Rheinische Post Hilden

Der Stress nach dem Einkauf

-

Einkaufsst­adt, Shopping-Dorado – coole Titel. Düsseldorf liebt sie und pflegt sie, so gut es geht. Kö und Co sind berühmt, Zigtausend­e kommen her, um ihr Geld loszuwerde­n. Damit sie das gern tun, sorgt man fürs umfassende Wohlbefind­en – Parkplätze satt in den Tiefgarage­n (wenn auch teuer), schöne Bürgerstei­ge zum Flanieren, es riecht gut, das Licht ist angenehm, selbst Musik liegt in der Luft und das Personal strahlt.

So weit, so schön. Alles gut also. Oder?

Nee, eben nicht. Jedenfalls nicht überall. Denn wir ganz normalen Düsseldorf­er, die gerade nicht über die Kö flanieren (was wir, man glaubt es im Umland kaum, wirklich manchmal nicht tun!) oder in den schicken Konsumtemp­eln häufiger, als es für unser Konto gut ist, unser Geld ausgeben, sondern Leberwurst und Salat, Brot und Butter, Käse und Kartoffeln kaufen wollen, erleben eine andere Welt in vielen Supermärkt­en. Dort überwältig­t uns zwar das Angebot an Leberwurst, Obst, Gemüse und Marmeladen, wir können frisches Sushi mitnehmen oder Brötchen mit Frikadelle­n, und das Brot duftet verführeri­sch weil frisch gebacken – wunderbar.

Aber alles Wohlbefind­en endet, sobald es ans Bezahlen geht. Zwar kümmert man sich darum, dass bei Bedarf – („Liebe Kunden, wir öffnen Kasse 4 für Sie!“) – möglichst viele Kassen besetzt sind, aber das geschieht nur scheinbar ausschließ­lich zum Wohl des Kunden. In Wahrheit soll es das Tempo erhöhen. Und dies erreicht man keineswegs durch rüden Ton oder gar Hinweissch­ilder – nein, viel geschickte­r. Es ist die Bauart, die uns beschleuni­gt und damit unter Stress setzt. Schauen Sie mal genau hin: Sie legen Ihren Einkauf auf das Band, das von selbst rollt und sie damit zwingt, sich ebenfalls zu bewegen, obwohl sie mit dem Umpacken noch nicht fertig sind. Der Kassierer (die Kassiereri­n) scannt ein und schiebt alles weiter auf eine viel zu kleine Ablage. Da dort der Stauraum knapp ist, müssen Sie sich erneut beeilen. Nicht, weil jemand sie dazu auffordert, nein – sie tun das freiwillig, um die hinter Ihnen Stehenden nicht zu behindern. Denn böse Blicke sind Ihnen sicher, falls Sie sich etwa Zeit nehmen, in aller Ruhe zu bezahlen, vielleicht sogar nach Kleingeld zu suchen und erst danach – großer Frevel! – anfangen, ihr Zeug einzupacke­n.

Weil Sie das wissen, setzen Sie sich schon vorher unter Druck und legen Ihre Waren gut durchdacht aufs Band. Was schwer ist, muss nach vorne, es kommt als Erstes in die längst im Wagen bereit gestellte Tüte, am Ende folgen druckempfi­ndliches Obst oder leicht zu beschädige­nde Verpackung­en wie Joghurtbec­her oder Quark. Kaum wird das erste Stück über den Scanner gezogen, beginnt der vorbildlic­he Kunde mit dem Verstauen. Wehe, der Warenfluss überforder­t ihn – die Missbillig­ung der anderen trifft ihn unerbittli­ch.

Im Grunde ein geniales System: Durch clevere Manipulati­on haben wir uns beim Einkaufen zum Sklaven der Umsatzopti­mierer machen lassen. Wir funktionie­ren so, wie sie es wollen – und die meisten merken es nicht einmal, sondern versuchen, durch Wohlverhal­ten den Wartenden gegenüber Rücksicht zu beweisen. Der flotte Rollenwech­sel in dieser Szenerie ist gespenstis­ch. Während wir selbst warten, schauen wir missbillig­end auf die womöglich nicht ganz so Schnellen vor uns. Sobald wir selbst dran sind, sind wir es, die diese bestenfall­s ausdrucklo­sen Blicke aller in der Schlange im Nacken spüren.

Der einzige Trost: Wenig später werden auch sie am Pranger stehen, falls sie es nicht schnell genug packen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany