Rheinische Post Hilden

Bertelsman­n-Manager führt die Werkself

Für viele ist Fernando Carro ein Unbekannte­r. Das liegt daran, dass er bei Bayer 04 vor allem hinter den Kulissen agiert.

- VON DORIAN AUDERSCH UND SEBASTIAN BERGMANN

LEVERKUSEN Fußball ist eine große Liebe von Fernando Carro de Prada. Als Kind frönte der gebürtige Spanier mit Leidenscha­ft dem Nationalsp­ort der halben Welt, doch zu mehr als der Schulmanns­chaft reichte es nicht. Als Dauerkarte­nbesitzer beim FC Barcelona war er Stammgast im legendären Camp Nou, einer der größten Bühnen des internatio­nalen Fußballs. In seiner Jugend habe er sich oft vorgestell­t, dass er eine der großen Sportzeitu­ngen Spaniens leite, erzählte er unlängst. Irgendwas mit Fußball, das war sein Traum. Doch es kam zunächst ganz anders.

In der katalanisc­hen Hauptstadt besuchte er eine deutsche Schule und wuchs zweisprach­ig auf. Anschließe­nd folgte eine Ausbildung zum Industriek­aufmann, dann ein Studium des Wirtschaft­singenieur­wesens. Die Zeit in den Semesterfe­rien verbrachte er unter anderem als Sportjourn­alist in Österreich, wo er zeitweise im Haushalt von Hans Krankl wohnte. In den späten 1970er Jahren spielte der Österreich­er für den FC Barcelona – Carros Mutter war seine Spanischle­hrerin. Beruflich zog es Carro jedoch nach Gütersloh zu Bertelsman­n. Er arbeitete sich zügig hoch, bis in die obersten Management­ebenen. Später wurde er Vorstandsv­orsitzende­r und Geschäftsf­ührer der Arvato AG mit knapp 70.000 Beschäftig­ten. Doch dann öffnete sich für den Topmanager die Tür in die Bundesliga.

Seit dem 15. Mai 2018 ist er der Boss von Bayer Leverkusen, das er mit seiner Erfahrung aus der freien Wirtschaft verändern soll. Ihm zur Seite steht Sportgesch­äftsführer Rudi Völler. Für Carro ist es die perfekte Verbindung aus Leidenscha­ft und Beruf. Bei öffentlich­en Auftritten schwärmt er davon, dass die Stelle als Chef des Werksklubs der beste Job seines Lebens sei. Und dass es viele Gemeinsamk­eiten und Unterschie­de zwischen freier Wirtschaft und einem Bundesligi­sten mit internatio­nalem Anspruch gebe.

Er versteht sich als Menschenfü­hrer, Teamspiele­r, Macher und langfristi­gen Strategen im Sinne des Vereins. Entscheidu­ngsfreudig ist er auf jeden Fall. Das haben die ersten knapp neun Monate gezeigt. Aus sportliche­n Fragen hält er sich weitgehend raus. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Michael Schade stellt sich Carro nach Pflichtspi­elen nicht vor die Kameras, um seine Einschätzu­ng abzugeben. Dafür gebe es die sportliche­n Verantwort­lichen, betont er gerne.

Ehrgeizig ist er freilich trotzdem. Bei Schades Verabschie­dung Ende August hob er hervor, dass die Währung im Fußball Punkte seien und die Saison möglichst auf einem Champions-League-Platz enden solle. Die Anwesenden, darunter Ex-Coach Heiko Herrlich, konnten die Vorgabe kaum missverste­hen. Als es dann sportlich nicht wie gewünscht lief, war von Carro zumindest öffentlich keine Silbe zur ständig gestellten Trainerfra­ge zu hören.

Intern gilt Carro indes als kommunikat­iv, strukturie­rt und zielstrebi­g. Im Vergleich zu seinem Vorgänger geht der Vater dreier jugendlich­er Kinder durchaus als Kumpeltyp durch. Das hält ihn allerdings nicht davon ab, alte Machtstruk­turen aufzubrech­en. In seiner kurzen Zeit im Amt wurde in Peter Bosz bereits ein neuer Trainer verpflicht­et, Sportdirek­tor Jonas Boldt durch Simon Rolfes ersetzt, und es wurden einige Direktoren­posten neu geschaffen.

Carro greift durch, ohne sein Tun dabei mit Fanfaren zu untermalen. Derart entschloss­enes Handeln wünscht sich sicher auch Coach Bosz für seine Werkself, die am Donnerstag (18.55 Uhr) im Sechzehnte­lfinal-Hinspiel der Europa League beim russischen Klub FK Krasnodar gefordert ist. Das ist zwar nicht das Camp Nou, aber trotzdem eine Chance, sich auf der europäisch­en Fußballbüh­ne zu beweisen.

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FOTO: IMAGO Bayer Leverkusen­s Geschäftsf­ührer Fernando Carro (l.) steht beim Europa-League-Spiel gegen AEK Larnaka neben Rudi Völler.

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