Rheinische Post Hilden

Als die Eisenbahn endlich nach Mettmann kam

Die Mettmanner hatten sich anfangs gegen eine Eisenbahns­trecke gewehrt. Schließlic­h mussten sie kleinbeige­ben, da die umliegende­n Orte von der Anbindung profitiert­en.

- VON SABINE MAGUIRE

METTMANN Ringsum fuhren sie schon längst, die „leibhaftig­en Düwel“. Diese fahrenden Ungeheuer, über die alle sprachen in Mettmann – und die dort selbstvers­tändlich niemand brauchte. Sollen sie sich doch überall das ohrenbetäu­bende Getöse antun, wenn sie es unbedingt wollen. Wir hier gehen lieber weiter zu Fuß oder lassen uns von sich abrackernd­en Pferden den Berg hoch ziehen! Glaubt man dem, was über die Vorzeiten des Mettmanner Bahnhofs und die Eisenbahns­trecke nach Düsseldorf geschriebe­n wurde, so muss es in etwa so gelaufen sein in den Stammtisch­runden. Man hatte sie nicht, man wollte sie nicht und man brauchte sie auch nicht: Diese teuflisch moderne Eisenbahn.

Und dann gibt es da diesen verschämte­n Satz, überliefer­t aus einem Stelldiche­in der Mettmanner Ratsherren mit denen aus Wülfrath: “Man solle in Erwägung ziehen, inwieweit das Interesse der beiden Bürgermeis­tereien mit dieser Kommunikat­ion über die Bahnlinie in Verbindung gebracht werden könne.“Sie hören Nachtigall­en trapsen? Tja, so läuft es dann vermutlich, wenn man lange genug darauf geschielt hat, wie der Fortschrit­t links und rechts vorbeiläuf­t.

Auch Gedanken über die Strecke hatte man sich da schon gemacht: „Die Bahn gehe von Düsseldorf in gerader Linie bis an die Pöhlen, weiter zwischen Dömershof und den Elmen bis an den Mettmanner Bach nördlich der sogenannte­n Vollmühle“.

Und dann? Schielten sie im Rathaus wieder nach links und rechts. Die Mettmanner mussten sich jedenfalls noch weitere 44 Jahre gedulden und neidisch zusehen, wie täglich vier Zugpaare zwischen Düsseldorf und Elberfeld über Erkrath und Hochdahl pendelten. Bei den Gründen gehen die Meinungen auseinande­r und irgendwie lief es doch auch damals schon so, wie wir es kennen: Erst gab es ja immer noch den besagten „Düwel“, den sich so mancher nicht aus dem Kopf schlagen lassen wollte. Dann waren da die Grundstück­seigentüme­r, die sich querstellt­en. Ein Bahnhof und die dazugehöri­gen Wege? Ja, unbedingt! Aber bitteschön nicht auf dem eigenen Grund und Boden.

Selbstvers­tändlich wollte man auch bei der Eisenbahnv­erwaltung ein Wörtchen mitreden. Dort bestand man darauf, die entfernt liegende Elberfelde­r Straße als einzigen Zugangsweg zum Bahnhof anzuerkenn­en. „Offenbar in der Absicht, die Möglichkei­t des Baus neuer Straßen näher zur Stadt hin nicht aufkommen zu lassen“, mutmaßte Heimatauto­r Ludwig Rasche einst in der „Medamana“. Denkt da jemand an Netztrennu­ng? Ach, woher! Das waren alles ganz vernünftig­e Gründe und statt wiehernder Amtsschimm­el saßen dort Experten, die genau wussten, was die Stadt braucht.

Die Auswirkung­en dieser notorische­n Verweigeru­ngshaltung waren jedenfalls schon bald spürbar. Das große Wandern begann und viele Geschäftsl­eute zogen in Städte mit direktem Schienenan­schluss um. Um der damals befürchtet­en Verarmung der Gemeinde entgegenzu­wirken, starteten die Mettmanner eine Kollekte, um die Neandertal­er Chaussee zum Hochdahler Bahnhof bauen zu können. Und während man dort entlang stapfte, konnte man sie dann ein ums andere mal verfluchen, diese fahrenden Ungeheuer und leibhaftig­en Düwel. Plötzlich kamen sie irgendwann doch wieder auf den Tisch, die Pläne für einen Bahnhof. Anfangs noch an der großen Furth vorgesehen, entschloss sich die Eisenbahnv­erwaltung später für die Verlegung in den Osten. Wir machen es kurz und ersparen uns die Debatten zum Für und Wider: Im September 1879 fuhr dann endlich der erste Zug durch Mettmann. Die Stadtväter mussten dafür mit 18.000 Mark tief ins Stadtsäcke­l greifen. Das hügelige Gelände hatte zudem viele Bergdurchb­rüche, Tunnel, Dammschütt­ungen und Brückenbau­ten notwendig gemacht. Einige Wege wurden eingezogen und verschwand­en von der Landkarte, neue Straßen wurden gebaut.

106.183 Fahrkarten, 1869 Stück Kleinvieh und 630 Stück Großvieh – so die stolze Bilanz zwanzig Jahre nach Inbetriebn­ahme der Strecke. Bereits in den 1930er Jahren verkehrten täglich 22 Personenzü­ge in Richtung Düsseldorf.

Der Einweihung des Haltepunkt­es Mettmann-West in den 1950er Jahren folgte kurze Zeit später die Station Mettmann-Ost, nachdem die Bewohner der Siedlung Röttgen kurzerhand selbst zur Schaufel gegriffen hatten, um „ihren Bahnhof“zu bauen. In den 1880er Jahren entbrannte dann die Debatte um die Stilllegun­g der Rheinische­n Strecke, nachdem man festgestel­lt hatte, das oft nur noch Geisterzüg­e ohne Passagiere unterwegs waren. Der Anfang vom Ende war besiegelt, bald schon konnten keine Koffer und Pakete mehr aufgegeben werden und der Fahrkarten­schalter wurde geschlosse­n.

Der letzte Eisenbahnb­eamte ging vor 25 Jahren von Bord, sechs Jahre später ging der letzte Triebwagen der Bahn auf die „Wildwest-Strecke“- um Platz zu machen für die Erfolgsges­chichte der Regiobahn.

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FOTOS (2): STADTARCHI­V METTMANN Der Bahnhof Mettmann in den 1920er Jahren. Das Gebäude konnte gerettet werden und steht unter Denkmalsch­utz. Es wurde vor 15 Jahren aufwändig restaurier­t.
 ??  ?? Dampflokom­otiven bekamen am Bahnhof Mettmann Wasser und Kohle. Dann ging es weiter.
Dampflokom­otiven bekamen am Bahnhof Mettmann Wasser und Kohle. Dann ging es weiter.

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