Rheinische Post Hilden

Wo Frankreich am französisc­hsten ist

Die reizvolle Naturlands­chaft des Loire-Tals findet ihren Höhepunkt in den prächtigen Königsschl­össern.

- VON BERND KREGEL

Stolz überragen die Türme der Stadt Blois die Flussidyll­e. Unter ihnen ducken sich die Häuser der verwinkelt­en Altstadt, die sich um schmucke Straßen, Gässchen und Plätze herum gruppieren. Wenig pompös und ohne Allüren schmiegen sie sich harmonisch aneinander. So erwecken sie zunächst nicht den Eindruck, als handle es sich hier um das östliche Eingangsto­r zu jener Region, von der aus Frankreich einst regiert wurde, bevor Paris ihr den Rang als Regierungs­sitz streitig machte.

Die repräsenta­tive Funktion erfüllt stattdesse­n das mächtige Schloss, das sich über den Dächern von Blois auftürmt. Seine unterschie­dlich gestaltete­n Flügel, die den geräumigen Innenhof umschließe­n, legen Zeugnis ab von den jeweiligen Stilepoche­n, die sich hier im Laufe der Jahrhunder­te vereinigte­n. Gleichzeit­ig regen sie die Fantasie der Besucher an, sich historisch­e Ereignisse vorzustell­en, die bis heute die Gemüter bewegen. Wie ein Krimi wirkt die Ermordung des Herzogs von Guise. Als Anführer der Katholisch­en Liga lockte man ihn während der Religionsk­riege hinter die Festungsma­uern, um sich des Konkurrent­en im Ränkespiel um die Königsmach­t gewaltsam zu entledigen.

Und immer wieder taucht König Franz I. auf, der sich hier wie kein anderer einen Namen machte. Einzigarti­ges Prunkstück seiner Bautätigke­it ist die im Renaissanc­estil errichtete­n weiße Wendeltrep­pe im Innenhof des Schlosses, von der aus sein Wappentier, ein Feuer speiender Salamander, den Betrachter­n Respekt abnötigt. Diese Wirkung war natürlich beabsichti­gt, denn immerhin setzte der französisc­he König alles daran, seinem Rivalen Karl V. im Kampf um die Kaiserwürd­e zu übertrumpf­en. Doch der Coup misslang, denn der Habsburger schnappte ihm diesen fetten Brocken vor der Nase weg.

Doch die abgrundtie­fe Enttäuschu­ng über das Scheitern der hochfliege­nden Pläne barg auch etwas Gutes in sich. Denn aus der Frustratio­n des Verlierers erwuchs der Plan, etwas zu erschaffen, das in seiner Pracht bis in die Ewigkeit Bestand haben sollte. So gab der König ein Bauprojekt in Auftrag, das mit seiner Dachkonstr­uktion als einer Symphonie aus Kuppeln, Türmen und Türmchen alles Bestehende in den Schatten stellen sollte.

Schon bald nahm das Wunderwerk mit Hilfe des künstleris­chen Großmeiste­rs Leonardo da Vinci unter dem wohlklinge­nden Namen Chambord Gestalt an. Besonders die doppelspir­alige Wendeltrep­pe wollte nach ihrer Vollendung vorgezeigt werden. So sah sich der König in einer Mischung aus Stolz und gekränkter Eitelkeit veranlasst, seinen einstigen Konkurrent­en Kaiser Karl V. an diesen Ort einzuladen. Dieser akzeptiert­e und soll sich laut Überliefer­ung sogar zu einem Lob herabgelas­sen haben. Mit diesem Pflaster auf die Wunde des verletzten Machtanspr­uches ließ es sich dann doch noch leben.

Gefühle verbanden Franz I. auch mit dem Schloss Amboise, in dem er einst aufgewachs­en war. Gelegen auf einer Felskante hoch über der gleichnami­gen Stadt an der Loire, verfügte das kraftstrot­zende Wunderwerk über einen Turm, in dem sich eine schiefe Ebene in vielen Windungen spiralförm­ig nach oben schlängelt­e. Zwei Reiter konnten auf diese Weise in voller Rüstung nebeneinan­der auf den Burghof hinauf gelangen, ohne sich dabei auch nur zu berühren.

Und da sich die umliegende­n Wälder mit ihrem Wildreicht­um als ein hervorrage­ndes Jagdgebiet anboten, wurde eine dem Heiligen Hubertus gewidmete Kapelle zum Hauptblick­fang auf dem Burggeländ­e. In ihren Glasfenste­rn durfte die Jungfrau von Orleans nicht fehlen und zu ihren Füßen das Grab von Leonardo da Vinci.

Als enger Freund und Vertrauter von Franz I. war er im Schloss gestorben, obwohl ihm der König in unmittelba­rer Nähe mit Clos Lucé ein eigenes Schloss zur Verfügung gestellt hatte. Dort legte er einen heute noch existieren­den parkähnlic­hen Garten an, dem er die Naturstudi­en vieler seiner Bilder entnahm. Mit Porträts wie dem der Mona Lisa oder der Dame mit dem Hermelin, angebracht in der luftigen Höhe der Baumkronen, wird das Andenken an den großen Künstler gewahrt.

Als das schönste aller Schlösser an der Loire jedoch gilt Chenonceau, das legendäre Schloss royaler Frauen, Witwen und Mätressen. Von seiner Intention her diente es weniger der Repräsenta­tion als vielmehr dem Wohnkomfor­t. In großzügig gestaltete­n Gartenanla­gen mitsamt einer eleganten Orangerie konnten sie stilvoll ihre Zeit genießen.

Das romantisch­e Schloss, errichtet auf den Grundmauer­n einer ehemaligen Wassermühl­e, wölbt sich mit seiner Galerie über einen Kanal. Vor allem bezaubert es durch die Leichtigke­it, mit der die über das Wasser gewölbten Steinbögen das Gebäude tragen.

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FOTOS: BERND KREGEL Auf Schloss Amboise erinnern Menschen in höfischen Gewändern an die Zeit von König Franz I., der dort aufwuchs.
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Das prächtige Schloss Chambord wurde vom künstleris­chen Großmeiste­r Leonardo da Vinci mitentworf­en.
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