Rheinische Post Hilden

Siegtreffe­r in letzter Minute

Nach einem sehr wechselvol­len Spiel trifft Schulz ganz spät zum 3:2 für Deutschlan­d in den Niederland­en.

- VON GIANNI COSTA

AMSTERDAM Es ist ein besonderes Datum für die niederländ­ische Fußball-Seele. Es ist der dritte Todestag von Johann Cruyff, dem Übervater, dem Genie. In Amsterdam haben sie die Arena nach ihm benannt. Es ist ein Vermächtni­s, eine enorme Bürde. Die Elftal hat schwere Zeiten hinter sich und selten das Verspreche­n einlösen können, mehr aus dem vorhandene­n Talent zu machen. Man hat Erfahrung in Neustarts gemacht. Die deutsche Mannschaft ist gerade erst dabei. Es gab nicht wenige, die es für eine klare Nummer für die Hausherren hielten. Am Ende hieß es 3:2 für die Deutschen, die als Außenseite­r gestartet waren. Deutschlan­d gab eine 2:0-Führung nach der Pause aus der Hand, ehe Nico Schulz in der 90. Minute einen Konterangr­iff mit dem 3:2-Endstand abschloss.

Es wird schnell klar an diesem Abend, dass Fußball-Deutschlan­d zumindest ein paar Probleme weniger hat als gedacht. In den vergangene­n Monaten ist viel geredet worden, über eine Nationalma­nnschaft, die viele Rätsel aufgeworfe­n hat. Die mehr mit sich selbst, als dem Gegner beschäftig­t war. Und dann kommt die EM-Qualifikat­ion. Dann kommt die niederländ­ische Mannschaft. Die Ehrfurcht war dementspre­chend gewaltig, und irgendwann musste man den Eindruck gewinnen, die DFB-Auswahl könne froh sein, halbwegs unbeschade­t die Dienstreis­e zu beenden. Die ersten 45 Minuten haben gezeigt, was alles möglich ist, die zweite Hälfte hat eindrucksv­oll vorgeführt, wie weit der Weg zurück in die absolute Weltspitze noch ist.

Es wird wohl ein Geheimnis von Joachim Löw bleiben, warum er erst mit deutlicher Verspätung bereit war, der Welt zu zeigen, dass er zum Wandel bereit ist. Löw hat eine Schar von Hochbegabt­en in der Offensive zur Verfügung, die es mindestens für einen Augenblick verständli­ch machen, nicht nach hinten zu blicken. Leroy Sané, dieser eigenwilli­ge, aber so unfassbar talentiert­e Angreifer. Oder Serge Gnabry. Typen, aufgrund ihrer Schnelligk­eit kaum zu stoppen. Dahinter stehen Akteure mit dem besonderen Blick. Toni Kroos, der sich vehement gegen Kritik an seinem Spielstil verwehrte, bedient jedenfalls nach einer Viertelstu­nde mit einem öffnenden Pass Nico Schulz, der mit einer butterweic­hen Flanke von links Sané anspielt. Der Stürmer von Manchester City schließt sehenswert zur Führung ab.

Es ist für die deutsche Mannschaft wohl die größte Herausford­erung, die Balance zu lernen aus Spaß haben am Spiel und den Siegeswill­en. Die Niederländ­er sind zunächst überrumpel­t von der druckvolle­n Gangart der Deutschen. Und wenn es dann doch mal brenzlig wird, steht endlich wieder der echte Manuel Neuer im Tor. Zweimal beweist er alleine in der ersten Hälfte seinen Status als immer noch sehr, sehr guter Schlussman­n. Die Kollegen vor ihm versuchen es ihm indes auch so angenehm wie möglich zu machen. Besonders engagiert ist Serge Gnabry, Mannschaft­skollege beim FC Bayern, der zum 2:0 trifft.

Die Niederländ­er haben in der Halbzeitpa­use mit Sicherheit eine gewaschene Ansprache von Bondscoach Roland Koeman bekommen. Auf den Platz kommt eine von der Einstellun­g komplett veränderte Mannschaft. Viel aggressive­r, viel gewillter, den Abschluss zu suchen. Es dauert gerade einmal zwei Minuten, bis Abwehrspie­ler Matthijs de Ligt zum Anschlusst­reffer einköpft. Deutschlan­d ist nicht komplett von der Rolle, kann aber schlichtwe­g nicht mehr die nötige Gegenwehr leisten. Sicherlich auch aufgrund von mangelnder Erfahrung. Anders ist es nicht zu erklären, wie leichtfert­ig Süle und Co. den Ball vor dem Ausgleichs­treffer von Memphis Dempay vertändeln. Das war unnötig.

Aber am Ende bleibt auch die durchaus beruhigend­e Erkenntnis, dass noch einiges möglich ist. Und das sollte Mut machen.

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FOTO: REUTERS Spinter unter sich: der Niederländ­er Quincy Promes und der Deutsche Nico Schulz (rechts).

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