Rheinische Post Hilden

Die Agios Nikolaos wird auch MirabelloB­ucht genannt. Sie lockt nicht nur im Sommer nach Kreta.

- VON ERNST LEISTE

Der Heilige Nikolaus bringt in unseren Breiten am 6. Dezember den braven Kindern Geschenke. Um den barmherzig­en Bischof aus dem kleinasiat­ischen Myra ranken sich nicht nur bei uns, sondern weltweit viele Legenden und Mythen. So ist der Heilige, der in Griechenla­nd als Agios Nikolaos verehrt wird, dort auch der Schutzpatr­on der Seefahrer und nach ihm ist auch ein zauberhaft­es Städtchen im Nordosten Kretas benannt. Denn dort steht die kleine byzantinis­che Kirche Agios Nikolaos, die aus dem 8.bis 9. Jahrhunder­t stammt und als älteste noch intakte Kirche Kretas gilt.

Um den nach ihm benannten Ort, der gerade mal eine Stunde Fahrt vom Flughafen Heraklion entfernt ist, ranken sich aber nicht nur wegen des Heiligen Nikolaus zahlreiche Legenden, denn Kreta wird nicht ohne Grund „die Insel der Götter“genannt. Und so ist es nicht verwunderl­ich, dass seit 2012 am Hafen der Stadt die Europa-Statue mit Blick auf die zauberhaft­e Mirabello-Bucht enthüllt wurde. Diese zeigt den Göttervate­r Zeus in Gestalt eines Stieres, der die wunderschö­ne phönizisch­e Prinzessin Europa, die Namensgebe­rin unseres Erdteils, auf seinem Rücken entführt.

Auch um die größte Attraktion der Stadt, den heute als Fischerhaf­en genutzten Voulismeni-See, ranken sich viele Mythen. In dem See, der ursprüngli­ch gar nicht mit dem Meer verbunden war, soll bereits die Göttin Athene gebadet haben, und der Meeresfors­cher Jacques Cousteau hat dort 1976 auf der Suche nach dem versunkene­n Königreich Atlantis – leider vergeblich – getaucht. Der rund 20 Meter lange Kanal zum Hafenbecke­n wurde erst vor gut 150 Jahren errichtet. Mit rund 65 Metern weist der See eine beachtlich­e Tiefe auf, und der Legende nach soll der Schlund des Sees gar unterirdis­ch mit der Insel Santorini verbunden sein.

Heute ist der See, den hohe Felswände umgrenzen, Liegeplatz für zahlreiche kleine Fischerboo­te und malerische Kulisse für zahlreiche Tavernen, Cafés, Bars, Unterkünft­e und Geschäfte an seiner Promenade. Oberhalb des Sees stand einst eine venezianis­che Festung, und der Blick von hier oben über den See, den Hafen und die Mirabello-Bucht – was so viel wie schöne Aussicht heißt – gehört zu den beliebtest­en Fotomotive­n auf Kreta.

„Ein Besuch von Agios Nikolaos lohnt nicht nur zur Hauptsaiso­n, wenn es in der Stadt recht voll werden kann. Kommen Sie das nächste Mal doch zur Judas-Verbrennun­g zu Ostern hierhin und feiern zweimal Ostern“, meint unsere temperamen­tvolle Reiseleite­rin Cristina. Als wir etwas verdutzt schauen, folgt gleich die Erklärung. „Durch den gregoriani­schen Kalender feiern wir Griechen Ostern meist erst eine Woche später als ihr, und die nächtliche Verbrennun­g der Strohpuppe in der Mitte des Sees bildet ein wirklich außergewöh­nliches Spektakel. Ihr könnt euch für 2019 bereits den 28.4. oder für 2020 den 19.4. im Kalender vormerken und dann das orthodoxe Osterfest mit uns unter kretischer Sonne feiern.“

Das klingt wirklich sehr verlockend, denn die Insel erstrahlt im April in einer wunderschö­nen Blütenprac­ht, die Temperatur­en sind mild, und besonders zu Ostern hat man die Möglichkei­t, Sitten und Traditione­n besser kennenzule­rnen. Nach dem Osterbrauc­h bestrafen die Gläubigen Judas, den Verräter von Jesus, indem sie eine Puppe in Brand setzen. Die Stadtbevöl­kerung versammelt sich mit Kerzen in der Hand rund um den Voulismeni-See, das heilige Osterfeuer wird unter den Gemeindemi­tgliedern weitergere­icht und verbreitet sich rings um das Gewässer entlang der Promenade. „Die Lichter spiegeln sich im Wasser des Sees, ein wahrlich unvergessl­iches Erlebnis“, erzählt uns Cristina weiter.

Den Höhepunkt des Osterfeste­s bildet die Auferstehu­ngsfeier. Der Gottesdien­st erreicht um Mitternach­t mit dem Ausruf „Christós anésti“(„Christus ist auferstand­en“) seinen Höhenpunkt. Die Antwort der Gläubigen ist „alithós anesti“, er ist wirklich auferstand­en. Danach setzt sich die Kerzenproz­ession in Gang, der Scheiterha­ufen wird entzündet und Judas bei Glockenläu­ten und einem prächtigen Feuerwerk verbrannt.

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FOTO: GETTY IMAGES Die Mirabello-Bucht ist die größte Bucht der griechisch­en Inseln und die fünftgrößt­e im Mittelmeer.
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Die unbewohnte griechisch­e Insel Spinalonga liegt im westlichen Golf von Mirabello. Früher wurden Lepra-Kranke auf der Insel untergebra­cht.
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FOTOS (2): ERNST LEISTE Die Europa-Statue im Hafen mit Blick auf die zauberhaft­e Mirabello-Bucht wurde 2012 enthüllt.

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