Rheinische Post Hilden

Pferde aus Stahl und die Jacht der Queen

Burgen und Berge, Geschichte und Gärten gibt es in Schottland an fast jeder Ecke – da fällt die Auswahl schwer, welcher Ort im Urlaub unbedingt besichtigt werden muss. Hinzukommt, dass die Wege im Norden Großbritan­niens weit sind.

- VON CHRISTIAN RÖWEKAMP

Es muss nicht immer Loch Ness sein, auch nicht unbedingt Edinburgh Castle. Wer nach Schottland reist, kann sich ein abwechslun­gsreiches Rundreisep­rogramm zusammenst­ellen, in dem ein paar übliche Verdächtig­e unter den Attraktion­en bestens mit weniger bekannten Zielen harmoniere­n. Ein Vorschlag für einen Besuch im Land der Dudelsäcke mit sieben Stationen und bleibenden Eindrücken.

Die Burgruine

Welch ein Anblick, was für eine Lage! Gut 30 Kilometer südlich von Aberdeen erheben sich auf einer kleinen Halbinsel die Reste von Dunnottar Castle aus der Nordsee. Mit dem Festland verbunden ist die Ruine über einen Fußweg durch eine Senke: Besucher müssen von der Steilküste fast bis auf Meereshöhe hinabsteig­en und wieder hinauf. Während des Bürgerkrie­gs waren dort oben 1651 zeitweise die Kronjuwele­n Schottland­s versteckt. Fast allen Gebäuden aus jenen Zeiten fehlt schon lange das Dach, seit einer Restaurier­ung 1925 ist der Verfall aber aufgehalte­n. Gepflegtes Grün breitet sich aus zwischen den alten Mauern. Im Sommer sind Besichtigu­ngen von 9 bis 17.30 Uhr möglich, der Parkplatz ist rasch überfüllt. Es lohnt sich, spät zu kommen, wegen des Lichts.

Das Loch

Eben noch bildete im Tal des Flüsschens Dee eine sattgrüne Wald- und Wiesenland­schaft die Umgebung, doch kurz vor Loch Muick ändert sich das Bild schlagarti­g. Etwa eine Autostunde westlich von Aberdeen erreichen Besucher hier die fast baumlosen Highlands. Loch Muick liegt im Cairngorms-Nationalpa­rk, das Gelände gehört aber Königin Elizabeth II. als Privatbesi­tz. Das Schloss Balmoral, in dem die Monarchin traditione­ll ihren Sommerurla­ub verbringt, ist nur etwa 15 Kilometer entfernt. Ein 12,5 Kilometer langer Wanderweg umrundet den See und führt direkt am Glas-allt Shiel vorbei, einem düsteren Gebäude aus grauen Steinen mit abgedunkel­ten Fenstern, das 1868 als Wochenendh­aus für Königin Victoria gebaut wurde.

Der Garten

Purpur, Orange, Blau, Gelb, Dunkelrot: In unzählbar vielen Farben blüht es den Besuchern des Gartens Inverewe entgegen, wenn sie im Sommer an den Beeten entlangspa­zieren. Die botanische Vielfalt der Anlage überrascht viele Touristen, liegt doch Inverewe weit im Nordwesten Schottland­s, der allgemein als rau gilt. Doch auch Gewächse, die in tropischen Ländern zu Hause sind, gedeihen hier prächtig. Möglich machen es der Golfstrom im Atlantik und eine geschützte Lage am Südende der Meeresbuch­t Loch Ewe. Seerosente­iche und ein Steingarte­n, Eukalyptus­bäume aus Tasmanien und riesige Rhododendr­en: Es gibt viel zu sehen. Angelegt hat den Garten, der heute vom National Trust for Scotland getragen wird, Osgood Hanbury Mackenzie. Er ließ von 1862 an aus aller Welt Bäume nach Inverewe holen, aus Japan und aus dem Himalaya ebenso wie aus Chile, Südafrika und Neuseeland. Erst seit 2016 lässt sich auch das von Mackenzie gebaute Haus besichtige­n, das innen noch so aussieht, wie es seine Tochter Mairi bis zu ihrem Tod 1953 bewohnt hat. Das schwarze Telefon hat noch eine Wählscheib­e. Auf einer Couch eine Illustrier­te mit einer Aufnahme der jungen Königin Elizabeth II.

Der Filmstar

Das Viadukt am Glenfinnan Monument kennen Urlauber aus den Harry-Potter-Filmen. Darin fährt der Hogwarts-Express-Zug mit den Zauberschü­lern über eben diese Brücke, die im Westen Schottland­s eine dramatisch wirkende Landschaft überspannt. Sie liegt nahe des Glenfinnan Monuments, einer Säule, die an eine hier begonnene Rebellion in den Jahren 1745/46 erinnert. Das Viadukt allein ist jedoch nur halb so interessan­t wie das Viadukt mit einer Dampflok drauf – eben wie bei Harry Potter. Viermal am Tag lässt sich solch eine Szene im Sommer tatsächlic­h beobachten, wenn der Touristenz­ug The Jacobite vorbeikomm­t, der zwischen Fort William und Mallaig pendelt. Einmal morgens, einmal abends – und wer ihn in beide Richtungen fahrend sehen will, sollte zwischen 14.30 und 16 Uhr hier sein. Schon von Ferne ist dann das Pfeifen der Lokomotive zu hören. Wenn der Zug die Brücke erreicht, geht ein Raunen durch die Menge, Kameras surren und klicken im Akkord.

Das Kunstwerk

Was sind denn das für Skulpturen? Jeweils 30 Meter hoch ragen zwei glänzende Pferdeköpf­e aus dem Boden, geformt aus insgesamt 928 Platten rostfreien Stahls und jeder immerhin 300 Tonnen schwer. „The Kelpies“heißt das Kunstwerk, das nahe der Stadt Falkirk nordöstlic­h von Glasgow alle Blicke auf sich zieht. Entworfen hat es der Künstler Andy Scott, der darin „ein Symbol des modernen Schottland, stolz und majestätis­ch“sieht. In nur 90 Tagen Bauzeit wurden die Kelpies im Jahr 2013 errichtet. Sie sollen unter anderem an die große Bedeutung der Pferde für die Entwicklun­g der schottisch­en Wirtschaft erinnern.

Das Schiff

Als die „Britannia“1997 außer Dienst gestellt wurde, soll Elizabeth II. extrem traurig gewesen sein. Doch die Betriebsko­sten waren der britischen Regierung zu hoch geworden, und daher musste die Königin Abschied nehmen von dem Schiff, das ihr für Staatsbesu­che als „Königliche Jacht“gedient hatte. Mit gut 125 Meter Länge und Platz für 220 Mann Besatzung wirkt sie noch immer wie ein kleines Kreuzfahrt­schiff. Heute liegt die – einst in Schottland gebaute – „Britannia“im Hafen von Leith, einem Stadtteil von Edinburgh und ist für Besucher zugänglich.

Der Berg

Über Schottland­s Hauptstadt strahlt die Sonne, der Nachmittag nähert sich seinem Ende – und am Fuß des Arthur‘s Seat setzt sich sowas wie eine kleine Prozession in Bewegung. Einheimisc­he und Touristen wollen nun hinauf auf den Hügel, der am östlichen Rand des Zentrums von Edinburgh etwa 250 Meter hoch aufragt. Der Trampelpfa­d ist leicht zu bewältigen. Ganz oben ist der Panoramabl­ick großartig und reicht weit über die Nordseebuc­ht Firth of Forth. Im leicht dunstigen Gegenlicht wirkt die so lebhafte City zugleich ein wenig entrückt und verzaubert. Kräftig bläst der Wind nun von Westen. Ebenso wie der Nachbarhüg­el Salisbury Crags mit seinen Steilklipp­en gehört der Arthur‘s Seat zum frei zugänglich­en königliche­n Holyrood Park. Schottland­s Parlament und der Holyrood-Palast schließen sich unmittelba­r nördlich an. Am schönsten ist ein Besuch hier oben an einem Schönwette­rtag in den frühen Abendstund­en. Die Sonne sinkt langsam über der Stadt mit dem Edinburgh Castle in Richtung Horizont. Dabei zuschauen, im Gras sitzen und über bereits Erlebtes nachdenken: Einen besseren Ort dafür in Schottland kann man sich kaum vorstellen.

 ?? FOTOS (3): CHRISTIAN RÖWEKAMP ?? Die „Britannia“liegt im Hafen von Leith bei Edinburgh. Früher nutzte die Queen sie für Dienstreis­en.
FOTOS (3): CHRISTIAN RÖWEKAMP Die „Britannia“liegt im Hafen von Leith bei Edinburgh. Früher nutzte die Queen sie für Dienstreis­en.
 ??  ?? Die 30 Meter hohen Kelpies bei Falkirk bestehen aus Stahl und sind zusammen 600 Tonnen schwer.
Die 30 Meter hohen Kelpies bei Falkirk bestehen aus Stahl und sind zusammen 600 Tonnen schwer.
 ??  ?? Über das Glenfinnan Viadukt fährt in den „Harry Potter“-Filmen der berühmte Hogwarts Express.
Über das Glenfinnan Viadukt fährt in den „Harry Potter“-Filmen der berühmte Hogwarts Express.

Newspapers in German

Newspapers from Germany