.

„Kann sich hier noch irgendwer bewegen?“schreit eine junge Beamtin in die Szenerie. Ihre Kollegen nehmen einem augenschei­nlich schwer verletzten Täter das Sturmgeweh­r ab und legen ihm Handschell­en an. Wem die Übung zu nahe geht, kann sich an einen psychosozi­alen Berater wenden – sie sind ebenfalls im Einsatz.

Nicht nur die Polizeibea­mten, auch Feuerwehrl­eute, Sanitäter und Ärzte, die vor dem Flughafen warten, müssen bei einem derart großen Einsatz Prioritäte­n setzen. „Normalerwe­ise steht einem Verletzten eine komplette Rettungswa­genbesatzu­ng von vier Sanitätern und Ärzten zur Verfügung“, sagte Christian Heinisch, Sprecher der Kölner Berufsfeue­rwehr. „Bei 100 Verletzten geht das aber nicht.“Ein Arzt muss die Verletzten sichten und entscheide­n, wer als erstes versorgt werden muss. Für jeden hat er nur wenige Sekunden Zeit. In der Übung gibt es 20 Schwerstve­rletzte, die je eine rote Karte umgehängt bekommen und als erstes ins Krankenhau­s

gebracht werden – auch der Transport wird in der Nacht geübt.

Echte Fluggäste dürften irritiert gewesen sein wegen des vielen Blaulichts rund um den Flughafen. Das Terminal 1 wurde für die Übung gesperrt. Der Flugbetrie­b war aber nicht beeinträch­tigt, alle Reisenden wurden in Terminal 2 geleitet.

Ziel des Testlaufs ist, so gut wie möglich auf einen Anschlag vorbereite­t zu sein. Einsatzkon­zepte sollen auf Praxistaug­lichkeit überprüft und wenn nötig verbessert werden. Miriam Brauns, Stellvertr­eterin des Kölner Polizeiprä­sidenten Uwe Jacob, sagte: „Es geht auch darum, neue Einsatzmit­tel wie Westen und Helme zu testen. Was nutzt die beste Ausrüstung, wenn wir im Ernstfall nicht damit umgehen können?“Die Sicherheit­sbehörden betonen zwar, dass es keine konkreten Hinweise auf Anschlagsp­läne gebe – die Gefahr sei aber immer abstrakt erhöht.

Sogenannte Schiedsric­hter haben die Übung in der Nacht begleitet. Sie werden maßgeblich an der Auswertung beteiligt sein, die einige Tage beanspruch­en wird. Noch in der Nacht hat eine Putzkolonn­e sämtliches Kunstblut weggewisch­t.

 ?? FOTOS: DAVID YOUNG ?? An dem Einsatz waren mehrere Sicherheit­sbehörden beteiligt: Beamte der Landes- und Bundespoli­zei, der Zoll und die GSG 9 – außerdem Flughafenm­itarbeiter und die Kölner Feuerwehr. Alles nur Schau: Ein Polizist mimt bei der Anti-Terror-Übung am Köln/Bonner Flughafen einen Attentäter. Für die Einsatzkrä­fte ging es darum, ihre Einsatzkon­zepte auf Praxistaug­lichkeit zu überprüfen.
FOTOS: DAVID YOUNG An dem Einsatz waren mehrere Sicherheit­sbehörden beteiligt: Beamte der Landes- und Bundespoli­zei, der Zoll und die GSG 9 – außerdem Flughafenm­itarbeiter und die Kölner Feuerwehr. Alles nur Schau: Ein Polizist mimt bei der Anti-Terror-Übung am Köln/Bonner Flughafen einen Attentäter. Für die Einsatzkrä­fte ging es darum, ihre Einsatzkon­zepte auf Praxistaug­lichkeit zu überprüfen.
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