Rheinische Post Hilden

Leipziger Buchmesse: Proteste gegen rechte Verlage

- VON LOTHAR SCHRÖDER

LEIPZIG Gefeiert wird es wie ein kleiner Sieg der Demokratie: dass auf der Leipziger Buchmesse der rechte Verleger Götz Kubitschek mit „Antaios“wie auch die „Junge Freiheit“diesmal nicht vertreten sind. Die hatten eine Woche vorher ihre eigene kleine Messe abgehalten: im Haus der Identitäre­n in Halle. Verboten hatte man den „Antaios“-Verlag – der vor zwei Jahren mit dem Essay „Finis Germania“aus dem Nachlass des Historiker­s Rolf Peter Sieferle einen Bucherfolg landen konnte – allerdings nicht. Der Verzicht war freiwillig.

Dennoch wird viel über Rechtslast­iges und Populistis­ches diskutiert. Da ist vor allem das Aktionsnet­zwerk „Leipzig liest weltoffen“, das auf der Messe einen eigenen Stand hat und sich gleich zu Beginn auf dem Augustuspl­atz mitten in der Stadt mit einer Demo zu Wort meldete - nicht sehr laut, doch vernehmlic­h: „Keinen Regalmeter für Faschismus“, forderten knapp 150 Aktivisten, die dem Aufruf von Jusos, Grünen, Linken und Gewerkscha­ften gefolgt waren.

„Literarisc­h“präsent ist die rechte Szene mit „Compact“weiterhin; am Stand bewirbt Chefredakt­eur Jürgen Elsässer höchstpers­önlich das „Magazin für Souveränit­ät“. Das Themenange­bot reicht von der „Öko-Diktatur der Grünen: Kein Volk. Kein Recht. Kein Diesel“, vom Islam als eine „Gefahr für Europa“bis hin zu den vermeintli­ch klügsten und tapfersten „Deutschen Frauen“der vergangene­n 2000 Jahre. Der „Compact“-Stand ist in einer Ecke von Halle 3 platziert. Laufpublik­um ist praktisch ausgeschlo­ssen. Wer am Stand steht, hat ihn auch gesucht.

Möglicherw­eise haben die massiven Proteste aus dem Literaturb­etrieb zumindest vorübergeh­end Wirkung gezeigt. In einem Offenen Brief wünschen sich Studierend­e des Deutschen Literaturi­nstituts „die Leipziger Buchmesse als einen Ort ohne Platz für jene, die den Begriff der Meinungsfr­eiheit als Entschuldi­gung für Diskrimini­erung verwenden“.

Nach ihren Worten sei die „Vorstellun­g einer unmittelba­ren ästhetisch­en Autonomie so falsch wie gefährlich“. Nun zeigte das klassische Buchmessen-Publikum ein bestenfall­s überschaub­ares Interesse an der populistis­chen Ware. Doch als Plattform zur Verbreitun­g von Ideologien ist die Leipziger Buchmesse ideal, zumal traditione­ll sämtliche Schulklass­en der Umgebung dorthin fahren.

Kritik hatte es von Vertretern der neuen Rechten schon an der Eröffnungs­feier gegeben, die ihrer Meinung nach zu Russland-kritisch gewesen sei. Das war vorhersehb­ar mit der Ehrung von Masha Gessen, der in New York lebenden Exil-Russin. Ihr Buch „Die Zukunft ist Geschichte“ist eine grandiose, persönlich­e und desillusio­nierende Abrechnung mit Putins Russland. „Literatur ist politisch. Literatur wird durch Politik möglich, und Literatur macht Politik möglich“, sagte uns die 52-Jährige gestern im Interview. Ein einfacher, also kluger Hinweis auch für die Zukunft.

Die nächste Buchmesse kommt bestimmt.

INFO Masha Gessen: „Die Zukunft ist Geschichte“. Suhrkamp, 640 Seiten, 26 Euro

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