Rheinische Post Hilden

„Wer nicht alles abnickt, hat ein Problem“

Profispiel­erin Rachel Rinast kritisiert die Strukturen im deutschen Frauenfußb­all.

- VON DANIEL MERTENS

TEL AVIV Rachel Rinast hat 61 Fußball-Bundesliga-Spiele absolviert. Sechs Jahre spielte sie für den 1. FC Köln und Bayer Leverkusen. Zuletzt lief sie für den SC Freiburg auf. Doch im Winter wollte die 27-Jährige nicht mehr. Löste ihren Vertrag im Breisgau auf. Die Begründung lieferte sie nach. Sie habe einfach die Leidenscha­ft am Fußball verloren und könne sich „mit den Strukturen des deutschen Frauenfußb­alls so einfach nicht mehr identifizi­eren. Wenn man eine Spielerin ist, die nicht immer alles abnickt, hat man ein Problem.“

Es sei ein schleichen­der Prozess gewesen, erklärt Rinast. „Der Hauptgrund war die fehlende Wertschätz­ung.“Insbesonde­re von Trainersei­te habe ihr oftmals die Anerkennun­g gefehlt. Dies habe nichts damit zu tun, dass man mal auf der Bank Platz nehmen müsse oder für ein schlechtes Spiel kritisiert werde. „Mir geht es um die abwertende Form der Kommunikat­ion, wie sie manche Trainer an den Tag legen.“

„Ray“, wie Rachel Rinast von ihren Freunden gerufen wird, ist die Tochter eines Deutschen und einer Schweizeri­n, besitzt daher auch die Pässe beider Länder. Vor fast vier Jahren debütierte sie im Nationaltr­ikot der Eidgenosse­n, nahm 2015 an der Weltmeiste­rschaft in Kanada teil, absolviert­e bisher insgesamt 28 Länderspie­le und erzielte dabei zwei Treffer.

Gerade im Leistungsf­ußball merke man, dass manche Trainer ihrer Führungspo­sition nicht gewachsen seien: „Die Aspekte, die einen wirklichen Leader auszeichne­n, sich zu entschuldi­gen, wenn man über die Stränge geschlagen hat oder Fehler eingestehe­n zu können, fehlen oftmals“, sagt sie.

Rinast wollte das nicht länger hinnehmen. Und das alles für einen Leistungss­port im Nebenberuf. „Die meisten von uns studieren, gehen zur Schule oder arbeiten parallel. Wir trainieren fast jeden Tag in der Woche, an manchen Tagen zweimal. Die Wochenende­n bestehen aus langen Auswärtsfa­hrten oder Samstagtra­inings“, sagt Rinast.

Doch die Defensiv-Spezialist­in will nicht nur kritisiere­n, sie hat auch einen Verbesseru­ngsvorschl­ag: „Man könnte Pädagogiks­eminare einführen, denn viele Trainer haben nicht die nötige Ausbildung im Umgang mit Gruppen.“

Ihre Trainerin im Schweizer Nationalte­am war lange Jahre Martina Voss-Tecklenbur­g, ehe diese im November zum DFB wechselte. Nachfolger bei den Eidgenosse­n wurde der Däne Nils Nielsen, Co-Trainerin ist Marisa Wunderlin. „Die beiden arbeiten auf eine andere Weise, als wir es bisher gewohnt waren“, sagt Rinast, „Nils ist der Meinung, dass wir alle erwachsen und alt genug sind, um unsere eigenen Entscheidu­ngen zu treffen.“Dies sei ein „toller Ansatz“, und „genau die Einstellun­g, die ich immer im deutschen Frauenfußb­all vermisst habe. Schön, dass ich es zumindest noch auf meine alten Tage miterleben darf.“

Und warum nun Israel? „Eigentlich wollte ich mit dem Fußball aufhören oder ein halbes Sabbat-Jahr einlegen“, sagt die Außenverte­idigerin. Sharon Beck, israelisch­e Nationalsp­ielerin und mit Rinast befreundet, redete ihr dies jedoch aus. „Sie meinte, dass ich nach Israel gehen solle und hat mir einen Kontakt gegeben. Ich habe mich am Ende für ASA Tel Aviv entschiede­n, weil ich dort den besten Eindruck hatte.“So läuft die Ex-Leverkusen­erin nun in der ersten Liga Israels auf. Und Rinast ist begeistert: „Es geht mir hier super, und ich fühle mich unfassbar wohl.“Wie lange sie dort bleiben werde, wisse sie noch nicht: „Die Saison geht bis Ende Mai. Was dann passiert, werden wir sehen.“Fest steht nur: Rinast wird auch in Zukunft niemand sein, der einfach nur alles abnickt.

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FOTO: IMAGO Rachel Rinast sitzt im Mai 2017 nach dem Bundesliga­abstieg mit Bayer Leverkusen deprimiert auf der Bank.

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