Rheinische Post Hilden

Bauland-Streit führt zu Schweizer Volksabsti­mmung

- VON JAN DIRK HERBERMANN

GENF Lärmende breite Straßen, wuchtige Wohnblocks neben Industriea­nlagen und überall grauer Beton: Außerhalb der pittoreske­n Zentren verlieren etliche Schweizer Städte schnell ihren Glanz. Doch jetzt wollen die Jungen Grünen der „Zersiedelu­ng“Helvetiens Einhalt gebieten: Sie erzwangen eine Volksiniti­ative, über die am Sonntag abgestimmt wird. Nein zu der Initiative mit dem sperrigen Namen „Zersiedelu­ng stoppen – für eine nachhaltig­e Siedlungse­ntwicklung“sagen Regierung und Parlament.

Pro Sekunde werde in der Schweiz fast ein Quadratmet­er Grünfläche zubetonier­t, heißt es bei den Junggrünen. Nach ihren Angaben bebauten die Eidgenosse­n seit 1985 mehr als 580 Quadratkil­ometer – eine Fläche größer als der Bodensee. Insgesamt erstreckt sich die die Schweiz über mehr als 41.000 Quadratkil­ometer. Aber: In dem Alpenland können in weiten Gebieten gar keine Gebäude, Straßen oder Anlagen errichtet werden. Berge, Geröll und Seen verhindern das. Für die Junggrünen steht das Urteil fest: Der Umgang mit dem kostbaren Boden sei viel zu verschwend­erisch.

Jetzt verspreche­n die Umweltfreu­nde nichts weniger als eine andere Schweiz: Sie wollen die Naturfläch­en schützen, den nachhaltig­en Umgang mit Bauland fördern und lebenswert­en Wohnraum bereitstel­len. Das alles soll durch eine Änderung der Verfassung erreicht werden. Demzufolge würde die Gesamtfläc­he der Bauzonen unbefriste­t eingefrore­n. Neue Bauzonen dürften nur noch entstehen, wenn anderswo eine mindestens ebenso große Fläche von gleich großem landwirtsc­haftlichem Ertragswer­t aus ihrer Bauzone gestrichen wird. „Diese Tauschgesc­häfte könnten innerhalb der Kantone und zwischen den Kantonen stattfinde­n“, erklärt Luzian Franzini, Co-Präsident der Jungen Grünen gegenüber dieser Zeitung. Details müsste das Parlament noch erarbeiten. „Wir wollen sicher keinen Baustopp für die Schweiz“, erläutert Franzini. „Bauen ist in Ordnung, aber nicht überall.“

Gegen die Initiative macht die sozialdemo­kratische Umweltmini­sterin Simonetta Sommaruga mobil. Sie wirft den Jungen Grünen vor, ihr Plan sei viel zu starr. Das Einfrieren der Bauzonenfl­äche behindere die sinnvolle Entwicklun­g des Landes. Zudem werde die Umverteilu­ng von Bauzonen nicht reibungslo­s zu organisier­en sein. Sie fragt die Jungen Grünen: „Wollen Sie eine nationale Planungsbe­hörde, welche die Kantone zwingt, Bauland an andere abzugeben?“

Dann zeigt Sommaruga auf den Geldbeutel der Schweizer. Mit den Immobilien­preisen würden auch die Mieten steigen. Eine Schreckens­vorstellun­g für viel Schweizer. Kaum verwunderl­ich, dass laut Umfragen die Zustimmung zu der Initiative schrumpft. Laut den Demoskopen droht den Jungen Grünen am Sonntag eine Niederlage.

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