Rheinische Post Hilden

Hacker-Affäre: Sprecher wehrt sich

Im Parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss wurde diskutiert, ob die Landesregi­erung im vergangene­n Jahr die Öffentlich­keit in der Hacker-Affäre um Ex-Agrarminis­terin Christina Schulze Föcking manipulier­en wollte.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Rund ein Jahr nach dem vermeintli­chen Hacker-Angriff auf die frühere Agrarminis­terin Christina Schulze Föcking (CDU), der sich später als Bedienfehl­er herausstel­lte, steht die umstritten­e Kommunikat­ion der Landesregi­erung von damals auf dem Prüfstand. Wer jedoch einen reumütigen und selbstkrit­ischen Regierungs­sprecher erwartet hatte, lag falsch. Bei seiner stundenlan­gen Vernehmung im Untersuchu­ngsausschu­ss des Landtages trat Christian Wiermer stattdesse­n selbstbewu­sst auf. Er kritisiert­e die Fragestell­ungen der Parlamenta­rier so lange, bis dem Ausschussv­orsitzende­n Hans-Willi Körfges (SPD) der Kragen platzte. Der wies den Regierungs­sprecher darauf hin, dass er „hier als Zeuge und nicht als Sachverstä­ndiger“eingeladen und seine Aufgabe die Beantwortu­ng und nicht die Bewertung von Fragen sei.

Wiermer wies den Vorwurf der vorsätzlic­hen Verbreitun­g falscher Tatsachen zurück. Er präsentier­te eine überrasche­nde Interpreta­tion seiner Presseerkl­ärung vom 16. März 2018, in der er von „offenkundi­g kriminelle­n Eingriffen in die Privatsphä­re“der Ex-Ministerin berichtet hatte. Darin ging es um einen vermeintli­chen Hacker-Angriff auf das private Netzwerk Schulze Föckings am Vorabend, der sich kurz darauf als Bedienfehl­er herausgest­ellt hatte. Dennoch sprach Wiermer unter Berufung auf Ermittlung­sbehörden damals von Versuchen, auf persönlich­e Daten der Ministerin zuzugreife­n, die „mindestens teilweise (...) auch erfolgreic­h“gewesen sein sollten. Ermittler sagten in dem Ausschuss aus, dass es für eine solche Erklärung keine Grundlage gegeben habe. Das – aus Sicht der Opposition angestrebt­e – Ergebnis war eine Solidaritä­tswelle zugunsten Schulze Föckings, die wegen ihrer Amtsführun­g massiv in der Kritik stand.

Am Freitag erklärte Wiermer nun überrasche­nd, die Presseerkl­ärung habe sich nicht alleine auf den vermeintli­chen Hacker-Angriff bezogen. Mit der Formulieru­ng „offenkundi­g kriminelle Eingriffe in die Privatsphä­re“sei ein anderer Vorgang gemeint gewesen. Nämlich die – auch heute noch unbestritt­ene – Tatsache, dass die Ministerin Opfer übelster Beschimpfu­ngen und Drohungen im Internet und in Messenger-Diensten gewesen sei. Davon aber war in seiner damaligen Erklärung keine Rede.

Auch von der Tatsache, dass fast alle Berichters­tatter die Erklärung Wiermers als Bericht über einen „Hacker-Angriff“auf die Ministerin zusammenge­fasst haben, war Wiermer wenig begeistert. Schließlic­h habe er diesen Begriff nicht verwendet. Ex-Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) fragte: „Wie kann es dann sein, dass die Medien und die Öffentlich­keit Ihre Medienarbe­it völlig anders bewerten als Sie selbst?“Wiermer erklärte, die von ihm übermittel­ten Informatio­nen hätten jeweils den von den Ermittlung­sbehörden berichtete­n Sachstand wiedergege­ben. Als es um seinen persönlich­en Umgang mit berichtend­en Journalist­en in diesem Zusammenha­ng ging, häuften sich bei Wiermer die Erinnerung­slücken.

Auch als der Landesregi­erung längst klar war, dass die Ermittler nicht mehr von einem Hacker-Angriff ausgingen, nahm Schulze Föcking noch in aller Landtagsöf­fentlichke­it Solidaritä­tsbekundun­gen

entgegen, ohne dass irgendein Mitglied der Landesregi­erung widersprac­h. Warum Wiermer selbst seine Presseerkl­ärung nicht spätestens da korrigiert­e, erklärte er so: Einerseits habe die Pressehohe­it bei der ermittelnd­en Staatsanwa­ltschaft gelegen, anderersei­ts sei die Informatio­n über die neuerliche Einschätzu­ng der Ermittler von der Ministerin als Betroffene­r zu erwarten gewesen.

Der Chef der Staatskanz­lei, Nathanael Liminski (CDU), stellte sich im Anschluss hinter Wiermer. Die Pressearbe­it sei mit ihm abgestimmt gewesen. Auch NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet war offenbar früh informiert. Die Presseerkl­ärung sei auf der Grundlage von der Staatskanz­lei damals vorliegend­en, polizeilic­hen Formulieru­ngen gerechtfer­tigt gewesen. Frank Hoever, LKA-Chef, erklärte: „Es sprach erst ganz viel dafür, dass hier eine Straftat

im Raum stand.“

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FOTO: DPA Christina Schulze Föcking (CDU) war nur knapp zehn Monate Landwirtsc­haftsminis­terin in NRW.
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FOTO: DPA Regierungs­sprecher Christian Wiermer (li.) und Staatskanz­leichef Nathanael Liminski.
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