„Unsere Wahl hat für die SPD natürlich erhebliche Bedeutung“
Das Rennen um die Bremer Bürgerschaftswahl ist denkbar knapp. Gewinnt Bürgermeister Sieling nicht, könnte das auch in Berlin ein Beben auslösen.
Herr Sieling, die SPD regiert in Bremen seit 74 Jahren ununterbrochen. Wie gehen Sie mit dem historisch gewachsenen Druck um?
SIELING Ich glaube, dass jeder Amtsinhaber bei jeder Wahl so etwas spürt. Die sehr lange Erfolgsgeschichte der SPD in Bremen erhöht den Druck nicht für mich, noch einmal gewinnen zu müssen. Wir haben eine gute Bilanz und gehen zuversichtlich in den Wahlkampf.
Alle bisherigen Umfragen zeigen ein Kopf-anKopf-Rennen mit Ihrem CDU-Herausforderer Carsten Meyer-Heder. Sind Effekte im Bund schuld daran, dass Ihr Vorsprung geschmolzen ist? SIELING Ja, das hat natürlich auch viel mit der bundesweiten Lage der SPD zu tun. Die letzte Umfrage bei uns wurde zu einer Zeit gemacht, als die Bundes-SPD bei 15 Prozent lag. Wir haben mit 24 Prozent den üblichen Abstand zum Bund halten können, trotzdem ging es insgesamt bergab.
Sie sehen in Ihrem Handeln als Bürgermeister keine Gründe für die schlechten Werte?
SIELING Moment, Sie haben eben nach den Effekten im Bund gefragt. Natürlich gibt es auch Gründe bei uns für die geringere Zustimmung. Seit Ende der 1980er Jahre fährt Bremen wegen der Auflagen im Geflecht der Bund-Länder-Finanzen einen harten Sparkurs. Für die Menschen in Bremen und Bremerhaven waren das harte Jahre.
Was würde ein rot-rot-grünes Bündnis bei Ihnen für die späteren Wahlen im Osten bedeuten?
SIELING Ich kann mir kaum vorstellen, dass unsere Koalitionsbildung Auswirkungen auf die Abstimmungen in den ostdeutschen Ländern hätte. Aber unsere Wahl bildet mit der Europawahl den Auftakt in diesem Jahr und hat für die SPD natürlich erhebliche Bedeutung.
Im Willy-Brandt-Haus hat man die klare Erwartung an Sie, die große Schmach einer Wahlniederlage abzuwenden. Wird Ihnen das so klar gesagt aus der Parteispitze? SIELING Ich erfreue mich großer Unterstützung für den Wahlkampf von Andrea Nahles, Olaf Scholz und anderen führenden Sozialdemokraten. Das Sozialstaatskonzept, zu dem ich meinen Beitrag geleistet habe, gibt uns in Bremen Rückenwind.
An diesem Samstag soll bei der Verabschiedung des SPD-Europawahlprogramms auch über Artikel 13 abgestimmt werden. Haben Sie Verständnis für die Aufregung darum? SIELING Ja. Artikel 13 darf in dieser Form nicht kommen. Die vorgesehenen Uploadfilter sollten nicht zur Anwendung kommen. Das ist für uns als SPD klar.
Katarina Barley ist als Justizministerin für Uploadfilter und als SPDSpitzenkandidatin dagegen. Was gilt?
SIELINGIch glaube, dass auch die Union erkennen sollte, dass der Artikel 13 mit drohenden Filtern nicht mehrheitsfähig in der Bevölkerung ist. Katarina Barley wird das in ihrer Doppelrolle deutlich machen.
Sie streiten mit Olaf Scholz über die Fortführung der Flüchtlingsfinanzierung. Hätten Sie den Sparkurs von Ihrem Parteifreund erwartet? SIELING Da agiert der Bundesfinanzminister in einem enger werdenden Haushalt. Aber er setzt an der Stelle die eindeutig falsche Priorität. Wir brauchen weiterhin die Unterstützung vom Bund in der bisherigen Größenordnung. Das haben wir ihm als Ministerpräsidenten unmissverständlich klargemacht und in dieser Woche noch einmal wiederholt. Aber die Kosten sind doch gerade für die Länder leicht zurückgegangen. Überziehen Sie nicht mit Ihrer Forderung?
SIELING Nein, die 4,7 Milliarden Euro sind ganz sicher nicht überzogen. Wir müssen das Geld an die Kommunen weiterleiten, die die hohen Anforderungen an die Integration der Flüchtlinge erfüllen. Die Integration ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Nach wie vor tragen Kommunen und Länder den weit überwiegenden Teil der finanziellen Lasten. Der Bund muss sich seiner Verantwortung stellen und darf sich nicht in die Büsche schlagen. Die Länder werden schon in den kommenden Wochen mit Olaf Scholz darüber reden.