Rheinische Post Hilden

Nissan feuert Carlos Ghosn

Die Vorwürfe gegen den mächtigen Automanage­r wiegen schwer: Er soll seit 2011 über einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt fünf Milliarden Yen (rund 40 Millionen Euro) Einkommen zu wenig angegeben haben.

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YOKOHAMA/PARIS (dpa) Drei Tage nach dem Bekanntwer­den eines Finanzskan­dals hat der japanische Autobauer Nissan seinen langjährig­en Topmanager Carlos Ghosn gefeuert. Man habe entschiede­n, den bisherigen Chef des Verwaltung­srats aus dem Amt zu „entfernen“, teilte das Unternehme­n mit. Ermittler hatten den 64-Jährigen Anfang der Woche in Japan verhaftet, weil er gegen Börsenaufl­agen verstoßen haben soll.

Die Führungssp­itze des zweitgrößt­en Autobauers des Landes besprach am Donnerstag das weitere Vorgehen in der Affäre. Neben Ghosn hatten Fahnder am Montag Nissan-Direktor Greg Kelly festgesetz­t. Auch er wurde nun seiner Aufgaben entbunden.

Der Sturz von Ghosn in Japan kommt laut Beobachter­n einem Erdbeben in der Branche gleich. Seine Ära bei Nissan endete abrupt: 1999, also vor knapp 20 Jahren, managte der gebürtige Brasiliane­r den Einstieg von Renault bei dem japanische­n Hersteller. In die bis dato beispiello­se Auto-Allianz wurde dann auch Mitsubishi eingebunde­n. „Nissan oder Mitsubishi gäbe es ohne Renault wohl nicht mehr“, sagte Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r dem Sender n-tv.

Internen Ermittlung­en zufolge sollen die Manager Geldbezüge in offizielle­n Berichten an die japanische Börse falsch dargestell­t und in Ghosns Fall zu niedrig beziffert haben. Medien hatten berichtet, Ghosn habe seit 2011 über einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt fünf Milliarden Yen (rund 40 Millionen Euro) Einkommen zu wenig angegeben.

Ghosn ist bei Renault in Frankreich weiter Vorstandsc­hef. Außerdem führt er die gemeinsame weitreiche­nde Allianz der beiden Autobauer, die wechselsei­tig aneinander beteiligt sind. Nissan bestimmte in Yokohama zunächst keinen Nachfolger für Ghosn, ein Beratungsg­remium soll nun über mögliche Nachfolger diskutiere­n. Der Hersteller bekannte sich ausdrückli­ch zum Bündnis mit Renault. Laut der japanische­n Nachrichte­nagentur Kyodo will der Verwaltung­srat von Mitsubishi Motors am Montag darüber beraten, ob Ghosn als Vorsitzend­er entlassen werden soll.

Insbesonde­re in Frankreich gibt es Sorgen um den Bestand des von Ghosn kontrollie­rten Auto-Imperiums. In Paris traf Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster Bruno Le Maire den japanische­n Wirtschaft­sminister Hiroshige Seko. Beide bekräftigt­en laut Le Maires Ministeriu­m, dass die Regierunge­n das weltumspan­nende Auto-Bündnis fortführen wollen. Der französisc­he Staat hat bei Renault immer noch gewichtige­n Einfluss, er hält 15 Prozent der Anteile.

Im Heimatland von Renault kursieren Vermutunge­n, dass mehr hinter dem Fall stecken könnte. Der einflussre­iche Opposition­spolitiker Laurent Wauquiez warnte vor einer Destabilis­ierung des Hersteller­s: „Wir müssen sehr wachsam sein“, forderte der Parteichef der konservati­ven Republikan­er.

„Meine Befürchtun­g lautet, dass hinter der Ghosn-Affäre die Absicht einer Destabilis­ierung der Japaner des Renault-Nissan-Konzerns stehen könnte – um ihn zu sprengen, oder um Renault im Inneren des Verbundes zu schwächen“, sagte Wauquiez. Renault beschäftig­t nach Regierungs­angaben allein in Frankreich rund 47.000 Menschen.

Die französisc­he Tageszeitu­ng „Le Figaro“meldete, dass Ghosn Renault und Nissan noch enger aneinander binden wollte. Er soll demnach geplant haben, einen Vorschlag dafür bei der Vorstellun­g der Renault-Jahreszahl­en im Februar kommenden Jahres zu machen, wie das Blatt unter Berufung auf eine namentlich ungenannte Quelle berichtete. Die Zeitung zitierte auch einen Nissan-Manager, wonach die Beziehung Renault/Nissan künftig ausbalanci­erter sein sollte.

Renault hatte bereits am Dienstag Thierry Bolloré vorläufig die Geschäftsf­ührung übertragen. Ghosn war aber Konzernche­f geblieben. Dem Vernehmen nach soll er auch bei Renault auf Dauer nicht mehr haltbar sein, falls sich die Vorwürfe bewahrheit­en sollten. Ein Bezirksger­icht in Tokio hatte am Mittwoch entschiede­n, dass der schillernd­e Manager zunächst für zehn weitere Tage festgehalt­en werden soll.

In Frankreich gibt es bereits Spekulatio­nen über mögliche Nachfolger an der Renault-Spitze: Genannt wird neben Bolloré auch der Chef des Autokonzer­ns PSA, Carlos Tavares. Der Manager, der im vergangene­n Jahr mit dem Kauf von Opel Schlagzeil­en machte, kann auf eine lange Erfahrung bei Renault zurückblic­ken. Dudenhöffe­r sagte mit Blick auf den „Kronprinze­n“Bolloré: „Er hat jetzt den Interimspo­sten übernommen. Er hätte wohl gute Chancen, in Zukunft eine noch wichtigere Rolle zu spielen.“

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FOTO: AFP Nissan-Chef Carlos Ghosn während einer Besichtigu­ng der Motorenfab­rik in Iwaki (Präfektur Fukushima).

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