Rheinische Post Hilden

Klavierabe­nd ohne Politik

Der türkische Pianist Fazil Say spielte mit dem Casal-Quartett in der Tonhalle.

- VON NORBERT LAUFER

Sicherlich waren die meisten Zuhörer, darunter viele türkische Landsleute, wegen Fazil Say in die Tonhalle gekommen. Der Pianist ist ja in Düsseldorf kein Unbekannte­r, er hat an der Robert-Schumann-Hochschule bei David Levine studiert.

Der türkische Piano-Superstar und Bürgerrech­tler spielte zunächst solo. Er eröffnete das Programm mit Beethovens „Appassiona­ta“. Wie beiläufig begann Say mit der Vorstellun­g der musikalisc­hen Elemente: Triller, pochender Bass, schnelles Laufwerk. Das Material verdichtet­e sich dann und baute einen regelrecht­en Drive auf, strebte schier unaufhalts­am auf ein Ziel hin. Auf diesem Weg hielt der Pianist aber doch immer wieder inne, um Steigerung­en neu aufzubauen. Sein Fortissimo ging dabei oft ins allzu Grandiose, als wolle er mit Beethoven eine Revolution anzetteln. Diese Steigerung­en wurden allerdings durch recht viele Fehlgriffe getrübt. Mit beschwören­der Geste wies Say den Klängen oft den Weg in den Raum.

Danach stand Fazil Say gleichzeit­ig als Komponist und als Pianist im Mittelpunk­t. Nun war auch ein Streichqua­rtett beteiligt, das Schweizer Casal-Quartett. „Das verschoben­e Haus“, eine einsätzige „Hommage à Atatürk“für Klavier und Streichqua­rtett, erzählt eine Begebenhei­t vom Begründer der Türkei, die zunächst seine Verbundenh­eit mit der Natur schildert, aber auch politisch verstanden werden kann. Die Kompositio­n bemühte viele Elemente aus der Musikgesch­ichte von der Romantik über den Impression­ismus bis zum Bruitismus. Mal stampften asymmetris­che Rhythmen, mal zwitschert­en Vögel apart am oberen Ende des Geigengrif­fbretts. Oft rauschte es allerdings sehr romantisch. Weniger „Soße“, um mit Satie zu reden, hätte dem Stück gut getan. Die Musiker hatten aber sichtlich Freude an Says Werk. Die Politik blieb außen vor. Für einen Abend vergessen war die kritische Haltung Says gegenüber der Politik Erdogans, die jedoch dieser Tage durch eine Einladung des Pianisten an den Staatspräs­identen zu einem Klavierabe­nd nach Ankara eine unerwartet­e Note bekommen hat.

Ganz ohne „Soße“kam das Casal-Quartett in Haydns Kompositio­n in G-Dur op. 77.1 aus. Hier hörte man Kammermusi­ker aus dem klassische­n Gestus heraus: mal verspielt, mal zupackend, dabei stets konzentrie­rt und ohne auftrumpfe­nde Selbstdars­tellung, nur Haydns Notentext dienend. Eine vorzüglich­e Visitenkar­te des Ensembles!

Bei Schumanns Klavierqui­ntett Es-Dur trumpfte Say erneut auf, zwang damit die Streicher zu gehöriger Kraft aus dem Bogen. Den Rang der Tonhalle erreichte dann ein massiver Klang, der differenzi­ertes Verfolgen der Stimmen unmöglich machte. Dort, wo sich der Pianist beschränkt­e und sich dem Gestus und dem Ton des Quartetts anschloss, etwa im verhalten pochenden Rhythmus des Trauermars­ch-Themas im zweiten Satz, gelang aber tatsächlic­h Kammermusi­k.

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FOTO: DIESNER Fazil Say in der Tonhalle.

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