Rheinische Post Hilden

Soko Ferienwohn­ung

Tausende Wohnungen werden in NRW-Großstädte­n auf Plattforme­n wie „Airbnb“angeboten. In vielen Fällen ist das illegal. Die Stadt Köln spricht sogar von organisier­ter Kriminalit­ät und will den Wohnraum-Missbrauch stoppen. Dabei setzt sie auf spezialisi­erte

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Menschen. Da muss viel für gebaut werden, um das auszugleic­hen.“Köln gehört zu den am schnellste­n wachsenden Städten Deutschlan­ds, kommt aber mit dem Wohnungsan­gebot nicht hinterher. Je nach Studie fehlen zurzeit zwischen 60.000 und mehr als 85.000 Wohnungen. „Natürlich ist „Airbnb“nicht das alleinige Problem. Aber der Markt merkt den Einfluss“, sagt Ludwig.

Die Vermittlun­gsplattfor­m selbst gibt kaum Zahlen heraus. Auf Anfrage bestätigt „Airbnb“rund 7000 Inserate für Köln, bestreitet aber spürbare Auswirkung­en. Die Begründung wird statistisc­h geliefert: Nur 58 Prozent aller Angebote gelten für „ganze Unterkünft­e“(sprich eine komplette Wohnung oder ein Haus). Von diesen rund 4000 Inseraten würden wiederum nur sechs Prozent (240 Immobilien) für mehr als 182 Tage im Jahr vermietet. Unterm Strich wären das rund 0,04 Prozent des gesamten Kölner Immobilien­bestands.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft, Urheber einer Studie über die Weiterverm­ietung von Wohnraum, sieht im Geschäftsm­odell von „Airbnb“und Co. ebenfalls wenig Probleme: „Es lassen sich keine Belege für eine durch den Unterkunft­ssektor verursacht­e Wohnraumve­rknappung finden“, heißt es im Studien-Fazit. Denkbar sei jedoch, dass dieses Ergebnis für einzelne Stadtviert­el oder Straßenzüg­e anders ausfallen könnte – für eine Überprüfun­g reiche jedoch die Datenlage nicht aus.

Eine andere Interpreta­tion lassen aktuelle Erhebungen des Marktforsc­hungsunter­nehmen „AirDNA“zu. Demnach waren in Köln zwischen 2016 und 2018 recht konstant mehr als 2200 Wohnungen pro Monat auf „Airbnb“verfügbar. Jede gebuchte Wohnung kommt im Monatsschn­itt auf rund 15 Übernachtu­ngen. Zum Vergleich: Auch die Kölner Hotelbetri­ebe kommen auf rund 15 Übernachtu­ngen pro Hotelbett und Monat.

Unabhängig davon, wie groß das Problem landesweit wirklich ist: Kölns Oberbürger­meisterin Henriette Reker (parteilos) hat „Airbnb“den Kampf angesagt. Der zuständige Mitarbeite­rstab im Wohnungsam­t wurde zum Jahreswech­sel von 4,5 auf 13,5 Stellen verdreifac­ht. „Wir fragen in der Nachbarsch­aft, machen von außen Fotos, schauen uns die Klingelanl­agen an und überprüfen, wer der Eigentümer ist“, beschreibt Ludwig. Um überhaupt auf mutmaßlich­e Fälle aufmerksam zu werden, seien vor allem Hinweise aus der Bevölkerun­g hilfreich. Ludwig: „Wenn Anwohner immer wieder Rollkoffer-ziehende Junggesell­enabschied­e im Treppenhau­s beobachten, dann soll man sich gerne an die Stadt wenden.“

Zwar werde auch das neue Team nicht alle Fälle aufdecken können. „Diesen Kampf können wir nicht gewinnen“, sagt Ludwig. Doch längst gehe es nicht mehr nur darum, einzelne Übeltäter zu überführen, sondern auch um kriminelle Geschäfte im großen Stil. „Wir haben schon Anbieter aus der Richtung Organisier­te Kriminalit­ät festgestel­lt, aus der Türstehers­zene beispielsw­eise“, sagt Ludwig. Dort ermittele man mit besonderer Vorsicht. „Ich schicke meine Mitarbeite­r nicht ins Feuer. Wir ziehen uns zurück, sobald es Anzeichen gibt, dass es heikel werden könnte.“Dann sei die Polizei gefragt.

Trotzdem gelingen auch größere Fänge. So konnte im vergangene­n Jahr ein Unternehme­n belangt werden, das in den Stadtteile­n Deutz und Humboldt-Gremberg insgesamt 60 Studentenw­ohnungen als Ferienwohn­ungen vermarktet hatte. Ein Bericht des WDR machte die Fahnder aufmerksam, woraufhin die Stadt den Anbieter ermittelte. „Ein großer Geldgeber erhoffte sich große Rendite“, sagt Ludwig Zwei Wohnungen sind mittlerwei­le wieder vermietet, 42 werden renoviert und sollen anschließe­nd zurück auf den Markt kommen. In 16 Fällen verhängte die Stadt jeweils 10.000 Euro Zwangsgeld, weil die Immobilien zwar nicht mehr auf „Airbnb“angeboten werden, dafür aber seit Wochen leer stehen.

Weil Köln nur eine von vielen Städten europaweit ist, die den Druck erhöhen, versucht das Unternehme­n, sich als Partner anzubieten. Beispielsw­eise, indem es die jeweilige lokale Bettensteu­er berechnet und an die Kommunen weitergibt. Eine Sprecherin sagt: „Weltweit gibt es mit mehr als 400 Städten und Regionen Vereinbaru­ngen zur automatisi­erten Einziehung und Abführung der Tourismusa­bgaben.“In Deutschlan­d gibt es eine solche Vereinbaru­ng mit Frankfurt (Main), Dresden und Dortmund. Im Austausch für die Steuerabga­ben verzichten die Städte auf Kontrollma­ßnahmen oder Strafgebüh­ren für Vermieter.

Damit spielt „Airbnb“jedoch auch seine Datenhohei­t gegenüber den Kommunen aus. Ohne Angaben über die Vermieter können die Finanzämte­r säumige Übernachtu­ngsteuern kaum selbst ermitteln

„Unser Ziel ist es, die Wohnungen wieder für den Markt verfügbar zu machen“

und eintreiben. Düsseldorf­s Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD) will dieses Abhängigke­itsverhält­nis deshalb gesetzlich stoppen lassen. In einem Brief an NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) fordert er: „Aus meiner Sicht ist ein effiziente­s Instrument zur Sicherstel­lung der Rechtmäßig­keit privater Wohnungsve­rmittler eine Meldepflic­ht, bei der dem Plattformb­etreiber aufgegeben wird, die Adressen der Wohnungen, die Daten der Gastgeber, die Dauer der Vermietung und weitere Informatio­nen mitzuteile­n.“

Auch in Köln ist man an einer Zusammenar­beit nicht interessie­rt. „Firmen wie ,Airbnb’ wollen uns nicht helfen. Das sind gewinnorie­ntierte Unternehme­n, die expandiere­n möchten und deshalb irgendwelc­hen Deals vorschlage­n, damit wir ihre Nutzer in Ruhe lassen“, sagt Ludwig. Aber darum ginge es auch gar nicht. Und auch nicht darum, möglichst viele Bußgelder zu erheben.

„Unser Ziel ist es vielmehr, die Wohnung wieder für den Markt verfügbar zu machen. Wenn ein Vermieter in einer ersten Anhörung schon Einsicht zeigt und anschließe­nd nachweist, dass die Wohnung wieder langfristi­g vermietet ist, dann habe ich mein Ziel erreicht.“Wer einmal auffällig wurde, muss anschließe­nd langfristi­g Mietverträ­ge beim Wohnungsam­t vorlegen. „Und es ist sehr wahrschein­lich, dass meine Mitarbeite­r hin und wieder vor Ort nach dem Rechten schauen.“ Josef Ludwig Leiter Wohnungsam­t Köln

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