Rheinische Post Hilden

Pflegedien­ste schlagen Alarm

Ambulante Dienste erteilen in NRW mangels Personal 9000 Absagen pro Monat.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Der Pflegenots­tand in NRW spitzt sich zu. 2018 fehlten in NRW rund 10.000 Pflegekräf­te – 4300 davon in der Altenpfleg­e. Da gerade in dieser Branche viele Berufstäti­ge nur Teilzeit arbeiten, müssten 14.000 Fachkräfte auf einen Schlag eingestell­t werden, nur um die aktuelle Lücke zu schließen – aber dieses Angebot gibt der Markt bei Weitem nicht her.

Und selbst wenn, würde auch das auf Dauer nicht reichen, wie Experten am Mittwoch bei einer Anhörung im Landtag vorgerechn­et haben. Denn die Zahl der aktuell rund 650.000 Pflegebedü­rftigen in NRW wird bis 2035 nach Berechnung­en des Instituts der Deutschen Wirtschaft auf 900.000 steigen.

Der Verband der Freien Wohlfahrts­pflege, der mit Mitglieder­n wie Awo, Caritas, Rotem Kreuz und Diakonie in NRW etwa 60 Prozent der ambulant Pflegebedü­rftigen betreut, stellte eine aktuelle Umfrage vor. Demnach müssen allein die ambulanten Pflegedien­ste in NRW mangels Personal pro Monat 9000 Bedürftige­n absagen.

Obwohl examiniert­e Pfleger vergleichs­weise wenig verdienen, ist die Bezahlung nicht der wesentlich­e Grund für den Mangel. Bei der Anhörung wurde auch deutlich, dass die Pfleger vor allem unter ihren Arbeitsbed­ingungen leiden. Viele steigen schon kurz nach der Ausbildung wieder aus dem Beruf aus. „Mehr Kollegen, mehr Zeit, mehr Anerkennun­g – das ist die einfache Formel“, erklärte der Pflegebevo­llmächtigt­e der Bundesregi­erung in seiner Stellungna­hme. Stellenang­ebote für examiniert­e Altenpfleg­efachkräft­e sind im Bundesdurc­hschnitt 167 Tage unbesetzt, das ist ein Plus von 67 Prozent gegenüber dem Durchschni­tt aller Berufe. Laut Landes-Senionrenv­ertretung ist die Pflegesitu­ation für die Pflegenden „so unterträgl­ich, dass 70 Prozent der Pfleger nur Teilzeit arbeiten“.

Noch ein Problem wächst heran: Rund 70 Prozent der Pflegebedü­rftigen werden daheim versorgt – die Hälfte davon allein von Angehörige­n, überwiegen­d von Frauen. Die Fachwelt geht davon aus, dass diese Bereitscha­ft sinkt, weil sie ein Familienmu­ster voraussetz­t, das sich vom Regelfall zur Ausnahme entwickelt. Mehr Geld, mehr Ausbildung­skapazität­en, mehr Anerkennun­g und mehr Durchlässi­gkeit bei der Anerkennun­g ausländisc­her Ausbildung­en – das sind die wesentlich­en Lösungsans­ätze. Wer genau was wann umsetzen soll, blieb bei der Anhörung aber weitgehend offen.

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