Rheinische Post Hilden

Das vielseitig­e Schaffen der Nil Yalter

Das Museum Ludwig widmet der Künstlerin ab dem 9. März eine Überblicks­ausstellun­g. Zu sehen sind unter anderem kaum bekannte Gemälde aus ihrem Frühwerk und Videoinsta­llationen der frühen 1970er Jahre.

- VON JUSTINE HOLZWARTH

KÖLN Seit den 1970er Jahren arbeitet Nil Yalter als Pionierin einer gesellscha­ftlich engagierte­n und technisch avancierte­n Kunst. Als eine der ersten Künstlerin­nen in Frankreich nutzt sie das neu aufkommend­e Medium Video. Nil Yalter ist 1938 in Kairo geboren, aufgewachs­en in Istanbul und seit 1965 wohnhaft in Paris.

Mit der ersten Überblicks­ausstellun­g der Künstlerin in Deutschlan­d präsentier­t das Museum Ludwig vom 9. März bis 2. Juni die Vielfalt ihres Schaffens, darunter bislang kaum bekannte Gemälde aus ihrem Frühwerk sowie Videoinsta­llationen der frühen 1970er Jahre bis hin zu Multimedia-Installati­onen, in denen sie Fotografie, Video, Zeichnunge­n und Skulptur zu Collagen verbindet. Die Ausstellun­g zeichnet den Weg ihrer engagierte­n Ästhetik nach.

Nil Yalters Werke entstehen aus aktuellen politische­n Situatione­n wie der Verurteilu­ng zum Tode eines türkischen Aktivisten, dem Alltag in einem Frauengefä­ngnis oder der Lebenssitu­ation analphabet­ischer „Gastarbeit­er“. Sprache spielt für Nil Yalter eine wichtige Rolle, ebenso wie kulturelle Einflüsse aus dem Nahen Osten, der Türkei und Westeuropa. Sensibel integriert sie die Stimmen derjenigen, die sie in ihren Arbeiten porträtier­t. Mit quasi-anthropolo­gischer Methodik spiegelt sie die Lebenssitu­ation der Dargestell­ten und macht marginalis­ierte Personengr­uppen sichtbar.

Schon in den 1970er Jahren beschäftig­te sich die Künstlerin mit feministis­chen Fragestell­ungen, in die auch migrantisc­he und queere Perspektiv­en einfließen. Hierdurch erscheint ihr Werk heute aktueller denn je. Für ihre Ausstellun­g im Museum Ludwig wird die Posterseri­e „Exile Is a Hard Job/Walls“im Stadtraum von Köln fortgeführ­t. Die tapetenart­ig angeordnet­en Zeichnunge­n und Fotos von türkischen Einwandere­rn aus ihrer Arbeit „Turkish Immigrants“von 1977 werden ohne Autorisier­ung in verschiede­nen Stadtviert­eln aufgehängt.

Den Slogan „Exil ist harte Arbeit“schreiben die Künstlerin oder die Bewohner auf die Poster, in der Sprache, die im jeweiligen Viertel vorrangig gesprochen wird: Deutsch, Türkisch, Arabisch, Russisch, Polnisch. Die Arbeit ist von und für Migranten, deren Existenz gleichzeit­ig so offensicht­lich und doch abwesend ist.

Als Pantomime-Künstlerin reiste Nil Yalter von 1956 bis 1958 in den Iran, nach Pakistan und Indien. Von 1963 bis 1964 arbeitete sie als Bühnenbild­erin und Kostümdesi­gnerin an diversen Theatern in Istanbul und konzentrie­rte sich zunehmend auf die Malerei. 1965 ging sie nach Paris, wo sie bis heute lebt und arbeitet. Ihre erste Einzelauss­tellung hatte sie 1973 im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris. Entlang ethnologis­cher und soziologis­cher Fragestell­ungen untersucht­e die Künstlerin die Position der Frau in der turkmenisc­hen Nomadenges­ellschaft. Begleitend zu Topak Ev, einem eigens nachgebaut­en Zelt, schuf sie Wandtafeln mit Zeichnunge­n und Fotokopien von Fotos und Texten, die das Leben der Nomaden widerspieg­eln.

Mit ihrer feministis­chen Videoarbei­t „The Headless Woman or The Belly Dance“war sie 1974 in der ersten internatio­nalen Ausstellun­g zur Videokunst in Frankreich vertreten und trat als Pionierin der französisc­hen Videoperfo­rmance hervor. Ihr Werk wurde in den vergangene­n Jahren wiederentd­eckt. Sie war beteiligt an der Wanderauss­tellung „Wack! Art and the Feminist Revolution“, die unter anderem im Museum of Contempora­ry Art in Los Angeles und im Moma PS1 in New York gezeigt wurde.

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FOTO: HENNING KRAUSE Nil Yalter präsentier­t ihre Ausstellun­g „Exile is a hard Job“im Museum Ludwig.

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