Albtraum auf See
Das Kreuzfahrtschiff „Viking Sky“ist mit mehr als 1300 Menschen an Bord vor der norwegischen Küste in Seenot geraten. Hunderte Passagiere wurden mit Hubschraubern evakuiert. 20 Menschen wurden verletzt, drei davon schwer.
MOLDE/STOCKHOLM Nach 26 angsterfüllten Stunden für die Passagiere hat das norwegische Kreuzfahrtschiff „Viking Sky“am Sonntagnachmittag im sicheren Hafen von Molde in Nordwestnorwegen angelegt. Das mit Belegschaft 1373 Passagiere zählende Schiff war am Samstag wegen eines heftigen Sturms und Motorenversagens in Seenot geraten. Helfer nahmen die Reisenden in Empfang und fuhren sie in Hotels oder Krankenhäuser.
Das Schiff geriet am frühen Samstagnachmittag in Seenot. Nur wenige Kilometer vor einem besonders gefährlichen Teil der norwegischen Küste zwischen Molde und Kristiansund schaukelte das Kreuzfahrtschiff mit 14 Decks in einem kräftigen Sturm manövrierunfähig Richtung Land, angepeitscht von bis zu 15 Meter hohen Wellen. Die Motoren der erst 2017 vom Stapel gelaufen „Viking Sky“waren mitten im Sturm ausgefallen. Warum, ist bislang unklar. Um 14 Uhr am Samstagnachmittag schickte der Kapitän den Mayday-Notruf aus, weil er die Sicherheit seiner Passagiere und der Besatzung nicht mehr gewährleisten konnte. Handyvideos vom Schiff zeugen von allgemeiner Panik: Möbel rutschen hin und her, Dachteile stürzen auf Reisende, Rettungswesten werden ausgeteilt. Der Mannschaft gelang es in letzter Minute, die Anker auszuwerfen, um die Schiffsposition zu stabilisieren.
Am Sonntagmorgen dann konnten zwei Schlepper das 228 Meter lange Schiff in Richtung Molde zu wenden. Auch die Motorenschäden wurden in der Nacht behoben, so dass die „Viking Sky“bei aufklarendem Wetter wieder aus eigener Kraft fahren konnte. Bis dahin waren mehr als 400 Passagiere bereits in einer dramatischen Aktion mit Hubschraubern gerettet worden. Eine Evakuierung mit Rettungsbooten war wegen des schweren Sturms nicht möglich.
„Ich dachte an die Titanic“, sagte per Helikopter evakuierte US-Passagier Rodney Hogen im norwegischen Rundfunk. „Wir saßen im Restaurant. Es begann, kräftig zu schaukeln. Plötzlich gab ein Fenster oder eine Tür durch eine meterlange Welle nach, Wasser strömte hinein und riss Tische, Stühle und Geschirr sowie 20 bis 30 Leute direkt vor mir mit sich. Meine Frau saß mir gegenüber, plötzlich war sie nicht mehr da. Ich dachte, das ist das Ende“, sagte der Rentner.
Laut vorläufigen Zahlen wurden 20 Passagiere verletzt, drei davon schwer. Zu den Passagieren gehörten laut der Reederei Viking Ocean Cruises auch zwei Deutsche. Ob die beiden Frauen im Alter von 74 und 66 Jahren bereits in der Nacht von Bord geholt wurden, war laut einem Sprecher nicht bekannt. Dem Roten Kreuz zufolge sind viele der Passagiere traumatisiert. Sie würden an Land psychologisch betreut.
Warum das Schiff bei so schlechtem Wetter ausgelaufen war, wollte Reederei-Chef Torstein Hagen am Sonntag nicht kommentieren. „Das ist nichts, was ich beantworten kann”, sagte er der Zeitung „Dagbladet“. Nach der Beinahe-Katastrophe am Samstag hatten andere Schiffe ihre Weiterfahrt aufgrund des Unwetters eingestellt und Passagiere stattdessen per Flugzeug weitertransportiert.
Die „Viking Sky“war auf dem Weg von Tromsö zur südlicher liegenden Küstenstadt und Ölindustriemetropole Stavanger. Seit dem 14. März war das Schiff auf einer Reise entlang der norwegischen Westküste unterwegs. Zielhafen wäre am Dienstag der Webseite Cruisemapper.com zufolge London gewesen. Die nächste Reise des Schiffes wurde laut der Reederei abgesagt.
Im Küstengewässer Hustadvika, das wegen zahlreicher kleiner Inseln und Riffe als gefährlich gilt, ist es schon häufiger zu Schiffsunfällen gekommen. Auch ein Frachtschiff geriet am späten Samstagabend unweit der „Viking Sky“in Seenot. Die neun Besatzungsmitglieder wurden ebenfalls mit Helikoptern von Bord geholt. mit dpa