Rheinische Post Hilden

Präsident ohne Hausmacht

Es wird einsam um Reinhard Grindel. Im Präsidium des DFB soll es bereits mächtig gekracht haben.

- VON GIANNI COSTA

FRANKFURT/M. Die politische Agenda von Reinhard Dieter Grindel lässt sich recht vollständi­g in 21 Buchstaben zusammenfa­ssen. In der richtigen Reihenfolg­e ergibt sich daraus: Reinhard Dieter Grindel. Er ist Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der mächtigste Vereinsfun­ktionär hierzuland­e. Das lässt er gerne alle wissen. Neulich war Grindel auf einer Staatsreis­e – so zumindest inszeniert er seine Termine an der Basis. Da erzählt er dann mit Vorliebe von der großen weiten Welt. Und wen er alles so kennt. Mit der Bundeskanz­lerin, verrät er gern, ist er jedenfalls im Austausch. Vielleicht war das sein größter Antrieb, das Amt beim DFB anzustrebe­n – auf Augenhöhe sein mit den Mächtigen.

In Berlin hat Grindel, 57, einen ersten Anlauf gemacht. Nach seiner Zeit als Leiter des Landesstud­ios Brüssel beim ZDF wechselte er in die Politik. Von 2002 bis 2016 saß er mit CDU-Parteibuch im Bundestag. Grindel gehörte zum stramm konservati­ven Lager. Kein „Wir-schaffen-das“-Typ, sondern ein Zaunbauer, ein Abschotter. Alte Weggefährt­en schmunzeln, wenn ausgerechn­et Grindel als DFB-Präsident die gesellscha­ftliche Bedeutung von Integratio­n propagiert. Es ist seine Aufgabe, allen Mitglieder­n im mit mehr als sieben Millionen Mitglieder­n größten Fachverban­d der Welt das Gefühl von Heimat zu bieten: egal, ob sie Michael, Murat oder Melanie heißen.

In Berlin war irgendwann die Karrierele­iter zu Ende. Es soll Überlegung­en gegeben haben, aber das politische Berlin ist erbarmungs­los. Ein, zwei falsche Positionie­rungen und man ist runter vom Karussell der Ambitionie­rten. Merkel, so heißt es, wusste jedenfalls nichts mit ihm anzufangen. Grindel war nur einer von vielen, am Ende ein Hinterbänk­ler. Spätestens da muss der Plan B gereift sein.

Es ist noch gar nicht so lange her, da hat man sich beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) mal wieder einen Neuanfang verordnet. Die Aufräumarb­eiten nach dem Finanz-Skandal ums sogenannte Sommermärc­hen 2006 haben die Aufstellun­g beim Verband mächtig durcheinan­dergewirbe­lt. Und sie haben Karrieren ermöglicht wie die von Reinhard Grindel. Seine Inthronisi­erung als DFB-Präsident vor drei Jahren war dem Umstand geschuldet, dass es keine Alternativ­e gab. Und so wurde er in die Verantwort­ung gespült. Reinhard Koch, der mächtige Vertreter aus Süddeutsch­land, hatte sich mit dem Profilager verkracht. Die Vertreter der Spitzenklu­bs pochten auf einen „frischen“Kandidaten. In Ermangelun­g eines eigenen Vorschlags wurde ihnen Grindel vom gut organisier­ten Amateurlag­er vor die Nase gesetzt. Die DFL knurrte, aber griff nicht ein. Das Knurren wird immer lauter.

Vor dem Länderspie­l zwischen Deutschlan­d und Serbien ist das Präsidium des DFB zu einer Sitzung zusammenge­kommen. In dem Gremium soll es gewaltig gekracht haben. Der „Kicker“hatte zuerst über mögliche Disharmoni­en berichtet. Grindel wurden demnach massive Kommunikat­ionspannen in Zusammenha­ng mit der Entscheidu­ng von Joachim Löw, Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng aus der Nationalma­nnschaft zu schmeißen, vorgeworfe­n. Grindel hatte Löw zunächst sehr deutlich kritisiert, ehe er zurückrude­rte und dem Trainer den Rücken stärkte. Davor hatte indes Löw schon klargestel­lt, dass er sich mit allen relevanten Personen vorher ausgetausc­ht habe. Grindel gehörte nicht dazu. Warum wurden diese Informatio­nen nach außen gesteckt? Wer hat ein Interesse daran, Grindel im Regen stehen zu lassen?

Fest steht: weitere Aufregerth­emen (Oliver Bierhoff mit FCBayern-Schal beim Champions-League-Spiel gegen Liverpool auf der Bühne und die Frage, wer die „Bild“über die Ausbootung der drei Nationalsp­ieler informiert­e) sind so in den Hintergrun­d geraten.

Grindel hat keine ausreichen­de Hausmacht, um sich intern zu wehren. Er genießt es, bei den Großen dabei sein zu dürfen, den Verantwort­lichen der Nationalma­nnschaft und der Bundesliga. Für die Großen ist er aber ein ganz Kleiner, der nur mitspielen darf, weil er den Ball mitgebrach­t hat. Grindel reagiert zunehmend dünnhäutig­er. Als ihn ein Journalist der „Deutschen Welle“vor laufender Kamera ein paar zu unliebsame Fragen stellte, brach Grindel das Gespräch wütend ab. Es ist einer der wenigen Momente, in denen er öffentlich die Kontrolle verloren hat. Wenn keine Kamera läuft, so beschreibe­n ihn hochrangig­e Kräfte beim DFB, aber auch Politiker, ist er jemand mit äußerst kurzer Zündschnur.

Grindel, zuvor kurz Schatzmeis­ter des Verbands, hat einen beachtlich­en Schlingerk­urs hinter sich. Viele Positionie­rungen hat er aufgegeben, bevor ein Hauch von Gegenwind überhaupt aufkommen konnte. In den Sozialen Netzwerken inszeniert er sich als Privatpers­on und Funktionär mit profession­eller Unterstütz­ung einer Agentur. Kümmerer. Zuhörer. Macher.

Nach den rassistisc­hen Vorfällen während des Länderspie­ls gegen Serbien, drei Zuschauer sollen den Nationalsp­ieler Leroy Sané als „Neger“beschimpft haben, gibt es keinen eigenen Kommentar von ihm, sondern nur einen Beitrag des Verbands. Es hätte durchaus die Möglichkei­t gegeben, sich deutlicher gegen Rassismus zu positionie­ren. Wenn man es denn will.

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FOTO: DPA Immer recht freundlich: DFB-Präsident Reinhard Grindel vor einem DFB-Pokalfinal­e in den Räumen für besonders wichtige Gäste im Berliner Olympiasta­dion.

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