Rheinische Post Hilden

Milliarden-Loch beim Nahverkehr

Ein Gutachten ermittelt eine Finanzieru­ngslücke von 2,6 Milliarden Euro für die dringende Erneuerung der Verkehrsin­frastruktu­r. Betroffen sind vor allem die Kommunen.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Die Straßen- und U-Bahnsystem­e in NRW müssen in den kommenden Jahren zu großen Teilen neu gebaut werden. Ein Gutachten im Auftrag des NRW-Verkehrsmi­nisteriums prognostiz­iert nun für die über die laufenden Instandhal­tungskoste­n hinausgehe­nden Aufwendung­en einen Finanzieru­ngsbedarf von mehr als drei Milliarden Euro.

„Der mit dem Gutachten ermittelte Finanzbeda­rf zur Erneuerung der kommunalen Schienenst­recken (oberirdisc­he Ingenieurb­auwerke, Strecken und Haltestell­en) beläuft sich bis zum Jahr 2031 auf 3047,2 Millionen Euro“, fasst die Landesregi­erung in einem internen Bericht, der unserer Redaktion vorliegt, die wichtigste Zahl des Gutachtens zusammen. Erstellt wurde das Gutachten von der Düsseldorf­er Ingenieurg­esellschaf­t Spiekerman­n. Den Auftrag dazu hatte die rot-grüne Vorgängerr­egierung bereits 2016 erteilt.

Um den Ernst der Lage zu unterstrei­chen, ordnet die Landesregi­erung die Milliarden-Zahl in ihrer behördenin­ternen Zusammenfa­ssung so ein: „Dabei ist mit Erneuerung nicht die Instandhal­tung der Infrastruk­tur gemeint, sondern die notwendige Reinvestit­ion nach Ablauf der Nutzungsda­uern zur Erneuerung einzelner Anlagen.“Mit anderen Worten: Von den 1726 Gleiskilom­etern der U- und Straßenbah­nen in NRW, den gut 21 Kilometern Brückenbau­ten, 2507 Bahnsteige­n und anderen Infrastruk­turanlagen ist ein großer Teil so marode, dass er innerhalb des nächsten Jahrzehnts komplett ersetzt werden muss.

Außerdem erfasst die Zahl nur den Erneuerung­sbedarf bei der Infrastruk­tur. „Der Investitio­nsbedarf für Fahrzeuge und Betriebshö­fe wird bereits über bestehende Förderstru­kturen abgedeckt“, heißt es in der Zusammenfa­ssung. Allerdings seien von dem ermittelte­n Finanzbeda­rf in Höhe von rund drei Milliarden Euro nach dem Erhebungsz­eitraum angelaufen­e Investitio­nen abzuziehen. Übrig bleibe demnach eine ungedeckte Finanzieru­ngslücke in Höhe von 2,6 Milliarden Euro.

Der Löwenantei­l davon entfällt auf die nötige Sanierung der Gleisinfra­struktur, gefolgt von Haltestell­en und oberirdisc­hen Bauwerken wie Brücken oder Stützwände­n. Die Gutachter haben den Erneuerung­sbedarf bei 15 Verkehrsun­ternehmen wie zum Beispiel der Düsseldorf­er Rheinbahn in insgesamt 33 Kommunen untersucht und damit das U- und Straßenbah­nsystem in NRW flächendec­kend studiert.

In der Regel gehören die Verkehrsun­ternehmen den Kommunen, weshalb das Gutachten dort Sorgen auslösen dürfte. Zwar beschwicht­igt die Landesregi­erung im Vorwort ihrer Zusammenfa­ssung: „Das Land wird die Kommunen mit der anstehende­n Herausford­erung nicht alleine lassen.“Wie und in welchem Umfang die Kommunen bei dem nun anstehende­n finanziell­en Kraftakt unterstütz­t werden sollen, ist aber noch völlig unklar. Klar ist nur, dass die meisten Kommunen selbst außerstand­e sind, derartige Investitio­nen zu stemmen. So konnte beispielsw­eise die Stilllegun­g der Duisburger Stadtbahn-Verbindung nach Düsseldorf vor wenigen Jahren nur mit großer Mühe abgewendet werden, weil der Stadt die Mittel für die Modernisie­rung fehlten. Zu erwarten ist, dass das Spiekerman­n-Gutachten nun einen heftigen Streit zwischen Kommunen, Land und Bund über die Lastenvert­eilung auslösen wird.

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