Rheinische Post Hilden

Zypern fürchtet einen harten Brexit ganz besonders

Bei einem ungeordnet­en Austritt Großbritan­niens aus der EU drohen der Insel Einbußen bei Tourismus und Handel. Nur die Reeder könnten profitiere­n.

- VON GERD HÖHLER

NIKOSIA Kein anderes EU-Land, mal abgesehen von Irland, ist menschlich und wirtschaft­lich so eng mit dem Vereinigte­n Königreich verbunden wie die ehemalige Kronkoloni­e Zypern. 1960 entließ London die Insel in die Unabhängig­keit. Der Linksverke­hr, Schulunifo­rmen und britische Markenarti­kel in den zyprischen Supermärkt­en wie Baked Beans, Organgenma­rmelade und Bier erinnern an die Kolonialze­it.

Kein Wunder, dass sich britische Touristen auf der „Insel der Aphrodite“besonders wohl fühlen. Fast vier Millionen Gäste begrüßten die Zyprer 2018, ein neuer Reise-Rekord. Jeder dritte Urlauber kam aus Großbritan­nien. Aber die zyprischen Hoteliers gehen mit gedämpften Erwartunge­n in die neue Saison. „2019 wird definitiv ein schwierige­s Jahr“, sagt Haris Loizides, der Präsident des zyprischen Hotelverba­ndes. In diesem Jahr wird Zypern nicht nur das Comeback billigerer Wettbewerb­er wie der Türkei und Ägyptens zu spüren bekommen. Auch der Brexit bereitet Sorgen. „Die Aussicht auf einen ungeordnet­en Brexit beunruhigt die Urlauber und die Unternehme­n“, sagt Verbandsch­ef Loizides. Die Branche sorgt sich nicht nur um die Flugverbin­dungen zwischen Großbritan­nien und den zyprischen Airports Larnaka und Paphos. Kommt es infolge eines harten Brexits zu einer Abwertung des britischen Pfundes, würde das einen Urlaub in Zypern für viele Briten unerschwin­glich machen. Ohnehin ist die Insel wegen der langen Flugzeit kein Billigziel.

Nicht nur die Tourismusb­ranche zittert dem Brexit entgegen. Viele Zehntausen­d Menschen auf Zypern werden ganz direkt betroffen sein. Zum Beispiel die Beschäftig­ten der britischen Militärbas­en auf der Insel. Die insgesamt 253 Quadratkil­ometer großen Basen, auf denen rund 3000 britische Soldaten und ihre Familien leben, gehören nicht zum EU-Staat Zypern, sondern sind britisches Staatsgebi­et. Rund 11.000 zyprische Zivilbedie­nstete arbeiten und leben dort mit ihren Familien. Ihr Status ist bei einem harten Brexit ebenso ungewiss wie die künftigen Aufenthalt­srechte der 65.000 Briten, die auf Zypern leben. Überwiegen­d handelt es sich um Pensionäre, die auf der Insel im östlichen Mittelmeer ihren Ruhestand verbringen.

Auch für Zyperns Außenhande­l könnte ein harter Brexit ungeahnte Konsequenz­en haben. Großbritan­nien ist nach Griechenla­nd der zweitwicht­igste Handelspar­tner Zyperns in der EU. Man könne die Folgen eines ungeordnet­en Austritts für den bilaterale­n Handel überhaupt noch nicht zuverlässi­g abschätzen, heißt es bei der zyprischen Industrieu­nd Handelskam­mer.

Aber der Brexit birgt für Zypern nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Das sieht, wer jetzt auf der Autofähre „Spirit of Britain“den Ärmelkanal überquert. Am Heck flattert seit Kurzem die zyprische Flagge, wie auch auf dem Schwesters­chiff „Spirit of France“. Die Fähren, die zwischen Dover und Calais pendeln, gehören der britischen Reederei P&O Ferries. „In Anbetracht des britischen Ausscheide­ns aus der EU am 29. März 2019 haben wir den Flaggensta­tus unserer Schiffe im Ärmelkanal überprüft und uns entschiede­n, alle unsere Schiffe künftig unter der Flagge Zyperns zu betreiben“, erklärte eine P&O-Sprecherin. Die Reederei nutze damit „die erheblich günstigere Tonnageste­uer-Regelung“des EU-Landes Zypern, so die Sprecherin. Bei der sogenannte­n Tonnagegew­innermittl­ung richtet sich die Steuer nicht nach dem tatsächlic­hen Gewinn, den ein Reeder mit einem Schiff erzielt, sondern pauschal nach dessen Größe. In Kürze sollen auch die weiteren vier Fähren, die P&O im Kanal einsetzt, unter der Flagge Zyperns fahren.

In der zyprischen Hafenstadt Limassol hofft man, dass bald weitere britische Reedereien Schiffe in Zypern registrier­en und dort Dependance­n eröffnen. „Es gibt großes Interesse“, berichtet die für die Handelssch­ifffahrt zuständige Staatssekr­etärin Natasa Pilides. Schon jetzt ist Zypern ein wichtiges Schifffahr­tszentrum. Die Insel erhebt weder Steuern auf die Betriebsge­winne der dort registrier­ten Schiffe noch auf Dividenden der dort ansässigen Reedereien. Das Land hat die drittgrößt­e Handelsflo­tte in der EU.

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FOTO: DPA Im Dezember besuchten Prinz William und Herzogin Kate britische Militärein­richtungen auf Zypern. Hier sind 3000 Soldaten stationier­t.

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