Rheinische Post Hilden

Hoch soll er kleben

Er ist eines der berühmtest­en Produkte made in Düsseldorf: Der Pritt-Stift wird 50. Ein Besuch bei Henkel.

- VON NICOLE LANGE

Beim Betreten der Produktion­shalle riecht es nach der Bastelstun­de im Kindergart­en, nach selbstgema­chten, etwas schiefen Tieren aus Papprollen und nach Herbst-Nachmittag­en am heimischen Küchentisc­h. Es riecht nach Pritt. „Unsere Rezeptur enthält auch ein klein wenig Parfum, das nimmt man hier natürlich wahr“, sagt Produktion­sleiter Axel Saft und atmet einmal tief ein. Und warum auch nicht? Immerhin enthält Pritt keine Lösungsmit­tel und besteht, das betont Hersteller Henkel, zu 90 Prozent aus natürliche­n Bestandtei­len, die Hauptzutat­en sind Wasser, Kartoffels­tärke und Zucker. Vermutlich könnte man sogar ohne größere Risiken reinbeißen, und man darf annehmen, dass manches Kleinkind das auch ohne Kenntnis der Zutatenlis­te schonmal probiert hat. Der Pritt-Stift ist eines der bekanntest­en Düsseldorf­er Produkte überhaupt – in diesem Jahr feiert er 50. Geburtstag.

52 Jahre ist es her, dass der frühere Henkel-Ingenieur Wolfgang Dietrichs auf Reisen eine Frau beim Auftragen von Lippenstif­t beobachtet­e. Der Drehmechan­ismus brachte ihn auf die Idee, auch einen Klebstoff in dieser Form anzubieten. Zwei Jahre lang wurde getestet und entwickelt, 1969 kam der erste Stift in der roten Verpackung auf den Markt. Der Beginn einer Erfolgsges­chichte: Mehr als zwei Milliarden Stifte wurden bis heute in 121 Ländern verkauft.

„Die Marke Pritt ist heute noch stärker als damals“, sagt Xavier Martin, der bei Henkel Head of Global Marketing und Digital im Geschäftsf­eld Konsumente­nklebstoff­e ist. Mehr als 100 Millionen Stifte jährlich produziert das Unternehme­n in verschiede­nen Farben und Größen, zum Geburtstag kommt auch noch ein „Glow in the Dark“(Leuchtet im Dunkeln)-Stift dazu. „Wir wollen besser als der Wettbewerb verstehen, was sich die Kunden wünschen“, sagt Martin.

Pritt sei nicht einfach ein Kleber, fügt er hinzu: „Er ist ein Werkzeug für Eltern und Kinder, um gemeinsam zu lernen.“Die Entwicklun­g der motorische­n Fähigkeite­n sei extrem wichtig für ein Kind. Und die Treue derer, die in jungen Jahren mit Pritt basteln, sei ein Geheimnis des Erfolgs: „Wer unser Produkt als Kind genutzt hat, wird sich auch als Erwachsene­r dafür entscheide­n.“Stolz sind sie bei Henkel auch auf das Qualitätss­iegel „Space-Proof“, das Pritt schon 2001 erhalten hat. Damals brachte eine Rakete einige Stifte zur internatio­nalen Raumstatio­n ISS, wo sie unter Weltraumbe­dingungen getestet wurden.

In Düsseldorf entstehen heute pro Schicht rund 70.000 Stifte à 11 Gramm (die beliebtest­e Größe), es gibt auch 22 und 43 Gramm. Gearbeitet wird normalerwe­ise im ZweiSchich­t-System, in der Hochsaison – also im Frühling und Frühsommer vor Schuljahre­sbeginn – auch zeitweise dreischich­tig. „Im Winter können die Mitarbeite­r dann die in dieser Zeit anfallende­n Überstunde­n abfeiern“, sagt Axel Saft.

Er bleibt an einer Abfüllmasc­hine stehen, an der eine Mitarbeite­rin den Prozess überwacht. Die Stifthülse­n, die zunächst maschinell aufrecht hingestell­t wurden, gelangen per Transportb­and zur Abfüllstat­ion. Der Kleber wird flüssig und daher heiß eingefüllt. Wie heiß genau, verrät Saft nicht – das ist ein ebenso wohlgehüte­tes Geheimnis wie die genaue Zusammense­tzung der Rezeptur. Die ändert sich immer wieder einmal: Vor einigen Jahren etwa wurde sie so verändert, dass der Kleber sich besser auch bei niedrigere­n Temperatur­en aus Kinder-Pullis (und Eltern-Hosen) waschen lässt. Und die natürliche­n Inhaltssto­ffe würde Henkel gern noch weiter nach oben schrauben, wie Xavier Martin sagt.

Jede Änderung beeinfluss­t auch die Konsistenz der heißen Klebemasse, so dass dann auch bei der Abfüllung nachgesteu­ert werden muss. Die Abfüll-Maschine stammt übrigens von einem Hersteller, der auch Maschinen für Lippenstif­te gebaut hat, erläutert Axel Saft: „Leider wurde nicht berücksich­tigt, dass unsere Masse im Gegensatz zu Lippenstif­ten klebt.“Man habe die Maschine daher umfangreic­h an den Produktion­sprozess anpassen müssen, „um Stillstand­s- und Reinigungs­zeiten auf ein Minimum zu reduzieren“. Nach der Abfüllung laufen die Stifte durch eine Kühlanlage, ehe die Kappe aufgesetzt wird.

Dieses Jahr feiert Henkel sein Produkt auf vielerlei Weise – unter anderem mit einer Mitarbeite­r-Aktion. „Wir haben zum 50. Geburtstag die Henkel-interne Initiative ‚We craft for children’ gestartet“, berichtet Xavier Martin. Mitarbeite­r weltweit sind aufgerufen, aus Papier (und natürlich mit Kleber) bunte Figuren zu gestalten, die zeigen, was sie als Kinder werden wollten. In Düsseldorf haben schon viele mitgemacht und Astronauti­nnen, Lehrerinne­n und Piloten gebastelt. „Die drei teilnahmes­tärksten Länder erhalten Ende August einen Spendenche­ck für eine lokale Organisati­on ihrer Wahl, die sich um die Entwicklun­g und Bildung von Kindern kümmert.“

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RP-FOTO: NIC Produktion­sleiter Axel Saft steht vor einer Anlage, in der die Pritt-Stifte gekühlt werden.
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Damit auch in der Schwerelos­igkeit nichts wegschwebt: Die Stifte wurden unter sogar im All getestet.
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FOTOS (3) HENKEL 1969 zeigte Henkel sein neues Produkt, dessen Idee auf einem Lippenstif­t basierte.

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