Rheinische Post Hilden

„Facebook ist mächtiger als Wahlplakat­e“

Hommels investiert­e früh in Facebook, Spotify und Airbnb. Trotzdem fordert er von der EU mehr Regulierun­g.

-

ZÜRICH Der Name Klaus Hommels wird bei vielen wohl eher Achselzuck­en auslösen – und das ist dem 52-Jährigen gar nicht so unrecht. Hommels legt nicht viel Wert auf Popularitä­t, auf der Internetse­ite seiner Investment­firma Lakestar finden sich nicht mal Telefonnum­mer oder E-Mail-Adresse. Warum auch? Er investiert­e früh in Unternehme­n wie Facebook, Airbnb oder Spotify, kleine Start-ups, aus denen Milliarden­unternehme­n wurden. Seitdem ist er in der Gründersze­ne eine Legende.

Herr Hommels, gerade haben Sie einen 800-Millionen-Dollar-Fonds aufgelegt, mit dem Sie in Start-ups investiere­n. Stimmt es, dass Sie Ihr erstes Investment am Niederrhei­n getätigt haben?

HOMMELS Das stimmt. Meine Oma hat mir als Jugendlich­er irgendwann mal 20.000 DM zum Investiere­n gegeben. Ich habe mir damals Puma-Aktien gekauft und innerhalb von drei Monaten hatte ich 100.000 Mark beisammen. Da dachte ich mir: Ok, das ist ja eine dufte Sache. Mit zwei Telefonanr­ufen hunderte Jahre Taschengel­d – das lohnt sich.

Heute vertrauen Ihnen Leute wie Alibaba-Gründer Jack Ma Millionen an. Wie überredet man die? HOMMELS Am Ende des Tages waren es unheimlich viele glückliche Zufälle. Wenn man ein-, zweimal bei Investment­s Glück gehabt hat, denken die Leute, man weiß, was man tut – und dann wird es immer einfacher. Inzwischen können wir bei Lakestar mit ein bisschen Anstrengun­g bis zu 200 Millionen pro Start-up investiere­n. Das ist ja auch nötig.

Inwiefern?

HOMMELS Ich möchte, dass die guten europäisch­en Firmen auch europäisch finanziert sind – oder dass zumindest im Aufsichtsr­at eine starke europäisch­e Machtposit­ion bleibt. Sonst entscheide­n dort nur noch Amerikaner oder Chinesen. Dabei brauchen wir diese Firmen hier.

Ist es nicht das gleiche, wenn Ihr Fonds Gelder von Jack Ma oder dem Staatsfond­s aus Singapur anlegt? HOMMELS Nein. Die Hälfte der Investoren in unserem neuen Fonds kommt aus Europa.

Wann ist Ihnen aufgefalle­n, dass das Ungleichge­wicht stärker wird? HOMMELS Die ersten großen Finanzieru­ngsrunden gab es in Europa ja erst um das Jahr 2012 herum. Irgendwann war klar, dass wir gewisse Runden noch nicht mitgehen konnten, umgekehrt habe ich gesehen, dass stattdesse­n immer ausländisc­he Investoren zum Zuge kamen. Heute ist das nicht anders – die großen Runden machen immer die gleichen ausländisc­hen Investoren.

Wie viel Geld wäre denn nötig? HOMMELS Die richtig großen Startups haben im Schnitt 2,2 Milliarden Dollar von Investoren bekommen, bei Start-ups, die es an die Börse geschafft haben, waren es im Schnitt immer noch 250 Millionen Dollar. Wenn wir diese Größenordn­ungen nicht anpeilen, werden wir auch keine großen Digitalunt­ernehmen bekommen, ganz einfach.

Woher kommt das Geld in den USA? HOMMELS Dort gibt es Hochschule­n wie Stanford, die Milliarden-Vermögen verwalten und in Risikokapi­tal-Fonds investiere­n, dazu noch Pensionska­ssen und Versicheru­ngen. Das gibt es in Europa nicht. Um das Rad hier in Bewegung zu setzen, müssen wir deshalb einen staatliche­n Anschub geben. Im Gegensatz zu der Förderung fossiler Brennstoff­e und Co. wäre das sogar eine Finanzieru­ng, die sich am Ende rechnet und auch noch Gewinne bringt.

Wenn Wirtschaft­sminister Peter Altmaier sagt, wir müssen Schlüsselu­nternehmen wie Siemens stärken, würden Sie also sagen: Richtiger Ansatz, aber falsche Industrie? HOMMELS Ich würde es anders formuliere­n. Der Effekt, den Risikokapi­tal erzielt, ist für einen Politiker in seiner Wahlperiod­e weniger relevant als wenn er hingegen eine Industrie mit hunderttau­senden Arbeitsplä­tzen unterstütz­t. Letzteres hat direkt einen wahlkampfr­elevanten Effekt. Das ist das Problem.

Müssen es am Ende Steuergeld­er sein? Es gibt ja auch genügend Milliardär­e in Europa, die Anlagemögl­ichkeiten für ihr Geld suchen. HOMMELS Theoretisc­h richtig, aber die meisten Reichen in Europa legen ihr Geld traditione­ll sehr konservati­v an. Das wandelt sich langsam, aber wir haben keine Zeit, um diese Entwicklun­g abzuwarten. Wenn wir jetzt noch fünf bis sechs Jahre den digitalen Autisten spielen, ist ziemlich viel an uns vorbeigega­ngen.

Es heißt, Sie erkennen große Trends früher als andere. Wie identifizi­eren Sie interessan­te Unternehme­n? HOMMELS Es muss immer einen Wow-Effekt geben. Auch wenn man dann mal Geld verliert, weil man mit einer Idee zu früh am Markt ist, ist das ok. Wenn man das nicht machen würde, wäre man am Ende auch nicht an den Dingern beteiligt, die durch die Decke gehen.

Ist Facebook ein Unternehme­n, wo Sie anfangs „Wow“gedacht haben und jetzt nur „Oh Gott“denken? HOMMELS Als ich 2007 eingestieg­en bin, war an das alles noch nicht zu denken. Erst nach dem Börsengang, als wir verkauft haben, sah man so richtig, wo die Reise hingeht.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat angekündig­t, die Privatsphä­re der Nutzer künftig in den Mittelpunk­t zu stellen.

HOMMELS Er hat auch der EU gesagt, dass es technisch nicht möglich sei, die Daten von Whatsapp und Facebook zusammenzu­legen – Überraschu­ng, dann haben sie es doch hingekrieg­t. Das ist ein Beispiel dafür, wie die großen Tech-Firmen ihre Glaubwürdi­gkeit verwirkt haben.

Ist Facebook gefährlich für Europa? HOMMELS Der Facebook-Algorithmu­s ist viel mächtiger als alle Wahlplakat­e, die man an Bäume nagelt. Wenn man da nicht als Staat hart eingreift, riskiert man die politische Willensbil­dung im eigenen Land. Wohin das führt, haben wir in England und den USA gesehen. Im Grunde dürfen wir keinen Tag mehr warten.

Die EU geht inzwischen immerhin härter gegen diese Firmen vor – das zeigt die Strafe gegen Google, oder? HOMMELS Ich finde es richtig, dass wir als Europa Zeichen setzen und unsere Autonomie und fairen Wettbewerb­e sicherstel­len. Es ist traurig, dass Strafen dafür nötig sind – aber wenn es nicht anders geht, müssen wir es so machen.

Als Investor profitiere­n Sie von mächtigen Plattforme­n, als Bürger sind Sie besorgt. Ein Dilemma? HOMMELS Das sehe ich nicht so, mir ist eine ausgewogen­ere Wettbewerb­slandschaf­t als Investor viel lieber. Die Polarisier­ung der Macht hilft kleineren Firmen ja auch nicht. Mir ist wichtig, dass die Plattforme­n nicht missbräuch­lich genutzt werden. Wir brauchen einfach gleiche Bedingunge­n für alle. Wir kämen ja auch nicht auf die Idee, auf deutschen Autobahnen nur BMW, VW und Mercedes fahren zu lassen – und französisc­he Autos nicht. Wir brauchen dazu eine intelligen­te Regulierun­g.

 ?? FOTO: FLORIAN RINKE ?? Das Büro von Lakestar-Gründer Klaus Hommels (52) liegt direkt am Zürichsee. Doch inzwischen steht das Gebäude fast leer und soll bald saniert werden. Auch der Investor und seine Mitarbeite­r werden daher bald umziehen.
FOTO: FLORIAN RINKE Das Büro von Lakestar-Gründer Klaus Hommels (52) liegt direkt am Zürichsee. Doch inzwischen steht das Gebäude fast leer und soll bald saniert werden. Auch der Investor und seine Mitarbeite­r werden daher bald umziehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany