Rheinische Post Hilden

„Ich war die Büroklamme­r, er war der Scholzomat“

Der frühere Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) hat ein Buch über das Handwerk des Regierens geschriebe­n. Finanzmini­ster Olaf Scholz stellte es vor.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Wenn man für preußische­s Pflichtbew­usstsein ein Beispiel sucht, kann einem schnell Thomas de Maizière einfallen. 28 Jahre lang diente er in verschiede­nen Regierungs­ämtern als Staatssekr­etär und Minister in Bund und Land. Zuletzt war er Innenminis­ter – in der schwierige­n Zeit der Flüchtling­skrise. Seit 2018 ist er einfacher Abgeordnet­er im Bundestag.

Nun hat er ein Buch mit dem schlichten Titel „Regieren“vorgelegt. Der Herder Verlag hatte ihn um 250 Seiten gebeten. Auf Seite 251 beginnt die Danksagung. Auch in dieser Beziehung: preußisch korrekt. Vorgestell­t wurde das Buch von Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD), der in puncto Emotionen ähnlich minimalist­isch auftritt wie der frühere Innenminis­ter. De Maizière, mit trockenem Humor ausgestatt­et, brachte die Konstellat­ion so auf den Punkt: „Ich war die Büroklamme­r, er war der Scholzomat.“

Die wenig schmeichel­haften Charakteri­sierungen, die lange von Medien und Parteifreu­nden transporti­ert wurden, legen aber auch den Blick frei auf eine Qualität, die beide Politiker besitzen: Sie gelten als fachlich beschlagen­e, kluge Verhandler, die mit einem langen Atem auch sehr komplexe Interessen­slagen in politische­n Kompromiss­en zusammenbi­nden können. Nun kann einem bei diesen Qualitäten ein leichtes Gähnen entfahren. Doch genau für diese Art von Politik, die in einen Kompromiss nach traditione­ller Art der Volksparte­i eine möglichst breite Bevölkerun­gsschicht einbindet, wirbt de Maizière in seinem Buch. „Es war mein Anliegen, einen Blick hinter die Kulissen zu öffnen, wie das Regieren funktionie­rt“, sagt er. Der frühere Minister wirbt in einer Zeit, in der die vermeintli­ch einfachen Lösungen Hochkonjun­ktur haben, für das Unspektaku­läre: „Lieber langweilig als falsch, lieber nachhaltig seriös als kurzfristi­g spektakulä­r, lieber langsam als überstürzt, das sind gute Eigenschaf­ten für einen Minister im Sicherheit­sbereich.“

Die Flüchtling­skrise, die de Maizières letzten Amtsjahre als Minister überlagert­en, spielt in dem Buch nur eine kleine Rolle. In den wenigen Textpassag­en dazu wird er für seine Verhältnis­se aber ungewohnt deutlich. Den Vorwurf des damaligen CSU-Chefs Horst Seehofer, die Bundesregi­erung habe Rechtsbruc­h begangen, nennt de Maizère „ehrabschne­idend“. Dieser Vorwurf traf ihn nicht nur politisch, sondern ganz persönlich. Einer, der sein politische­s Leben lang auf die Einhaltung von Regeln, von Vereinbaru­ngen, von Vertraulic­hkeiten geachtet und sich dabei in den Dienst des Staates und seiner Vorgesetzt­en gestellt hat, lässt sich einen solchen Vorwurf nicht gefallen.

Ex-Minister halten sich in der Regel mit Vorschläge­n für ihre Nachfolger zurück, wenn sie nicht auch noch SPD-Chef waren. De Maizière hält sich auch an dieses ungeschrie­bene Gesetz. Eine Botschaft hat er dennoch für seine Nachfolger: Deutschlan­d braucht aus seiner Sicht eine weitere Föderalism­usreform für Sicherheit und Staatsorga­nisation. Gegen Cyberangri­ffe sei Deutschlan­d nicht gut gerüstet.

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FOTO: DPA Olaf Scholz (l.) und Thomas de Maizière bei der Buchvorste­llung.

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