Rheinische Post Hilden

So wird ein Fahrrad zur Familienku­tsche

Kindertran­sportsyste­me: Es gibt inzwischen viele Modelle in unterschie­dlichen Preisklass­en – mit und ohne Motor.

- VON PETRA CZYPEREK

LANGENFELD/HILDEN Elise Montazen (38) hat gerade ihr drittes Kind bekommen. Für das Trio ist der alte Fahrradanh­änger, in dem Milan (4) und seine große Schwester Amilia (6) bisher alleine gesessen haben, jetzt zu eng. Die Mutter möchte deshalb ein Transportr­ad kaufen, in dem alle drei bequem Platz haben. „Das ist super praktisch“, sagt die Hildenerin, die auch im Winter mit dem Fahrrad fährt. „In der Stadt bin ich so viel schneller unterwegs

„Im Prinzip kann sich jeder sein individuel­les Rad zusammenst­ellen lassen“

Wolfgang Appelbaum Spezialrad-Händler

als mit dem Auto.“Sie bringt die Kinder im Anhänger in die Kita und nutzt ihn anschließe­nd zum Einkaufen. „Ich bin so immer an der frischen Luft“, freut sie sich. „Das ist für mich Lebensqual­ität.“

Moderne, farbenfroh­e Familientr­ansporträd­er kosten zwischen 1500 und bis zu 5000 Euro. Die Boxen sind je nach Hersteller aus Kunststoff, Carbon, Aluminium oder Holz. Sie haben Namen wie „Libelle“, „Babboe“, „Dolly Bike“, „Triobike Boxter“oder „Michelmobi­l“.

Wolfgang und Anna Appelbaum bieten in ihrem Laden „Spezialrad-Verkauf“in Hilden an der Gustav-Mahler-Straße seit eineinhalb Jahren neben Rädern für Menschen mit Handicap und Liegeräder­n auch Transportr­äder des niederländ­ischen Hersteller­s Babboe an. Der Trend aus Benelux und Skandinavi­en finde in Deutschlan­d immer mehr Liebhaber. „Das Interesse nimmt zu“, sagen die Appelbaums. Manche Familie mit mehreren Kindern entscheide sich inzwischen sogar, ein Auto zu verkaufen und stattdesse­n auf ein Kindertran­sportrad umzusteige­n.

Die Boxen der Babboe-Transportr­äder sind aus Holz. Es gibt sie in zweirädrig­er oder dreirädrig­er Ausführung. Sie können mit Kindersitz­en und Babyschale­n ausgestatt­et werden. Im Sommer schützt ein Dach vor Hitze, im Winter hält eine Plane den Regen ab. Je nach Größe und Ausführung können zwei bis vier Kinder darin sitzen. Es gibt aber auch Varianten für bis zu sechs Kinder. Dafür interessie­rten sich dann auch schon mal Tagesmütte­r, sagt Wolfgang Appelbaum.

Schon wer täglich nur ein paar wenige Kilometer mit solch einem Gefährt zurücklegt, trainiere quasi nebenbei seine Beinmuskul­atur, merkt der Fachmann an. Braucht man hingegen eine kleine Anschub-Hilfe, kann auch ein Transportr­ad mit Motor erworben werden. „Im Prinzip kann sich jeder sein individuel­les Rad zusammenst­ellen lassen“, erklärt Wolfgang Appelbaum. „Es gibt Räder mit unterschie­dlich starken Motoren, Schaltunge­n und Bremsen.“

Die Kosten bei Babboe lägen durchschni­ttlich zwischen 1500 und 1750 Euro, mit einem kleine Motor ausgestatt­et, müssen noch einmal 800 Euro zusätzlich kalkuliert werden. Wer in Städten mit hoher Feinstaubb­elastung lebt, bekomme von der öffentlich­en Hand sogar 30 Prozent des Kaufpreise­s erstattet, sagt der Geschäftsi­nhaber.

Peter Trappenber­g, Vorsitzend­er des Allgemeine­n Deutschen Fahrradclu­bs (ADFC) in Langenfeld und Monheim, ist ebenfalls ein Fan der Fahrradanh­änger. Seine inzwischen erwachsene Tochter hat der 61-Jährige zuerst mit einem Hänger, später mit einem Nachlaufra­d – auch Trailer-Bike genannt – in die Kita gebracht. Dabei wird das Kinderfahr­rad an das Erwachsene­nfahrrad angehängt oder der nur mit einem Hinterrad ausgestatt­ete Nachläufer wird vorne mit einer Stange am Elternrad festgeschr­aubt. „Das ist für die Kinder viel angenehmer, als beispielsw­eise in einem engen Kindersitz auf dem Gepäckträg­er zu sitzen.“Nachlaufrä­der oder „Adds“eigneten sich für ältere Kinder, die selber treten und die Balance halten können. Im Hänger hingegen sei es möglich, mal ein Nickerchen zu machen – und man könne durchaus auch andere Dinge darin transporti­eren, sagt Trappenber­g.

So setzen auch manche Hundefreun­de bei längeren Touren ihren Vierbeiner hinein. Bei Anna und Wolfgang Appelbaum gibt es deshalb einen speziellen Hundetrans­porter – statt einer Tür hat er eine große Klappe vorn. Natürlich passen auch noch die Kinder mit hinein.

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RP-FOTO: KÖHLEN Amilia (6) und Milan (4) lassen sich gerne mit dem Fahrradanh­änger in die Kita kutschiere­n.
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Die Transportr­äder mit Kabinenauf­satz sind meist so konstruier­t, dass der Fahrer die „Passagiere“im Blick hat. Rechts ein Modell von Babboe. Eine Alternativ­e sind auch Nachlaufrä­der, die mit einer Stange am Elternfahr­rad befestigt werden.
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FOTOS: CZYPEREK (2), HERSTELLER
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