So wird ein Fahrrad zur Familienkutsche
Kindertransportsysteme: Es gibt inzwischen viele Modelle in unterschiedlichen Preisklassen – mit und ohne Motor.
LANGENFELD/HILDEN Elise Montazen (38) hat gerade ihr drittes Kind bekommen. Für das Trio ist der alte Fahrradanhänger, in dem Milan (4) und seine große Schwester Amilia (6) bisher alleine gesessen haben, jetzt zu eng. Die Mutter möchte deshalb ein Transportrad kaufen, in dem alle drei bequem Platz haben. „Das ist super praktisch“, sagt die Hildenerin, die auch im Winter mit dem Fahrrad fährt. „In der Stadt bin ich so viel schneller unterwegs
„Im Prinzip kann sich jeder sein individuelles Rad zusammenstellen lassen“
Wolfgang Appelbaum Spezialrad-Händler
als mit dem Auto.“Sie bringt die Kinder im Anhänger in die Kita und nutzt ihn anschließend zum Einkaufen. „Ich bin so immer an der frischen Luft“, freut sie sich. „Das ist für mich Lebensqualität.“
Moderne, farbenfrohe Familientransporträder kosten zwischen 1500 und bis zu 5000 Euro. Die Boxen sind je nach Hersteller aus Kunststoff, Carbon, Aluminium oder Holz. Sie haben Namen wie „Libelle“, „Babboe“, „Dolly Bike“, „Triobike Boxter“oder „Michelmobil“.
Wolfgang und Anna Appelbaum bieten in ihrem Laden „Spezialrad-Verkauf“in Hilden an der Gustav-Mahler-Straße seit eineinhalb Jahren neben Rädern für Menschen mit Handicap und Liegerädern auch Transporträder des niederländischen Herstellers Babboe an. Der Trend aus Benelux und Skandinavien finde in Deutschland immer mehr Liebhaber. „Das Interesse nimmt zu“, sagen die Appelbaums. Manche Familie mit mehreren Kindern entscheide sich inzwischen sogar, ein Auto zu verkaufen und stattdessen auf ein Kindertransportrad umzusteigen.
Die Boxen der Babboe-Transporträder sind aus Holz. Es gibt sie in zweirädriger oder dreirädriger Ausführung. Sie können mit Kindersitzen und Babyschalen ausgestattet werden. Im Sommer schützt ein Dach vor Hitze, im Winter hält eine Plane den Regen ab. Je nach Größe und Ausführung können zwei bis vier Kinder darin sitzen. Es gibt aber auch Varianten für bis zu sechs Kinder. Dafür interessierten sich dann auch schon mal Tagesmütter, sagt Wolfgang Appelbaum.
Schon wer täglich nur ein paar wenige Kilometer mit solch einem Gefährt zurücklegt, trainiere quasi nebenbei seine Beinmuskulatur, merkt der Fachmann an. Braucht man hingegen eine kleine Anschub-Hilfe, kann auch ein Transportrad mit Motor erworben werden. „Im Prinzip kann sich jeder sein individuelles Rad zusammenstellen lassen“, erklärt Wolfgang Appelbaum. „Es gibt Räder mit unterschiedlich starken Motoren, Schaltungen und Bremsen.“
Die Kosten bei Babboe lägen durchschnittlich zwischen 1500 und 1750 Euro, mit einem kleine Motor ausgestattet, müssen noch einmal 800 Euro zusätzlich kalkuliert werden. Wer in Städten mit hoher Feinstaubbelastung lebt, bekomme von der öffentlichen Hand sogar 30 Prozent des Kaufpreises erstattet, sagt der Geschäftsinhaber.
Peter Trappenberg, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) in Langenfeld und Monheim, ist ebenfalls ein Fan der Fahrradanhänger. Seine inzwischen erwachsene Tochter hat der 61-Jährige zuerst mit einem Hänger, später mit einem Nachlaufrad – auch Trailer-Bike genannt – in die Kita gebracht. Dabei wird das Kinderfahrrad an das Erwachsenenfahrrad angehängt oder der nur mit einem Hinterrad ausgestattete Nachläufer wird vorne mit einer Stange am Elternrad festgeschraubt. „Das ist für die Kinder viel angenehmer, als beispielsweise in einem engen Kindersitz auf dem Gepäckträger zu sitzen.“Nachlaufräder oder „Adds“eigneten sich für ältere Kinder, die selber treten und die Balance halten können. Im Hänger hingegen sei es möglich, mal ein Nickerchen zu machen – und man könne durchaus auch andere Dinge darin transportieren, sagt Trappenberg.
So setzen auch manche Hundefreunde bei längeren Touren ihren Vierbeiner hinein. Bei Anna und Wolfgang Appelbaum gibt es deshalb einen speziellen Hundetransporter – statt einer Tür hat er eine große Klappe vorn. Natürlich passen auch noch die Kinder mit hinein.