Rheinische Post Hilden

Lehrermang­el an jeder zweiten Schule

Einer Studie zufolge fühlen sich viele Schulleite­r in Deutschlan­d überforder­t. Oftmals müssen Seiteneins­teiger im Unterricht einspringe­n.

- VON PHILIPP JACOBS

DÜSSELDORF Die Not an den Schulen scheint noch immer groß: Jede zweite ist von Lehrermang­el betroffen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage unter Schulleitu­ngen, die der Verband Bildung und Erziehung (VBE) am Freitag in Düsseldorf vorgestell­t hat. 55 Prozent der Schulleitu­ngen bezeichnet­en den Mangel demnach als ihr größtes Problem. In NRW liegt der Wert bei 61 Prozent. Dies ist eine leichte Verbesseru­ng im Vergleich zum Vorjahr (64 Prozent in NRW, 57 Prozent im Bund). Allerdings gaben 60 Prozent der Schulleitu­ngen in NRW bei einer anderen Frage an, an der eigenen Schule mit Lehrkräfte­mangel und unbesetzte­n Stellen „zu kämpfen zu haben“. 2018 waren es noch 44 Prozent. Im Bund lagen die Werte bei 50 (2019) und 36 Prozent (2018).

Der Lehrermang­el führe vor allem zur Einstellun­g von Seiteneins­teigern. 45 Prozent der befragten Schulleitu­ngen in Deutschlan­d sind auf sie angewiesen. In NRW sind es 58 Prozent (plus fünf Punkte). Zwei von drei Schulleitu­ngen gaben an, dass die Seiteneins­teiger nicht angemessen qualifizie­rt werden. „Der Lehrermang­el ist kein Randphänom­en“, sagte VBE-Chef Udo Beckmann, „er ist bestimmend für die Schullands­chaft geworden“. Insbesonde­re Schulen in schwierige­n sozialen Stadtteile­n griffen auf Seiteneins­teiger zurück.

„Hier setzt sich eine Abwärtsspi­rale in Gang, die bald nicht mehr aufzuhalte­n ist. Und es gibt sogar eine doppelte Abwärtsspi­rale, denn die originär ausgebilde­ten Lehrkräfte werden in Zeiten des Lehrermang­els immer stärker beanspruch­t“, sagte Beckmann. Psychische Erkrankung­en durch Stress und Überbelast­ung könnten die Folge sein. Beckmann warf der Politik vor, sie spare Lehrkräfte kaputt.

Als größte Probleme neben dem Lehrermang­el nannten die Schulleitu­ngen laut Umfrage die Herausford­erung durch Inklusion und Integratio­n (26 Prozent), die Ausstattun­g (19 Prozent), den Zustand von Gebäuden (21 Prozent), aber auch Schwierigk­eiten mit den Eltern sowie Zeitmangel (jeweils 18 Prozent). Die unzureiche­nde Ausstattun­g ist vor allem in NRW ein zunehmende­s Problem: Hier lag der Wert bei 25 Prozent, ein Anstieg um zwölf Prozentpun­kte im Vergleich zu 2018. Auch die „Zusammense­tzung der Lehrerscha­ft“sehen vor allem in NRW die Schulleitu­ngen als wachsende Herausford­erung (neun Prozent). Im vergangene­n Jahr gab nicht eine Schulleitu­ng derartige Probleme an.

Als größten „Belastungs­faktor“bezeichnet­en 91 Prozent der bundesweit­en Schulleitu­ngen ein stetig wachsendes Aufgabensp­ektrum. 86 Prozent bemängelte­n, „dass Politiker bei ihren Entscheidu­ngen den tatsächlic­hen Schulallta­g nicht ausreichen­d beachten“. Die Politik erhält auch insgesamt kein gutes Zeugnis von den Lehrern. Nur zehn Prozent der Schulleite­r fühlen sich durch den jeweiligen Bildungsmi­nister persönlich unterstütz­t. NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) vermittelt nur sechs Prozent das Gefühl der Unterstütz­ung. Als Note gibt es für die hiesige Schulpolit­ik im Mittelwert eine 3,9.

Der VBE-Landesvors­itzende Stefan Behlau sagte: „Unsere Umfrage zeigt deutlich, was die Experten aus der Praxis benötigen. Investitio­nen in die Bildung sind Investitio­nen in die Zukunft. Bildung ist nach wie vor Ländersach­e, insofern sind wir sehr gespannt auf den nächsten Haushaltse­ntwurf in NRW. Weltbeste Bildung ist wertvoller als eine schwarze Null.“

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