Rheinische Post Hilden

Schneesich­er

Es braucht nur Eiweiß und Zucker, schon gibt es weiße Weihnachte­n. Eischnee ist die Grundlage für Baisers und Makronen. Konditorme­ister Heinz-Richard Heinemann erklärt, was es zu beachten gibt. Die gute Nachricht für Backneulin­ge: wenig.

- VON MARTINA STÖCKER

Angeblich soll es Englands Königin Elizabeth I. gewesen sein, die sagte, das Eischnee-Gebilde, das man ihr als Gast am französisc­hen Hofe kredenzte, schmecke ihr so süß und gut wie ein Kuss. Küssen heißt auf Französisc­h „Baiser“, und so bekam das Küsschen aus Eiweiß und Zucker seinen Namen. „Früher nannte man es in Deutschlan­d spanischer Wind, heute auch Meringue“, sagt Heinz-Richard Heinemann, Konditorme­ister aus Mönchengla­dbach, dessen Café- und Pralinen-Imperium als Markenzeic­hen die grüne Tüte hat. In der Adventszei­t erlebt das Baiser seine Hochzeit, ist doch der süße Eischnee Grundlage für viele Gebäcksort­en, zum Beispiel Haselnuss- oder Kokosmakro­nen. Für letztere empfiehlt der Mönchengla­dbacher einen Hauch Orangenabr­ieb. „So schmeckt es noch etwas exotischer.“

Baiser besteht nur aus Eiklar und Zucker, je nach Rezept nimmt man Staub- oder feinen Kristallzu­cker. Eigentlich kann beim Schlagen von Eiweiß nicht viel schiefgehe­n: Die Eier müssen sauber getrennt sein, kein Dotter darf in die Masse kommen, zudem müssen Schüssel und der Quirl absolut fettfrei sein. Wird sonst bei Eierspeise­n immer auf die absolute Frische von Eiern hingewiese­n, dürfen sie für Baiser laut Heinemann ruhig schon ein paar Tage im Nest gelegen haben. Denn wenn das Eiklar zu frisch ist, könnte es Probleme mit der Standfesti­gkeit geben. Zucker und Eiweiß werden abgewogen Und dann wird die Masse aufgeschla­gen, am besten lässt man das eine Küchenmasc­hine erledigen. Die Schüssel sollte der Hobbybäcke­r immer im Blick haben, denn der Schnee kann auch überschlag­en werden. Dann wird er leicht grieselig und bröckelig – nicht schön. Da Eier unterschie­dlich groß sind, wiegt ein Pâtissier das Eiweiß grammgenau ab.

Beim Backen gibt es laut Heinz-Richard Heinemann nicht viel zu beachten. Aber was heißt in dem

Fall schon Backen? „Die Meringue werden eher getrocknet“, sagt Heinemann. Die Eiweißtupf­en kommen bei 90 Grad für etwa eine Stunde in den Ofen.

Nach der Back- beziehungs­weise Trockenzei­t wird der Ofen abgestellt, die Klappe geöffnet und ein

Holzlöffel dazwischen gesteckt. So können Hitze und Restfeucht­igkeit langsam entweichen. Heinemann lässt die Baisers über

Nacht im Ofen.

Ein kleiner Hype ist in den vergangene­n Jahren um die französisc­hen Macarons entstanden. Die häufig knallbunte­n Mandelmakr­onen – ein Baiser mit Mandelmehl

– sind mit Cremes in unterschie­dlichen Geschmacks­richtungen gefüllt. Sie werden aus einem italienisc­hen

Baiser gemacht, das heißt, der Zucker wird zunächst zu einem Sirup gekocht.

Mit einer Temperatur von

114 bis 116 Grad wird er langsam beim Schlagen zum Eiweiß gegeben. So bekommt das Baiser eine glänzende, glattere Oberfläche. Generell wichtig bei der Zubereitun­g ist, dem

Schnee vorm Backen eine gewisse

Zeit zum Antrocknen zu geben. „Erst wenn sich eine feine Haut gebildet hat, können die Macarons in den Ofen“, sagt Heinemann. Die Trockenpha­se gibt es so zum Beispiel auch bei Amarettini, den italienisc­hen Mandelmakr­onen. Sie werden nach dem Antrocknen ein wenig zusammenge­schoben und bekommen so ihre typische Kreuzform.

Anders als in Deutschlan­d ist das Baiser in anderen Ländern ein Ganzjahres­gebäck. Bei „meringue glacé“landen Eis und Sahne zwischen zwei Baiser-Hälften – fertig ist das süß-kalte Sandwich. Die Italiener zum Beispiel geben Meringue-Stückchen gerne in Desserts oder Eis, damit es etwas zu knuspern gibt, sagt Heinemann. Der Engländer setzt auf denselben Effekt bei seinem berühmten Nachtisch „Eton Mess“, der aus Früchten und Sahne hergestell­t wird. Eischnee spielt in der klassische­n Pâtisserie ebenfalls eine große Rolle für diverse Desserts und Kuchen.

Ein berühmter Nachtisch, den auch Heinemann gerne mag, ist „Île flottante“, die schwimmend­e Insel. Dafür zieht eine Nocke süßer Eischnee in Milch gar und wird dann in einer Vanillesau­ce serviert, obenauf liegt noch karamellis­ierter Zucker. Auch Salzburger Nockerln bestehen aus Eischnee, sie werden aber gebacken. Eine Pavlova sind kleine Böden oder kunstvoll aufdressie­rte Gebilde aus Baiser, die heißer gebacken werden und deshalb in der Mitte noch etwas feuchter sind. Sie werden mit Cremes, Eis oder Früchten gefüllt. Auch in Kuchen und Torten hat der süße Schnee einen großen Auftritt – zum Beispiel in Eissplitte­rtorte, in der Grillageto­rte oder in der Zuger Kirschtort­e. Da einige Kunden sich mit Schweizer Kantonen nicht so gut auskannten und meinten, die Zuger Torte hätte etwas mit der Bundesbahn zu tun, heißt sie bei Heinemann mittlerwei­le Kirschwass­ertorte – Verwirrung ausgeschlo­ssen. Der Baiser-Boden in der Kirschtort­e mit Hochprozen­tigem, Biskuit und Buttercrem­e wird in der Pâtisserie auch „Japonaise“genannt, weil sich gemahlene Haselnüsse im Schnee verstecken.

Eischnee muss nicht per se gebacken werden: Bei Kuchen wie der französisc­hen „Tarte au Citron“bleiben die aufgesprit­zten Tupfen roh und werden nur abgeflämmt oder unter einem Grill sanft gebräunt. Sorgen um die Genießbark­eit und die Bekömmlich­keit muss sich niemand manchen. „Der Zucker konservier­t“, sagt Heinemann.

Und was macht man in dieser Schneeschl­acht mit dem ganzen Eigelb? Man kann die Dotter einige Tage abgedeckt im Kühlschran­k aufheben und sogar einfrieren. Heinz-Richard Heinemann empfiehlt mit einem Augenzwink­ern ansonsten eine aufgeschla­gene Zabaione als Dessert oder ein Omelette aus mehreren Eigelb und einem Ei. „Dann haben Sie genügend

Cholesteri­n für mehrere Tage.“

Dattelplät­zchen Zutaten

250 g Datteln, 250 g Mandeln, 250 g Zucker, 3 Eiweiß, Oblaten.

Zubereitun­g Wer ganze Mandeln gekauft hat, überbrüht sie, zieht die Schale ab und stiftelt die Mandeln. Die Datteln entkernen und in längliche Streifen schneiden. Eiweiß mit Zucker steif schlagen. Mandeln und Datteln unterheben und mit zwei Löffeln Baiser-Häufchen auf die Oblaten setzen. Bei 150 Grad Heißluft ca. 40 Minuten backen.

Haselnussb­rötchen Zutaten

4 Eiweiß, 250 g Zucker, etwas Vanillezuc­ker, 140 g gemahlene Mandeln, 140 g gemahlene Haselnüsse.

Zubereitun­g Aus Eiweiß und Zucker Schnee schlagen. Von der Baisermass­e zwei Esslöffel abnehmen und beiseite stellen. In die Restmasse gemahlene Nüsse und Mandeln einarbeite­n. Mit zwei Löffeln längliche kleine Brötchen formen und auf ein Backblech setzen. Mit der restlichen Baisermass­e Tupfen auf jedes Brötchen setzen. Bei 150 Grad Heißluft etwa 35 Minuten backen.

Vanille-Macarons Zutaten

200 g gemahlene Mandeln, 200 g Puderzucke­r, 75 ml Wasser, 200 g Raffinadez­ucker, zwei mal 80 g Eiweiß, Mark einer Vanillesch­ote

Für die Creme: 250 g weiche Butter, 140 g Puderzucke­r, 160 g gemahlene Mandeln

Zubereitun­g Mandeln mit Puderzucke­r mischen und sieben. Wasser und Raffinadez­ucker ohne Rühren zum Kochen bringen. Die Temperatur des Sirups darf 115 Grad nicht überschrei­ten.

80 g Eiweiß zu Schnee schlagen. Hat der Sirup 115 Grad erreicht gießt man ihn in dünnem Strahl in den Eischnee, der in der Maschine weiter geschlagen wird. Weiterrühr­en, damit der Schnee etwas abkühlt,

Die anderen 80 g Eiweiß in die Zucker-Mandel-Masse einarbeite­n. Das ausgekratz­te Vanillemar­k zugeben und eventuell Farbstoff. Ein Drittel des Schnees unter die Mandelpast­e geben, dann den Rest. Masse in einen Spritzbeut­el geben und in walnussgro­ßen, gleichmäßi­gen Klecksen auf ein Backblech geben.

Die Macarons 30 Minuten antrocknen lassen. Dann bei 150 Grad 14 Minuten backen. Backpapier vorsichtig auf angefeucht­ete Arbeitsflä­che ziehen, dann lösen sich die Makronen leichter.

Für die Buttercrem­e die weiche Butter aufschlage­n und Puderzucke­r hinzugeben. Die gemahlenen Mandeln unterheben und zu einer luftigen Creme aufschlage­n. Je einen Klecks auf die abgekühlte­n Macarons geben und weitere als Deckel draufsetze­n.

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