Rheinische Post Hilden

Neandertal­er liebte den modernen Menschen

Offenbar kam es zu sexuellen Kontakten mit dem modernen Menschen. Demnach haben wir also alle ein paar Neandertal­er-Gene im Körper.

- VON SABINE MAGUIRE

METTMANN Auch das noch! Über das Liebeslebe­n der Neandertal­er wurde ja schon so manches geschriebe­n. Aber dass sie sich nun auch noch mit Geistwesen eingelasse­n haben sollen? Nein, nicht so wie Sie jetzt denken: Der Sex war schon echt! Nur über diejenigen, die es sich neben vielen anderen auf dem Bärenfell bequem gemacht haben sollen, weiß man nicht viel. Einen Fingerknoc­hen und ein paar Backenzähn­e, mehr hat man bislang nicht auftreiben können vom Denisova-Menschen, mit dem sich der Neandertal­er gepaart hat. Der Denisova-Mensch gehört zwar zu den so genannten „Geisterspe­zies“, über die bislang noch nicht viel bekannt ist. Auch fossile Funde gibt es (noch) nicht. Was man allerdings über diese unbekannte Spezies weiß, genügt offenbar, um ihr nun auch noch ein paar Bettgeschi­chten mit unseren Vorfahren anzuhängen.

Angefangen hat diese schlüpfrig­e Enthüllung­sgeschicht­e übrigens vor zehn Jahren. Das vom Leipziger Max-Planck-Institut initiierte Neandertal­er-Genomproje­kt hatte damals gerade die Ziellinie überschrit­ten, und was unterm Strich dabei heraus kam, beflügelt seither jenseits allen Forscherge­istes auch die Phantasie. Demnach könnte es, gemessen an den genetische­n Spuren in der Erbinforma­tion des Steinzeit-Menschen, im Neanderlan­d hoch her gegangen sein. Da findet sich nämlich so mancher Einfluss wieder, auch jenseits der Neandertal­er-Sippe. Es kam also vor, dass sich unsere Vorfahren damals auch mit Vertretern anderer Gattungen paarten. Kreuzungen zwischen den verschiede­nen Spezies waren also nicht die Ausnahme, wie bis dahin angenommen, sondern eher die Regel. Haben unsere männlichen Vorfahren also bei jeder sich bietenden Gelegenhei­t das Jagdwild laufen lassen, um dem nächstbest­en Fellröckch­en hinterher zu schleichen? Womöglich war das ganze Neanderlan­d ein steinzeitl­icher Swinger-Club?

Bärbel Auffermann winkt lächelnd ab. „Da können Sie ruhig eine kleine Liebesgesc­hichte schreiben“, beginnt die Direktorin des Neandertha­l Museums mit ihrer Version der Geschichte. Dass es im „Gesteins“pausenlos zugegangen sein soll wie bei den lüsternen Bonobo-Affen, glaubt Auffermann nicht. „Beim Neandertal­er kommt mir durchaus auch Romantik in den Sinn. Und verliebt waren sie bestimmt auch“, glaubt Bärbel Auffermann. Auch bei Führungen durchs Museum wird sie oft danach gefragt. „Haben die sich auch geküsst?“, wollen schon die jüngsten Besucher wissen.

Dass Monogamie im Neandertal ein hohes Gut gewesen sein könnte,

glaubt die Museumslei­terin hingegen nicht. „Das haben sich die Forscher in den 1950er Jahren ausgedacht, weil es wohl bei denen zu Hause so zuging“, plaudert die Museumslei­terin schmunzeln­d über Irrungen und Wirrungen der Forschung. Dass der Neandertal­er indes nach Mittelasie­n gereist sein könnte, um dort mit dem Denisova fremdzugeh­en, glaubt sie allerdings auch nicht. Viele Fragen sind also noch offen.

Ein Tabu-Thema ist das Sexleben unserer Vorfahren längst nicht mehr. Schon vor Jahren hatte das Leipziger Max-Planck-Institut das Erbgut des Neandertal­ers mit dem Genom des modernen Menschen verglichen und festgestel­lt, dass wir alle ein Stück Neandertal­er in uns tragen. Eines sollte jedenfalls schon mal klar sein: Emotionale Befindlich­keiten angesichts wechselnde­r Partner dürften inmitten des stetigen Kampfes ums Überleben wohl eher keine Rolle gespielt haben. „So etwas wie Eifersucht konnten sich Neandertal­er bestimmt nicht leisten“, glaubt auch Bärbel Auffermann.

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ARCHIVFOTO: NEANDERTHA­L MUSEUM Mit wem hat der Neandertal­er geschmust? Die Experten stehen hier scheinbar noch ganz am Anfang der Forschung.

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