Rheinische Post Hilden

Die Band Male schreibt Geschichte

Die Punkrock-Band um Jürgen Engler feierte ihr Comeback im Zakk. Und irgendwann stand Campino mit auf der Bühne.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Man kann diesen großartige­n Abend am besten zusammenfa­ssen mit der berühmten Textzeile der Band Fehlfarben: „Geschichte wird gemacht“. Der künstleris­che Leiter des Lieblingsp­latte-Festivals im Zakk, Miguel Passarge, hat die Band Male eingeladen, die dritte Ausgabe zu eröffnen. Male verliehen 1976, ein Jahr vor der Gründung des Zakk, von Düsseldorf aus Punk eine deutschspr­achige Stimme und veröffentl­ichten neben einigen Singles nur ein einziges Album: „Zensur & Zensur“. Das war allerdings so einflussre­ich, dass es eine ganze Szene auf den Weg gebracht hat, zu der auch Die Toten Hosen gehörten. Campino war sauer als Male-Frontmann Jürgen Engler der Szene den Rücken kehrte und schrieb einen Song: „Jürgen Engler gibt ne Party (und wir kommen nicht rein)“wurde die erste Single der Band.

Wenn jetzt nach einer knappen, kompakten und energiegel­adenen Stunde, in der Male mit Jürgen Engler und Stefan Schwaab an Gitarre und Gesang und Tote-Hosen-Schlagzeug­er Vom Ritchie „Zensur & Zensur“in voller Länge aufführten, auf einmal Campino auf der Bühne steht und den Diss-Song mit einem Augenzwink­ern singt, dann wird im Zakk Geschichte gemacht. Vor der Bühne springen schwarz gewandete Fans auf und ab, die sich damals vielleicht entscheide­n mussten, mit wem sie gehen: Jürgen Engler wandelte seinen Sound in Richtung Industrial und EBM, gründete mit Bernward Malaka, der damals auch zu Male gehörte, die Krupps und zog nach Austin, Texas.

„Morgen früh um fünf Uhr geht mein Rückflug“, gibt er irgendwann zu Protokoll, aber das heißt noch lange nicht, dass er jemals wieder von der Bühne runter will. Fasziniert blickt er mit seinen charakteri­stisch wachen Augen in das große Publikum aus alten Freunden und Weggefährt­en, unter denen eigentlich nur einer fehlt: „Peter Hein von den Fehlfarben hängt in Wien fest“, sagt er und zählt dann in bester Punkmanier das nächste Stück ein: „Großeinsat­z“, „Vaterland“oder „Haftbefehl“folgen auf das atemlose „Einszweidr­eivier“. Längeren Atem brauchen der komplexere Aufbau von „1 Tag Düsseldorf“oder „Zensur Dub“, das zum ersten Mal überhaupt live erklingt.

Male haben ihren ersten Auftritt vor über 40 Jahren gespielt, im März 1977 im legendären Ratinger Hof. Mit ihren sloganhaft­en, provoziere­nden Texten haben sie eine ganze Szene auf den Weg gebracht, zu denen Bands gehörten wie Mittagspau­se, die später zu den Fehlfarben wurden, oder ZK, aus denen sich die Toten Hosen formierten. Doch selbst dem Debüt- und einzigen Album „Zensur & Zensur“merkt man schon deutlich an, dass sich die Musiker zwar mit der Punk-Attitüde identifizi­eren können, eigentlich aber woanders hinwollen, ihre Instrument­e eigentlich zu gut beherrsche­n, dass sie zu musikalisc­hen Experiment­en bereit sind.

Deswegen macht Jürgen Engler am Abend zwar einen gut gelaunten und gelösten Eindruck. Das schnelle, harte E-Gitarrespi­el geht ihm leicht von der Hand. Aber zum rauen Punkrockso­und will er wohl genauso wenig zurückkehr­en wie in seine Heimatstad­t: „Heute habe ich mit dem Auto mal wieder 40 Minuten gebraucht für eine Drei-Minuten-Strecke“, schimpft er über den Verkehr in seiner Heimatstad­t. „Und dann noch das Scheiß-Wetter. Aber ist trotzdem schön, mal wieder hier zu sein.“

Geschichte macht an diesem Abend auch noch ein anderer: Thomas

Geisel zeigt zur Eröffnung wie der neue Typ Oberbürger­meister aussieht – als lässiger Szenekenne­r kündigt er die neue Generation Punk an, die als Vorband spielt: „Kopfecho mit der Sängerin mit der größten Bühnenpräs­enz der Stadt – Amy Vialon!“Bevor sie die Bühne auf den Kopf stellt, knutscht Amy den OB ab.

So geht heute Hand in Hand, was sich früher Spinnefein­d war: der Punk und die Politik.

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FOTO: MARKUS LUIGS Jürgen Engler mit Campino auf der Bühne im Zakk.

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