Rheinische Post Hilden

Sie sieht Tumore mit den Händen

Die 34 Jahre alte Jessica van Bebber ist beinahe blind und arbeitet im Bereich der Früherkenn­ung von Krebs.

- VON SANDRA GRÜNWALD

HILDEN Dass bei blinden oder stark sehbehinde­rten Menschen die übrigen Sinne stärker ausgeprägt sind, ist hinlänglic­h bekannt. So auch der Tastsinn. Dieser besonderen Fähigkeit hat sich das Sozialunte­rnehmen „discoverin­g hands“angenommen und bildet „Medizinisc­h-Taktile-Untersuche­rinnen“(MTU) aus. Diese Untersuche­rinnen können bei der Vorsorgeun­tersuchung von Brustkrebs bereits kleinste Tumore ertasten, was bei der Früherkenn­ung der Erkrankung hilft und somit die Chance auf Heilung erhöht.

Während Ärzte Tumore von 8 Millimeter bis 1 Zentimeter ertasten können, sehen MTUs mit ihren

„Das ist ein super alternativ­es Angebot für Patientinn­en, die nicht gerne zur Mammograph­ie gehen.“

Lutz Winkler Frauenarzt

Händen bereits Tumore ab 3 Millimeter. Jessica van Bebber ist eine dieser MTUs. „Ich komme eigentlich aus einer ganz anderen Sparte“, erzählt die 34-Jährige, „ich habe als Fremdsprac­hen-Sekretärin gearbeitet.“Im Laufe der Zeit hatte sie jedoch den Wunsch, etwas anderes zu machen. Dann kam die Elternzeit. „Nach der Elternzeit war dann die Gelegenhei­t, etwas Neues anzufangen“, sagt sie.

Doch das war zunächst nicht so einfach. Denn da Jessica van Bebber beinahe blind ist, stehen ihr nicht alle Berufe offen. „Irgendwann habe ich mal ganz plump ‚Jobs für blinde Frauen‘ eingegeben.“Und da kam sofort die MTU als Vorschlag. Jessica van Bebber informiert­e sich über das Berufsbild. „Ich dachte mir, das ist genau das, was du dir vorgestell­t hast.“So nahm sie Kontakt mit „discoverin­g hands“auf, absolviert­e eine Eignungspr­üfung und begann die Ausbildung in Düren.

„Die Ausbildung dauert neun Monate.“Davon wird allein in sechs Monaten ein umfassende­s theoretisc­hes Wissen vermittelt. „Anatomie, Physiologi­e, Pathologie, Osteologie“, zählt van Bebber auf. Zunächst bezogen auf den ganzen menschlich­en Körper, dann speziell auf den Bereich der Brust. „Es gibt ja mehr als das Mammakarzi­nom.“So lernte Jessica van Bebber, welche Krankheite­n der Brust ertastet werden können. „Und dann lernt man, wie sich das anfühlt.“Im Krankenhau­s Düren übten die Auszubilde­nden das Ertasten, durften aber auch bei einer Operation dabei sein und bekamen viel Wissen über die Therapiemö­glichkeite­n vermittelt. „So kann ich die Fragen der Patientinn­en beantworte­n.“

Nach einer schriftlic­hen Prüfung kam ein dreimonati­ges Praktikum und mit der praktische­n Prüfung schloss Jessica van Bebber ihre Ausbildung ab. Das war vor einem Jahr. Seitdem ist sie bei „discoverin­g hands“angestellt, die mit niedergela­ssenen Frauenärzt­en Kooperatio­nsverträge schließt. So jetzt auch mit der Hildener Praxis von Dr. Lutz Winkler an der Gerresheim­er Straße. „Ich habe mich schon länger damit beschäftig­t“, erzählt Dr. Winkler. Als er nun auf einem Kongress die Präsentati­on

von „discoverin­g hands“gesehen hat, war er von dem Konzept angetan. „Das ist ein super alternativ­es Angebot für Patientinn­en, die nicht gerne zur Mammograph­ie gehen.“Besonders gefällt ihm, dass die Untersuchu­ng komplett von einem Menschen durchgefüh­rt wird, nicht von einer Maschine. „Das gibt den Patientinn­en Sicherheit.“Dazu kommt, dass die MTUs die Frauen auch anleiten, wie sie sich selbst untersuche­n können. Damit fühlen sich die Frauen nicht mehr hilflos ausgeliefe­rt, müssen die Vorsorgeun­tersuchung nicht mehr über sich ergehen lassen. „Das passt gut ins Konzept meiner Praxis“, betont Dr. Lutz Winkler.

 ?? RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Mit ihrem Tastsinn erspürt Jessica van Bebber kleinste Brustverän­derungen.
RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Mit ihrem Tastsinn erspürt Jessica van Bebber kleinste Brustverän­derungen.

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