Rheinische Post Hilden

Albtraum auf See

Das Kreuzfahrt­schiff „Viking Sky“ist mit mehr als 1300 Menschen an Bord vor der norwegisch­en Küste in Seenot geraten. Hunderte Passagiere wurden mit Hubschraub­ern evakuiert. 20 Menschen wurden verletzt, drei davon schwer.

- VON ANDRÉ ANWAR

MOLDE/STOCKHOLM Nach 26 angsterfül­lten Stunden für die Passagiere hat das norwegisch­e Kreuzfahrt­schiff „Viking Sky“am Sonntagnac­hmittag im sicheren Hafen von Molde in Nordwestno­rwegen angelegt. Das mit Belegschaf­t 1373 Passagiere zählende Schiff war am Samstag wegen eines heftigen Sturms und Motorenver­sagens in Seenot geraten. Helfer nahmen die Reisenden in Empfang und fuhren sie in Hotels oder Krankenhäu­ser.

Das Schiff geriet am frühen Samstagnac­hmittag in Seenot. Nur wenige Kilometer vor einem besonders gefährlich­en Teil der norwegisch­en Küste zwischen Molde und Kristiansu­nd schaukelte das Kreuzfahrt­schiff mit 14 Decks in einem kräftigen Sturm manövrieru­nfähig Richtung Land, angepeitsc­ht von bis zu 15 Meter hohen Wellen. Die Motoren der erst 2017 vom Stapel gelaufen „Viking Sky“waren mitten im Sturm ausgefalle­n. Warum, ist bislang unklar. Um 14 Uhr am Samstagnac­hmittag schickte der Kapitän den Mayday-Notruf aus, weil er die Sicherheit seiner Passagiere und der Besatzung nicht mehr gewährleis­ten konnte. Handyvideo­s vom Schiff zeugen von allgemeine­r Panik: Möbel rutschen hin und her, Dachteile stürzen auf Reisende, Rettungswe­sten werden ausgeteilt. Der Mannschaft gelang es in letzter Minute, die Anker auszuwerfe­n, um die Schiffspos­ition zu stabilisie­ren.

Am Sonntagmor­gen dann konnten zwei Schlepper das 228 Meter lange Schiff in Richtung Molde zu wenden. Auch die Motorensch­äden wurden in der Nacht behoben, so dass die „Viking Sky“bei aufklarend­em Wetter wieder aus eigener Kraft fahren konnte. Bis dahin waren mehr als 400 Passagiere bereits in einer dramatisch­en Aktion mit Hubschraub­ern gerettet worden. Eine Evakuierun­g mit Rettungsbo­oten war wegen des schweren Sturms nicht möglich.

„Ich dachte an die Titanic“, sagte per Helikopter evakuierte US-Passagier Rodney Hogen im norwegisch­en Rundfunk. „Wir saßen im Restaurant. Es begann, kräftig zu schaukeln. Plötzlich gab ein Fenster oder eine Tür durch eine meterlange Welle nach, Wasser strömte hinein und riss Tische, Stühle und Geschirr sowie 20 bis 30 Leute direkt vor mir mit sich. Meine Frau saß mir gegenüber, plötzlich war sie nicht mehr da. Ich dachte, das ist das Ende“, sagte der Rentner.

Laut vorläufige­n Zahlen wurden 20 Passagiere verletzt, drei davon schwer. Zu den Passagiere­n gehörten laut der Reederei Viking Ocean Cruises auch zwei Deutsche. Ob die beiden Frauen im Alter von 74 und 66 Jahren bereits in der Nacht von Bord geholt wurden, war laut einem Sprecher nicht bekannt. Dem Roten Kreuz zufolge sind viele der Passagiere traumatisi­ert. Sie würden an Land psychologi­sch betreut.

Warum das Schiff bei so schlechtem Wetter ausgelaufe­n war, wollte Reederei-Chef Torstein Hagen am Sonntag nicht kommentier­en. „Das ist nichts, was ich beantworte­n kann”, sagte er der Zeitung „Dagbladet“. Nach der Beinahe-Katastroph­e am Samstag hatten andere Schiffe ihre Weiterfahr­t aufgrund des Unwetters eingestell­t und Passagiere stattdesse­n per Flugzeug weitertran­sportiert.

Die „Viking Sky“war auf dem Weg von Tromsö zur südlicher liegenden Küstenstad­t und Ölindustri­emetropole Stavanger. Seit dem 14. März war das Schiff auf einer Reise entlang der norwegisch­en Westküste unterwegs. Zielhafen wäre am Dienstag der Webseite Cruisemapp­er.com zufolge London gewesen. Die nächste Reise des Schiffes wurde laut der Reederei abgesagt.

Im Küstengewä­sser Hustadvika, das wegen zahlreiche­r kleiner Inseln und Riffe als gefährlich gilt, ist es schon häufiger zu Schiffsunf­ällen gekommen. Auch ein Frachtschi­ff geriet am späten Samstagabe­nd unweit der „Viking Sky“in Seenot. Die neun Besatzungs­mitglieder wurden ebenfalls mit Helikopter­n von Bord geholt. mit dpa

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FOTOS: DPA, AP Das Kreuzfahrt­schiff „Viking Sky“ist am Samstag vor der norwegisch­en Küste in Seenot geraten. Grund waren ein schwerer Sturm und ein Motorschad­en. Das kleine Bild zeigt Passagiere an Bord des Schiffs, die Rettungswe­sten tragen und auf ihre Evakuierun­g warten.

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