Reul: Balkanroute zu, Kriminalität sinkt
Das Leben in NRW ist offenbar so sicher wie seit 30 Jahren nicht mehr. Die Zahl der Straftaten ist 2018 gesunken.
DÜSSELDORF Herbert Reul ist gut gelaunt, als er am Mittwoch die Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2018 vorstellt. Die Zahlen seien so gut, dass man sie sich eigentlich einrahmen müsste, betont der Minister des Inneren von Nordrhein-Westfalen. Der Rückgang der Straftaten sei rekordverdächtig, der niedrigste Stand seit 30 Jahren. „Unsere Null-Toleranz-Politik auch bei Bagatelldelikten spielt eine Rolle für das gute Ergebnis“, so der CDU-Politiker. Es gebe aber noch einen weiteren, sehr wichtigen Grund, für den die Landesregierung nichts könne. „Die Schließung der Balkanroute“, sagt Reul. „Ich wette, dass das eine Rolle spielt.“Quantifizieren könne er das allerdings nicht.
Laut Statistik ist das Leben in NRW im vergangenen Jahr deutlich sicherer geworden. Die Zahl der Straftaten sank im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozent auf rund 1,3 Millionen. Und mehr als die Hälfte der Straftaten ist von der Polizei aufgeklärt worden – so viel wie noch nie in der Geschichte des Landes. Besonders sank die Zahl der Wohnungseinbrüche. Sie ging um fast ein Viertel von rund 39.000 auf 29.000 zurück. Vor drei Jahren waren es noch 62.000 gewesen. Offenbar fällt es den Tätern auch immer schwieriger, in die Wohnungen zu gelangen. Denn bei rund der Hälfte der Fälle blieb es beim Versuch. Und auch die Aufklärungsquote war mit 17 Prozent so gut wie noch nie bei Einbruchsdelikten. „Die Häuser sind viel besser gesichert als noch vor ein paar Jahren“, sagte Kriminaldirektor Dieter Schürmann. Außerdem gab es auch weniger Diebstähle. Die Zahl sank von rund 550.000 auf 499.000. Gerade für Diebstähle und Einbrüche sind häufig Banden aus Südosteuropa verantwortlich. „Durch die Schließung der Balkanroute haben es diese Gruppierungen nun deutlich schwerer, ungehindert einzureisen und ihre Taten hier zu begehen“, so Schürmann.
Auch die Gewaltkriminalität ging um vier Prozent auf rund 46.600 Fälle zurück – so wenig wie seit 17 Jahren. Die Straßenkriminalität sank ebenfalls um 8,5 Prozent Allerdings stieg die Zahl der Morde und Mordversuche von 113 auf 140. Schürmann relativierte aber: „Da gehören auch Fälle zu, die schon weit zurückliegen, aber erst im vergangenen Jahr aufgeklärt worden sind.“
Es gibt aber nicht nur Grund zur Freude. Sorge bereitet den Sicherheitsbehörden eigenen Angaben zufolge die hohe Anzahl ausländischer Tatverdächtiger, die ein Drittel ausmacht. „Von den insgesamt rund 455.000 Tatverdächtigen haben rund 155.000 keinen deutschen Pass. Das darf man nicht unter den Teppich kehren. Die Wahrheit ist nun mal so. Auch wenn sie nicht schön ist“, sagte Reul. Von den 155.000 ausländischen Tatverdächtigen sind laut Kriminalitätsstatistik rund 38.800 Zuwanderer. Sie würden vor allem Gewalttaten begehen.
Zugenommen haben Sexualdelikte und Fälle von Kindesmissbrauch.
„Häuser und Wohnungen sind viel besser gesichert als noch vor ein paar Jahren“
„Da gibt es so viel Schlimmes, das man eigentlich gar nicht wissen will“, sagt der Innenminister. Dabei stieg die Zahl um 9,2 Prozent auf rund 14.000 Fälle. Die Entwicklung sei besorgniserregend, betonte Reul. Er wies aber darauf hin, dass in dieser Gesamtzahl auch sexuelle Übergriffe wie Anfassen und sexuelle Beleidigungen mitenthalten seien, die zuvor nicht als Straftatbestand gewertet wurden. Die Zahl der Vergewaltigungen verringerte sich von 2138 Fällen in 2017 um 16,5 Prozent auf nunmehr 1723 Fälle. 83,5 Prozent aller Vergewaltigungen im vergangenen Jahr wurden aufgeklärt, so der Minister
Trotz des Rückgangs an Straftaten fühlt sich die Bevölkerung in NRW Umfragen zufolge nicht sicher. Das weißt auch Reul. Er sagt, dass sich diese falsche Wahrnehmung nur langfristig ändern ließe. „Wir müssen kontinuierlich alle Zahlen offenlegen – in guten wie in schlechten Zeiten. Nur so können wir die Glaubwürdigkeit zurückgewinnen – mit Ehrlichkeit und Transparenz“, sagte Reul.
Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Erich Rettinghaus, machte darauf aufmerksam, dass in der Kriminalitätsstatistik nur die Straftaten aufgeführt werden, die bekannt geworden sind. „Das Dunkelfeld bleibt damit unberücksichtigt. Wir benötigen daher in NRW unbedingt eine empirische Studie dazu.“ Dieter Schürmann Kriminaldirektor