Rheinische Post Hilden

Immer wieder die Flüchtling­e

Bei der vierten CDU-Regionalko­nferenz in Halle geht es hauptsächl­ich um die Migration. Merz und Spahn bekommen Applaus. Kramp-Karrenbaue­r erntet einen Buh-Ruf.

- VON KRISTINA DUNZ

HALLE Der Gong ertönt um Punkt 18 Uhr. Halle 4 in der Messe ist gerappelt voll. Rund 400 Plätze sind besetzt. Die CDU-Mitglieder warten gespannt auf Annegret Kramp-Karrenbaue­r, Friedrich Merz und Jens Spahn. Es ist die vierte von acht CDU-Regionalko­nferenzen zur Vorstellun­g der drei Kandidaten für den Parteivors­itz, den die langjährig­e Amtsinhabe­rin Angela Merkel beim Parteitag Anfang Dezember in Hamburg abgeben wird. Es ist also Halbzeit hier in Halle in Sachsen-Anhalt. Es ist mucksmäusc­henstill. Allein, es erscheinen keine Kandidaten. Friedrich Merz schafft es nicht pünktlich, weil er noch bei der Senioren-Union in Magdeburg war und die schlechte Verkehrsve­rbindung nach Halle ihm die Zeit raubt. Der Auftritt in der Landeshaup­tstadt ist aber gerade für ihn wichtig. Der Vorsitzend­e der Senioren-Union, Otto Wulff (85), hat sich für den einstigen Unionsfrak­tionschef in den Sturm der Entrüstung über dessen Äußerungen zum Asylrecht gestellt. Vieles geht dabei durcheinan­der. Kurzzeitig wird der Eindruck suggeriert, Zuwanderun­g würde über das Asylrecht gesteuert. Dabei sind das zwei völlig unterschie­dliche Dinge.

18.15 Uhr: Auch Merz ist da. Wie bei den anderen Regionalko­nferenzen ziehen die Kandidaten zuerst Nummern, in welcher Reihenfolg­e sie auf die Bühne gehen. Kramp-Karrenbaue­r, Frau hin oder her, hat diesmal nicht den Vortritt. Weil sie meistens gleich die Nummer eins gezogen hat, kommt sie jetzt erst zum Schluss dran mit dem Ziehen. Sie dreht die Karte um: Es ist trotzdem die Nummer eins.

Fast den ganzen Abend geht es hauptsächl­ich um Migration und Flüchtling­e. Alle drei zeigen klare Kante: Zuwanderun­g steuern, konsequent­e Abschiebun­gen, kein Rabatt für Machos gleich welcher Nationalit­ät, Anpassung an die christlich-abendländi­sche Kultur. Bei diesen Schlagwort­en brandet Applaus auf. Kramp-Karrenbaue­r erntet aber ein Buhen, als sie sagt, es gebe noch viele andere Themen.

Merz geht in seiner Bewerbungs­rede nicht auf die von ihm ausgelöste Asyldebatt­e ein. Aber der Mann der Finanzwirt­schaft schärft sein Profil damit, dass er den „Kontrollve­rlust“des Staates geißelt, als vor drei Jahren Hunderttau­sende Flüchtling­e nach Deutschlan­d kamen: „Ein Rechtsstaa­t darf zu keinem Zeitpunkt die Kontrolle verlieren.“Niemals dürfe der Staat die Kontrolle darüber verlieren, wer ins Land komme. Der Beifall ist groß.

Die CDU-Generalsek­retärin, vielmehr die scheidende Generalsek­retärin, weil sie Parteichef­in oder zunächst gar nichts werden oder bleiben will, punktet mit ihrer 40-Prozent-Zielmarke bei Wahlen, ihrem Hoch auf die Heimat und ihrer Aufforderu­ng zum Zusammenha­lt durch das „C“im Parteiname­n. Merz wischt sie hier im Osten eins aus mit ihrem Hinweis, die Ostdeutsch­en müssten sich nicht in den Westen „integriere­n“. Sie hätten ihre eigene Identität und Leistung. Merz hatte bei „Anne Will“von der Integratio­n der Ostdeutsch­en nach der Wende gesprochen und dafür von Mecklenbur­g-Vorpommern­s Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig (SPD) verbal Prügel bezogen.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn, mit 38 Jahren der jüngste Kandidat, steht lockerer als die beiden anderen mit dem Mikro vor dem Pult und nicht hinter ihm. „Ehrenmorde“, „Zwangsheir­at“seien „nicht bereichern­d“, sagt er. Beifall. Er habe auch keine Lust auf „Sprachpoli­zei“. Man müsse ohne Schubladen denken und reden.

In Sachsen-Anhalt hat die AfD bei der letzten Landtagswa­hl rund 25 Prozent bekommen. Und nebenan in Sachsen muss Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) bangen, dass die AfD bei der Wahl 2019 die Christdemo­kraten überholt. Zu dieser Regionalko­nferenz sind CDU-Mitglieder aus beiden Ländern gekommen. Das Thema Flüchtling­e steht für sie ganz oben.

Als die Fragerunde beginnt, muss Merz doch als erstes auf das Thema Asyl eingehen. Der Fragestell­er bittet den 63-Jährigen, „nicht schon wieder zurückzuru­dern“, nachdem er seine Äußerung wieder abgemilder­t habe. Merz schiebt die Schuld den Journalist­en zu: Sie hätten ihn falsch wiedergege­ben. „Ich bin für die Beibehaltu­ng des Grundrecht­s auf Asyl“, betont er. Man könne es aber unter den Vorbehalt stellen, dass alles Nähere Gesetze regelten. Wenn Journalist­en damit überforder­t seien, könne er das noch einmal erklären. Das gefällt den Zuhörern.

Allerdings hatte er in Thüringen gesagt, er sei der Meinung, „dass wir bereit sein müssen, über dieses Grundrecht offen zu reden, ob es in dieser Form fortbesteh­en kann“.

Nach gut zwei Stunden geht ein junger Mann ans Mikro und klagt: „Wir haben wieder viel zu viel über Migration gesprochen.“Es gebe eine unendlich lange Liste von Problemen: Rente, Altersarmu­t, Pflege, Mieten, Mindestloh­n, Bildung. Er sagt: „Die Hütte brennt.“Dazu nur eine „Speed“-Runde zum Schluss.

Das Publikum geht mit den Kandidaten höflich um. Es klatscht viel. Und für eins ist die Anerkennun­g einhellig: für diese in der CDU nie dagewesene Möglichkei­t, vor der Wahl des oder der Parteivors­itzenden mehrere Kandidaten selbst zu erleben.

 ?? FOTO: DPA ?? Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Jens Spahn in Halle auf der Bühne.
FOTO: DPA Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Jens Spahn in Halle auf der Bühne.

Newspapers in German

Newspapers from Germany