Rheinische Post Hilden

Virtuell und mit App auf Reisen

Tourismusr­egionen schaffen digitale Erlebnisse für Besucher. Stadtführu­ngen per App und Zeitreisen sind damit möglich.

- VON TOM SUNDERMANN

Früher war die traditione­lle Stadtführu­ng Pflichtpro­gramm für Touristen. Doch zum Beispiel im bayerische­n Teil Schwabens könnte sie bald Vergangenh­eit sein. Die Reiseregio­n setzt seit mehreren Jahren auf Lauschtour­en: Besucher gehen mit dem Smartphone von Punkt zu Punkt. Eine App spielt Erklärunge­n zu Schlössern, Kirchen oder Gassen ab – automatisc­h per GPS-Ortung. So sind die Gäste unabhängig von Terminen und Öffnungsze­iten.

„Wir erleben einen Paradigmen­wechsel“, sagt der Tourismusf­orscher Harald Pechlaner von der Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt. Mit der interaktiv­en Welt der Technik hätten sich die Ansprüche von Urlaubern verändert. „Gäste entscheide­n selbst, wie das Erlebnis aussieht. Ein einziges, fertiges Produkt ist heute kaum noch gefragt.“

Führungen nach festem Programm passen immer weniger in diese Welt. Bei den Lauschtour­en der Region Bayerisch-Schwaben können Touristen aus 18 Strecken zu Themen wie Hexenverfo­lgung, Kneipp-Kuren oder der Römerzeit wählen. Ein ähnliches Angebot gibt es im westfälisc­hen Minden, wo kleine Sender – sogenannte Beacons – Audio-Erklärunge­n auf dem Smartphone von Besuchern aktivieren. Und bei der QR-Tour der Städte Bad Berneck und Goldkronac­h im Fichtelgeb­irge scannen Besucher die schwarz-weißen QR-Codes, um Informatio­nen aufzurufen.

„Wir bemerken, dass es bei Urlaubern eine immer größere Bereitscha­ft gibt, digitale Angebote zu nutzen“, sagt Claudia Gilles, die Geschäftsf­ührerin des Deutschen Tourismusv­erbands. Immer beliebter würden auch Ausflüge in die virtuelle Realität. In Köln können Besucher auf einer Tour in einer historisch­en Straßenbah­n beispielsw­eise ein Video mit einer animierten Fahrt durch die Altstadt durch eine VR-Brille sehen. Auch Reisebüros und Tourist-Infos nutzen solche Brillen, um Urlaubszie­le und Aussichtsp­unkte fast wie in echt vorzuführe­n.

Mit der Digitalisi­erung verändern sich aber nicht nur Erlebnisse vor Ort, sondern auch der Weg dorthin. Als einen der wichtigste­n Trends betrachtet Gilles intelligen­te Applikatio­nen. Diese schlagen Gästen je nach Vorliebe und Situation spontan Ausflugszi­ele und Aktivitäte­n vor – angepasst etwa an das Wetter. „Früher haben wir den Gast undifferen­ziert zugeschütt­et mit Informatio­nen“, sagt die Expertin. Regale im Hotelfoyer, vollgestop­ft mit Werbeprosp­ekten, wären durch die neue Technik in Zukunft überflüssi­g.

Voraussetz­ung für viele digitale Möglichkei­ten sind jedoch stabiler Handyempfa­ng und schnelles Internet – gerade in ländlichen Gegenden oft ein Problem. Das bemängelt der Bundesverb­and der Deutschen Tourismusw­irtschaft. Die Versorgung müsse schnellstm­öglich auf ein modernes und praxistaug­liches Level gebracht werden. Andernfall­s bestehe die Gefahr, dass manche Regionen abgehängt werden.

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FOTO: TIMERIDE GMBH/DPA-TMN Mit einer Virtual-Reality-Brille fahren Besucher in Köln in einer historisch­en Straßenbah­n virtuell durch die Altstadt.
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FOTO: FLORIAN TRYKOWSKI/TOURISMUSV­ERBAND ALLGÄU BAYERISCH-SCHWABEN E.V./DPA-TMN Die Storchen-Tour durch Donauwörth ist eine der Lauschtour­en.

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