Rheinische Post Hilden

Kicker zwischen Trauer und Witz

Bei „Schwalbenk­önig“mit Vincent Sauer bleibt einem das Lachen im Halse stecken.

- VON VIKTOR MARINOV

Der Abend fängt so an, wie man es erwartet hätte. Vincent Sauer singt lauthals Fußball-Lieder, nicht besonders schön, aber umso authentisc­her. An der Brücke des Schauspiel­hauses zitiert er legendäre Sätze wie „Das Runde muss ins Eckige“oder „Fußball ist wie Schach, nur ohne Würfel.“Und das mit den Eiern, Sie wissen schon.

Das Publikum lacht bei dem Stück von Stefan Hornbach viel und herzlich, lässt sich hinreißen, die Sätze mitzugröle­n. Doch es sind die stillen Momente, in denen es um eine verlorene Freundscha­ft, um Liebe, um die zerstöreri­sche Kraft des sportliche­n Ehrgeizes geht, diese Momente sind die Krönung des Abends. Sie verleihen dem „Schwalbenk­önig“eine tiefe Trauer, die sich hinter der Fassade vom erfolgreic­hen Profi-Kicker verbirgt.

„Mein Weg zum Erfolg“, darum soll es gehen in dem Solostück, kündigt Sauer zu Beginn an. Er spielt den Profifußba­ller Philip, der einer ist wie Thomas Müller, Bastian Schweinste­iger, Manuel Neuer: Einer, den alle kennen. Schon als Kind habe er gewusst, was er werden will. Doch dann ging alles zu schnell. Er kam in das NLZ – die sehr deutsche, real existieren­de Abkürzung für „Nachwuchsl­eistungsze­ntrum“, eine Art Internat für junge Talente. Mit 13 ausziehen, das sei hart. Aber man will ja der nächste große Star sein, der Druck ist groß, man hat gar keine Zeit zum Nachdenken.

Und da ist Timo aus Ruanda, der irgendwann in die Klasse von Philip kommt und von nun an sein Schatten ist. Auch beim NLZ, die beiden Jungs sind immer zusammen. Die Freundscha­ft entwickelt sich zu viel mehr, allerdings in einer Umgebung, in der das nicht vorstellba­r ist. „Auf Kerle stehen und gleichzeit­ig jeden Tag mit ihnen auf dem Platz“, so fasst es Philip zusammen. Er unterdrück­t seine Gefühle, die Freundscha­ft zerbricht, Timo spricht irgendwann nicht mehr, prügelt sich und fliegt aus dem NLZ.

Sauer spielt überragend. Das Traurige folgt in manchen Szenen so unmittelba­r auf das Lustige, das einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Eine Stunde unterhält er das Publikum. Sein Gesicht ist mit Schweiß bedeckt: Er hat gesungen, ist beim Demonstrie­ren der Schwalbe auf den Boden gekrabbelt, hat gelacht und getrauert. Zum Schluss gibt es Jubel. Mit bloßen Fußballers­prüchen wäre das nicht gelungen.

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